Bad Dürkheim Bad Dürkheim: Textil Tempel schließt nach 60 Jahren

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1960 vorm Laden: Firmengründerin Beate Tempel mit Schwester Hannelore Hibinger (links) und Tochter Ulrike im Kinderwagen.

Nach fast 60 Jahren schließt in der Kurstadt das Wäschegeschäft Textil Tempel in der Römerstraße. Chefin Ulrike Krüger und ihr Team hören aus Altersgründen auf. Wie konnte sich ein kleines Wäschegeschäft in Konkurrenz mit den großen Textilketten so lange behaupten?

„Wir haben immer auf unsere Kundinnen gehört!“ Von Ladenhütern also keine Spur beim kleinen Lädchen Textil Tempel in der Römerstraße 16, das nach 60 Jahren in der Kurstadt schließt: „Wir konnten uns gegenüber den großen Textilern immer behaupten, unser Angebot ist immer noch gefragt: Aber unsere Tempel-Familie wird älter und bevor sie sich auflöst, hören wir auf.“ Dass nach 60 Jahren das kleine Geschäftchen in der Römerstraße mit einem Sortiment von Büstenhalter, Bademode bis zum Baby-Kuscheltier schließt, hat nichts mit schlechten Verkaufszahlen oder Ladenhütern zu tun, erzählt Ulrike Krüger – seit 1992 Chefin des traditionsreichen etwas versteckten Wäschegeschäfts. Die 59-Jährige erzählt, woran es liegt, dass sich das Lädchen so lange gehalten hat und in Familienbesitz geblieben ist. Das letzte von ursprünglich einmal fünf Kindermodengeschäften in der Kurstadt. Hinter der Schaufensterscheibe mit traditioneller, dezenter Dekoration verbergen sich rund 110 Quadratmeter. Momentan werben jedoch auffällige Prozentzeichen mit dem Ausverkauf des Sortiments.

Am Anfang stand ein Schirmgeschäft

Es beginnt eigentlich mit einem Schirmgeschäft im Jahr 1920 von Urgroßvater August Schüler. Nach dem Krieg und den Bomben vom 18. März 1945 ist erst einmal alles vorbei und zerstört. Die Großeltern bauen das Geschäft wieder auf und Mutter Beate eröffnet mit Vater Karl schließlich 1958 ein Textilgeschäft. Und das wächst und gedeiht: Aus dem kleinen Lädchen, das mit Damenpullovern um erste Kundinnen wirbt, wird nach und nach die komplette Damenpalette von Strümpfen bis Wäsche und Bademode und Oberbekleidung. In den 1970er-Jahren kommen Strampler, Kinder- und Teeniemode dazu: „Wir haben oft einfach das besorgt, was unsere Kundschaft wollte!“ Dass sie einmal selbst hinter der Ladentheke des Textilladens ihrer Eltern stehen würde, ist für Ulrik Krüger von jeher klar: „Ich bin da reingewachsen.“ Oft ist sie mit auf Textilmessen dabei. Im Jahr 1974 eröffnet Familie Tempel schließlich das zweite Kleidergeschäft im Domizilia-Haus: Das rasche Aus kommt mit dem frühen Tod des Vaters im Jahr 1979.

„Die Einführung des Euro haben wir schon gespürt“

Tochter Ulrike steigt schließlich nach einer Einzelhandelslehre und dem erlangten Berufsabschluss als Betriebswirtin und vielen Jahren Mitarbeit 1992 als Chefin ein. Das Angebot wird ständig angepasst und ausgebaut: Und so gehören zum Service sogar Hausbesuche und Vorort-Termine im Krankenhaus oder im Altenheim. Zu den Kunden zählen die Dürkheimer genauso wie Tagesgäste von Hotels und Touristen, die auf der Suche nach einem kleinen Mitbringsel für Zuhause sind. Die Tatsache, dass das Ladengeschäft in Familienbesitz ist, erleichtert es natürlich auch, so manche Krise zu überstehen: „Die Einführung des Euro haben wir hier anfangs schon gespürt“, erinnert sie sich. „Aber unser Team hat das alles gut gemeistert.“ Wie auch den ganz normalen Arbeitsalltag bei Krankheit oder Urlaub: „Die Kolleginnen regeln das alles unter sich und fühlten sich immer wohl.“ Deshalb sind sie auch so lange dabei, wie etwa Tante Anna-Luise Knoth, die nun mit 68 Jahren und 54 Jahren Betriebszugehörigkeit in den Ruhestand geht oder auch die langjährige Mitarbeiterin Angelika Berenz, die in den letzten Verkaufstagen sorgfältig die verbleibende Wäsche in die immer leerer werdenden Regale räumt. Sie hat 1967 ihre Lehre bei Textil Tempel begonnen und geht nun mit 66 Jahren in den Ruhestand. Eine Frau der ersten Stunde ist auch Anna Luise Knoth, geborene Tempel, die jüngste Schwester der Geschäftsgründerin: „Ich bin immer mit viel Spaß bei der Arbeit gewesen.“ Seit 1965 ist der Laden ihre Heimat. Und auch nach der Schließung des kleinen Lädchens will das sechsköpfige Tempel-Team Kontakt halten und sich privat treffen, betont Chefin Ulrike: „Der Wurstmarkt ist auf jeden Fall schon fest als Termin eingeplant.“

Längerer Urlaub geplant

Die Vorfreude auf eine Zeit ohne Wäsche & Co ist aber dennoch da: Ein längerer Urlaub ist geplant – vielleicht ans Nordkap – , denn für große Touren war bisher keine Zeit, verrät sie. Mehr Muse bleibt auch für Ehemann Frank, Mutter Beate und den zweijährigen Enkel. Die Zukunft des Elternhauses ist noch ungewiss. „Das ist noch nicht entschieden“, sagt Ulrike Krüger. Noch bis Ende März läuft der Ausverkauf.

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Silberjubiläum im Jahr 1984: Von links Mutter Beate Tempel, die heutige Chefin Ulrike Krüger, geborene Tempel, Angelika Berenz (damals Haas), die seit ihrer Lehre bei Tempel gearbeitet hat, Doris Boller, Sylvia Müller und Heidemarie Mattern.
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2019: Anna Luise Knoth (links), Schwester der Geschäftsgründerin, mit Chefin Ulrike Krüger (beide geborene Tempel) im Laden.
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