Kultur Landes-Kulturstiftung will Steibs Nachlass loswerden

Nicht gerade im Widerspruch zur offiziellen Kunstdoktrin der Nazis: Einer der typischen Werke von Josef Steib.
Nicht gerade im Widerspruch zur offiziellen Kunstdoktrin der Nazis: Einer der typischen Werke von Josef Steib.

Zu Josef Steibs Sammlern gehörte Adolf Hitler. Ansonsten ist der 1957 in Cochem gestorbene Künstler aus München kunstgeschichtlich eher unbedeutend. Seine Werke werden in sehr begrenzten regionalen Zusammenhängen gezeigt. Auf dem Kunstmarkt spielt er keine Rolle. Trotzdem pflegte die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur seinen Nachlass lange durchaus prominent. Jetzt gibt es allerdings Gerüchte, dass sie ihr umstrittenes Erbe abgeben will. Hat das vor allem mit Steibs Nazi-Vergangenheit zu tun?

Wer die Homepage der landeseigenen Stiftung Rheinland-Pfalz noch vor einiger Zeit aufrief, dem präsentierten sich in einer Bildleiste die drei stiftungseigenen Einrichtungen. Das europaweit renommierte Künstlerhaus in Edenkoben, das internationale Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems – und die Galerie Josef Steib in Cochem, ein Nachlass. Mittlerweile allerdings wird auf das Erbe des 1898 in München geborenen und 1957 in Cochem gestorbenen Künstlers nur noch unter ferner liefen hingewiesen. Außer Sichtweite sozusagen. Es braucht ein paar Klicks, bis man Näheres über die 1997 von der Künstlerwitwe übernommene Galerie Steib erfährt. Wie man jetzt weiß, ist die leise Distanzierung allerdings möglicherweise nur der Anfang. Der Cochemer „Wochenspiegel“ berichtete vorgestern, dass die Stiftung die Galerie Josef Steib offenbar loswerden will, pardon übereignen. An die Stadt Cochem, deren Stadtbürgermeister sie als „Juwel“ bezeichnet. Tatsächlich haben erste Gespräche dahingehend stattgefunden, wie uns gestern der Pressesprecher des Kulturministeriums, Markus Nöhl, im Auftrag der Stiftung bestätigt hat. Als Grund verwies Nöhl auf die Aussagen, mit denen der „Wochenspiegel“ den Stiftungsgeschäftsführer Edmund Elsen zitiert. Elsen selbst verwies gestern auf Nöhl. Im „Wochenblick“ sagt er also: „Die verschlechterte Zinslage schränkt uns bei den Maßnahmen und Projekten deutlich ein.“ Im Klartext: Die Stiftung hat weniger Geld und muss sich deshalb verschlanken. Im Hintergrund wird allerdings auch über andere Beweggründe spekuliert. Kritik am Engagement der Stiftung für das Nachleben Josef Steibs ist nämlich schon länger laut geworden. Vor allem die Braubacher Künstlerin Uta Grün piesackt die Verantwortlichen seit Jahren mit offenen Briefen voller faktisch grundierten Sticheleien. Es geht ihr dabei um Steibs bescheidenen Status in der Kunstgeschichte und seine Vergangenheit. Sie spricht ausschließlich vom „Fall Steib“, wenn sie sich darüber aufgeregt, dass die Stiftung als einzigen künstlerischen Nachlass ausgerechnet den von Steib betreut. Wir selbst haben im Mai 2015 darüber berichtet. Steibs Vermächtnis besteht aus seinem ehemaligen Wohn- und Arbeitshaus und sehr vielen seiner Werke aus dem 200 Ölgemälde, 800 Aquarelle, 200 Zeichnungen, 160 Skizzen und Hunderten Radierungen umfassenden Œuvre. Geschätzter Wert des Nachlasses, inklusive der Immobilie: 550.000 Euro, eine vergleichsweise niedrige Summe. Hauptgrund dafür ist, dass Steibs Werke auf dem Kunstmarkt eher Hobbykunstpreise erreichen. Sein Ölgemälde „Eifellandschaft bei Mayen“ zum Beispiel. Es wurde 2003 beim Auktionshaus van Ham für 1625 Euro auktioniert. Dazu hat der Künstler nicht gerade eine Vorzeigebiografie. Steib ist 1933 in die NSDAP eingetreten. Wie Quellen belegen, war er zumindest von Januar bis September 1934 auch in der SA. Daran, dass Steib zeitweise überzeugter Nationalsozialist gewesen ist jedenfalls, besteht kein Zweifel. Und seine Bilder, die er gemalt hat, widersprechen nicht gerade der zwischen 1933 und 1945 offiziell herrschenden Kunstdoktrin. Unter anderem war Steib bei der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ vertreten, einer Verkaufsausstellung, die in der damaligen Zeit so etwas wie die Schaubühne der genehmen Kunst darstellte. Alle Nazi-Größen kauften dort ein. Und Josef Steib gehört zu denen, die dort am häufigsten ausgestellt und am meisten verkauft haben. Er nahm 1940, 1941, 1942, 1943 und 1944 daran teil, zeigte insgesamt 36 Werke, wie mittlerweile auch in einem nur noch tabellarischen Lebenslauf auf der Stitungshomepage aufgeführt wird. Uta Grün hat recherchiert, dass Steib insgesamt 52.000 Reichsmark mit Verkäufen einnahm. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen eines Arbeiters von damals rund 100 Reichsmark. Auch Adolf Hitler gehörte zu den Sammlern von Josef Steib. 1940 etwa erwarb der selbsternannte „Führer“ das Werk „Schafe am Waldrand“, 1944 „Halme und Blätter“ und „Beeren und Disteln“. Viel heißen muss das allerdings nicht. Der nationalsozialistische Diktator war auch Wagnerianer, was sich dem Komponisten trotz dessen antisemitischer Einstellungen kaum vorwerfen lässt. Allerdings macht die Vorliebe von Großnazis für Steibs Kunst das Anliegen schwierig, ihn als dissidenten Avantgardisten zu verkaufen, wie es in der früheren Biografie-Version auf der Stiftungs-Homepage ansatzweise versucht wurde. Heute ist davon nicht mehr die Rede. Steib repräsentiere mit seinen Arbeiten die Kunst einer Region und sei durch den Nachlass sowie seine Äußerungen als Zeitzeuge zu werten, hieß es damals. Dazu gehöre, was eine interessante dialektische Begründung darstellt, auch seine „Ambivalenz gegenüber der Ideologie des Dritten Reiches“. Jetzt indes wird Steibs historische Bedeutung auf der Homepage sehr viel neutraler formuliert: „In den letzten Jahren hat die Kulturstiftung nach Sichtung der erhaltenen Archivalien und Autografen die Künstlerbiografie vervollständigt. Der Fokus lag hier insbesondere auf den Untersuchungen der NS-Vergangenheit des Künstlers“, heißt es da. Und weiter: „Die weiterführende Aufarbeitung des Nachlasses erfolgt in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung.“ Auch hier: Die Stiftung geht sichtlich auf Abstand. Umso wahrscheinlicher ist, dass sie sich schon bald ganz zurückzieht.

Adolf Hitler mit Gefolge in der Großen Deutschen Kunstausstellung.
Adolf Hitler mit Gefolge in der Großen Deutschen Kunstausstellung.
1625 Euro für ein Gemälde: Frauen-Porträt von Steib.
1625 Euro für ein Gemälde: Frauen-Porträt von Steib.
Außenansicht: Die Galerie Steib in Cochem.
Außenansicht: Die Galerie Steib in Cochem.
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