Gunthersteig Pilgern zwischen Bayerischem Wald und Böhmerwald: Wo der Weg das Ziel ist

Imposant: Pfarrkirche in Rinchnach.
Imposant: Pfarrkirche in Rinchnach.

Seit 2021 zählt der Gunthersteig offiziell zu den bayerischen Pilgerwegen. Auf den Spuren des Mönchs führt er durch den Bayerischen Wald und den Böhmerwald. In mehrfacher Hinsicht eine Grenzerfahrung.

Die Kernessenz des Pilgerns sei es, sich auf den Weg zu machen, begrüßt Pilgerbegleiter Markus Dahlke die kleine Gruppe. Aufgeteilt ist die 160 Kilometer lange Strecke in neun Tagesetappen zwischen 14 und 21 Kilometern. Start ist das Kloster Niederaltaich an der Donau, Ziel, die tschechische Stadt Blatná.

Grüner Grenzübergang und viel Sehenswertes

Entlang des Weges gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten zu entdecken, zum Beispiel den Guntherstein bei Lalling, die Wallfahrtskirche Frauenbrünnl bei Rinchnach – das sogenannte Guntherkircherl – oder das Gsengnet, den grünen Grenzübergang nach Böhmen, der viele Jahre durch den „Eisernen Vorhang“ versperrt war. Besonders beeindruckend sind auch der gläserne Altar in der Barockkirche St. Gunther in Dobra Voda (Gutwasser) mit der neben der Kirche liegenden Guntherquelle. Doch zunächst zelebrieren wir den Start unter der Anleitung von Pilgerführer Dahlke: „Eintritt bedeutet Veränderung – wir wollen durch ein ,Baumtor’ eintreten und hindurch schreiten und dabei versuchen, den Heiligen Gunther zu erspüren. Eintreten und sich aufmachen, die Reise zu wagen, die schon Gunther einst angetreten hat.“

Das Leben des ehrwürdigen Gunthers

Gunther, geboren um 955, entstammte thüringischem Hochadel. 1006 beschloss Gunther, ins Kloster Niederaltaich als Laienbruder einzutreten. Nach einer Zeit als Eremit errichtete er 1012 mit Mönchen aus der Nähe ein Rodungskloster, um das sich der Ort Rinchnach entwickelte. Gunther sorgte dafür, dass von Lalling über Rinchnach ein neuer Handelspfad angelegt wurde, der dann von Zwiesel in den bereits vorhandenen Böhmweg mündete. So konnten Handelsgüter, vor allem das lebensnotwendige Salz aus den klostereigenen Salzpfannen in Reichenhall, ins Böhmische Becken transportiert werden.

Vermittler christlicher Werte

1040 verließ Gunther Rinchnach, um seine letzte Klause jenseits des Grenzkamms im Böhmischen aufzubauen. Diese stand etwas abseits vom Böhmweg beim Guntherfelsen in der Nähe des heutigen Dobra Voda bei Hartmanice. Dort starb Gunther am 9. Oktober 1045. Obwohl der Mönch keine offizielle Heiligsprechung erfuhr, ist seine Verehrung bis in unsere Zeit groß. Er gilt als Vermittler des Friedens der christlichen Werte im Sinne des Evangeliums. Für die Pilger steht unterdessen eine weitere kleine Übung an: Im dichten Wald basteln wir mit Materialien vom Wegesrand Kreuze. Nach einigen Minuten kommen erstaunliche Ergebnisse zu Tage. Jeder habe sich dabei mit dem Gedanken des Kreuzes beschäftigt, erklärt Markus Dahlke den Sinn dahinter. Wir wandern weiter der Grenze entgegen, umarmen Bäume, lauschen schweigend den Geräuschen der Natur, des Waldes, hören dabei in unser Inneres hinein. Erstaunlich, wie lange sich fünf Minuten anfühlen können ...

Geschichten, Sagen und Wahrheiten

Wanderführer Klaus Kreuzer übernimmt die Gruppe im Nationalpark Sumava auf dem Pilgerweg nach Dobra Voda. Kreuzer, der Tschechien als seine „zweite Heimat“ und „große Liebe“ bezeichnet, weiß viel zu erzählen: Geschichten, Sagen und auch Wahrheiten über die Region, die Menschen und natürlich auch über Gunther.

Mystisch und passend zum Wegverlauf: Nach strahlendem Sonnenschein trübt es ein und der „Sumava-Nebel“ umfängt uns. An jeder Wegkreuzung glaubt man, Gunther tauche aus dem Nebelmeer auf. Ein Bild von ihm ist in der Kapelle am Guntherfelsen – hier ist Gunther 1045 verstorben – zu sehen. Ein kleiner Steig führt von der Kapelle hoch zum Gunther-Kreuz. Nach weiteren knapp zwei Kilometern Wegstrecke stehen wir vor dem alten Friedhof und der Guntherkirche in Dobra Voda, bekannt für ihren Glasaltar mit der Kreuzigungsszene. An der Guntherquelle stehen die Besucher Schlange, um das Wasser, dem heilende Wirkung zugesprochen wird, in Behältnisse zu füllen oder sich Augen und Gesicht damit zu benetzen. Dobra Voda ist zweifellos der Höhepunkt der Pilgertour.

Mit Ehrfurcht und Hochachtung vor der Lebensleistung des Heiligen Gunther machen wir uns auf die letzten Etappen. Aber schon jetzt wissen wir: Nicht das Ziel ist wichtig, sondern der Weg, der Prozess, den wir beim Pilgern erleben.

Der Gunthersteig in Kürze

1. Etappe: Niederalteich – Lalling:

19 Kilometer, etwa 5 Stunden, mittelschwer, 444 Höhenmeter. Zum Verweilen: Hengersberger Ohe, Kapelle bei Vorderherberg, Euschertsfurther Linde. Affirmation: „Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.“ (Lao-Tse)

2. Etappe: Lalling – Rinchnach:

19 Kilometer, etwa 6 Stunden, mittelschwer, 418 Höhenmeter. Zum Verweilen: Guntherstein, Kirche in Kirchberg im Wald, Dorfanger in Sommersberg. Affirmation: „Närrisch ist er, dieser Weg, er geht in Schleifen, er geht vielleicht im Kreise. Mag er gehen, wie er will, ich will ihn gehen“. (Hermann Hesse)

3. Etappe: Rinchnach – Zwiesel:

15 Kilometer, etwa 5 Stunden, mittelschwer, 758 Höhenmeter. Zum Verweilen: Guntherkreuz, Guntherkircherl, Einsiedelei-Felsen in Zwiesel. Affirmation: „Das Reisen, das gleichsam eine höhere und ernsthafte Wissenschaft ist, führt uns zu uns zurück“. (Albert Camus)

4. Etappe: Zwiesel – Prasily:

21 Kilometer, etwa 6 Stunden, schwer, 1094 Höhenmeter. Zum Verweilen: Kreuzweg, Guntherbrunnen, Meditationsplatz Spiegelhütte, Rastplatz Scheuereck, Grenzübergang Gsenget. Affirmation: „Ich schaue ins Tal, dort laufen die Wege zusammen, die vielfach verschlungenen, die ich gegangen bin, und ich hebe meine Augen auf zu den Bergen“. (Carl Zuckmayer)

5. Etappe: Prasily – Hartmanice:

14 Kilometer, etwa 3 Stunden, leicht, 993 Höhenmeter. Zum Verweilen: Gunther-Kapelle, Dobra Voda, Synagoge Hartmanice

6. Etappe: Hartmanice – Susice:

16 Kilometer, etwa 4 Stunden, mittelschwer, 715 Höhenmeter. Zum Verweilen: Kirche St. Maurenzen, Annin

7. Etappe: Susice – Horazdovice:

22 Kilometer, etwa 7 Stunden, mittelschwer, 725 Höhenmeter. Zum Verweilen: Schutzengelkapelle, Burg Rabi, Brachen

8. Etappe: Horazdovice – Chanovice:

25 Kilometer, etwa 4 Stunden, mittelschwer, 581 Höhenmeter. Zum Verweilen: Stein von Jan Zizka, Schloss Chanovice,

9. Etappe: Chanovice – Blatná:

18 Kilometer, etwa 5 Stunden, mittelschwer, 559 Höhenmeter. Zum Verweilen: Architektur-Museum in Chanovice, Steinformationen, Schloss in Blatná

Tipps: Sehenswertes in der Region

Der Lehrpfad bei Lalling

Der Lehrpfad gibt Einblicke in das Leben und Wirken des Volksheiligen Gunther. Insgesamt zehn Stationen beschäftigen sich auf der 4,5 Kilometer langen Strecke mit der Biografie von Gunther, seinem Bezug zur Kirche und dem Leben im Bayer- und Böhmerwald. Pilger auf dem Gunthersteig können die Zusatzschleife am Ende von Etappe 1 oder zu Beginn von Etappe 2 integrieren.

Barockkirche in Rinchnach

Zu den eindrucksvollsten Bauwerken des Bayerischen Waldes gehört die im Rinchnacher Ortsbild dominierende ehemalige Klosterkirche, die einen der schönsten spätbarocken Innenräume Bayerns aufweist. Die Bilder der beiden hinteren Seitenaltäre stammen von einem der berühmten Asambrüder, nämlich von Cosmos Damian Asam. Eines stellt die Sterbestunde Gunthers dar, das zweite die von Abt Godehard. Faszinierend sind auch die Deckengemälde von Wolfgang Andreas Haindl. Die beiden größten zeigen das „Pfauenwunder“, das Gunther am Hofe in Ungarn erlebt haben soll, und die Enthauptung von Johannes dem Täufer. Die rechte Seitenkapelle hat eine mit echten Flussperlmuscheln verzierte Gewölbedecke. Hier ist die Ölberggruppe dargestellt. Baumeister der Barockkirche war der Münchner Johann Michael Fischer (1692-1766). Er hat von 1727 bis 1732 aus der zuvor schlichten gotischen Kirche einen beeindruckenden Kirchenraum geschaffen. Die Umfassungsmauern der Kirche sind noch die des ersten Steinbaus, der 1438 fertig gestellt worden war.

Die Barockkirche ist ganztägig geöffnet, sie kann während einer Führung oder auf eigene Faust besichtigt werden.

Suchen und buchen

Landkreis Deggendorf, Tourismusreferat, Herrenstraße 18, Deggendorf; Tel. 0991 3100-231; www.landkreis-deggendorf.de

Arberland Regio, Touristisches Service Center, Amtsgerichtsstraße 6-8, Regen; Tel. 09921 96050; www.arberland-bayerischer-wald.de

Sprava Nationalpark Sumava, 1.maje 260, CZ 38501 Vimperk; Tel. 0420 388 450111; E-Mail: vimperk@sumava.cz

Motto des Pilgerwegs: „Grenzen überwinden“.
Motto des Pilgerwegs: »Grenzen überwinden«.
Dobra Voda: Gläserner Altar.
Dobra Voda: Gläserner Altar.
Blick vom Guntherkircherl ins Land.
Blick vom Guntherkircherl ins Land.
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