Kultur Hart am Leben: Nolde, Nazis und die Politik der Straßen

In Berlin gibt es den 1936 nach der Pfälzer Gemeinde benannten Darsteiner Weg. Weil Darstein schon 1930 der erste Ort im Deutschen Reich war, der zu 100 Prozent NSDAP wählte, schreibt der Historiker Theo Schwarzmüller in seinem großartigen Buch „Hauenstein gegen Hitler“. Soll die Straße weg? Die Berliner vor Ort widersprechen Schwarzmüllers Interpretation. Angela Merkel hat zwei Bilder von Emil Nolde, den sie verehrt, an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zurückgegeben. Auf nimmer Wiedersehen. Schweren Herzens? Sie hingen im Arbeitszimmer der Kanzlerin, in dem sie auch Staatsgäste empfängt. Der Expressionist war als Maler großartig, als Mensch zweifelhaft, eine häufige Kombination. Und was hat das jetzt mit Darstein zu tun? Nolde war Antisemit, das weiß man schon länger. Das Ausmaß seiner Gesinnung zeigt jetzt unter anderem eine Ausstellung im Berliner Brücke-Museum, die am 14. April eröffnet. Niemand aus seinem Umfeld war so regimenah wie er, dessen Legende vom verfolgten Künstler Siegfried Lenz im Roman „Deutschstunde“ weiterschrieb. Was jetzt tun? Merkels Entscheidung jedenfalls war die richtige. Nolde ein Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland 2019? Sicher nicht. Genauso sicher falsch wäre es jetzt seine Werke aus den Museen zu räumen. Im Gegenteil, umso genauer sollte man sie an diesen Orten der Aufklärung ansehen. Und sonst? Bernhard Wadle-Rohe, Ludwigshafener Stadtrats- und Ortsvorsteher-Kandidat der Linkspartei bei der Kommunalwahl im Mai, hat jetzt gefordert die „Emil-Nolde-Straße im Stadtteil Süd in Rosa-Luxemburg-Straße umzubenennen. Besser wäre es, man würde über den Maler nähere Auskunft geben. In Stadt-Museum? Ein Schild am Straßenschild könnte darauf verweisen. Eine Art Nolde-Beipackzettel könnte aushängen. Besser lasst es sich immer machen. In Darstein zum Beispiel gewann die SPD (33 Prozent) die jüngste Bundestagswahl vor der CDU (24,1). Die AfD (11,6) bekam nur 0,5 Prozent mehr Stimmen als in Hauenstein.

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