Kultur Hand in Hand

Sorgte für das Filetstück des Abends: Hüseyin Sermet als Solist bei Ravels Klavierkonzert G-Dur für die linke Hand.
Sorgte für das Filetstück des Abends: Hüseyin Sermet als Solist bei Ravels Klavierkonzert G-Dur für die linke Hand.

Verschiedene Spielorte, anders als üblich zusammengestellte Programme: Die von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz getragenen Konzerte der Reihe „Modern Times“ sind so eine Art Sahnehäubchen auf dem regionalen Musikbetrieb. Das mit „Kaiserwalzer“ überschriebene Auftaktkonzert der Reihe, die sich diesen Herbst dem Gedenken ans Weltkriegsjahr 1918 widmet, im Konzertsaal des Ludwigshafener Pfalzbaus lieferte den klingenden Beweis.

Thema ist das Echo des auf 1890 bis zum Kriegsausbruch 1914 datierten Fin de siècles und die Frage, wie die Musik auf diese Wendezeit und die folgenden Kriegsjahre reagiert hat. Mit Kompositionen von Mark-Anthony Turnage, Maurice Ravel, Johann Strauss Sohn, Rudi Stephan und Sergej Prokofjew gab das von Benjamin Reiners geleitete Konzert bedenkenswerte Antworten. Rudi Stephan beispielsweise, aus Worms gebürtig, 1915 früh gefallen, war eine der ganz großen Hoffnungen der deutschen Musik. Mit seiner „Musik für Orchester in einem Satz“ hat der damals 25-jährige 1912 ein düster vergrübeltes, expressiv aufgeladenes Meisterstück geliefert, an dem allenfalls das in seinem Reinheitsanspruch ans Maßlose grenzende Pathos stört. Eine Vorahnung der kommenden Katastrophe? Wir wissen es nicht. Mit „Passchendaele“ gibt gut 100 Jahre später der in allen angesagten Stilen und Idiomen vagabundierende englische Komponist Mark-Anthony Turnage eine Antwort, die man als mehr spätromantisch-süffig als zeitgenössisch instrumentierte Klage über die mit dem Ort Passchendaele (oder Passendale) verbundene dritte Flandern- oder Ypernschlacht von 1917 verstehen kann, ein sinnloses Schlachten im Wortsinn, bei dem nicht mal die Anzahl der in die Hunderttausende gehenden Toten zweifelsfrei feststeht. Neben so viel professionell über die Rampe gebrachtem Repertoire-Neuland musste Johann Strauss’ 1889 in Berlin zunächst unter dem die Verbundenheit des deutschen und des österreichischen Kaiserhauses beschwörenden Titel „Hand in Hand“ uraufgeführter „Kaiserwalzer“ fast wie ein Ausreißer wirken. Hier fungierte das allen klassischen Walzerfolgen eigene ziellose, ständig in sich Kreisen als „klingendes Emblem der Zeit“. Das kann man so sehen, Ravels alle Walzerseligkeit zerschreddernder „La Valse“ wäre das perfekte Korrespondenzstück gewesen, aber das erklingt erst im fünften Konzert. Auf jeden Fall hat Benjamin Reiners, derzeit noch 1. Kapellmeister am Nationaltheater Mannheim, eine blitzsaubere Interpretation vorgelegt, ohne Walzer-Gefühligkeit und inszenierte Überraschungseffekte. Die gleiche werkdienliche Haltung machte aus Ravels Klavierkonzert G-Dur für die linke Hand das Filetstück des Abends. Makellos, mit wahrhaft stählerner Pranke hat Hüseyin Sermet den alles andere als leichten Solopart auf die Tasten gesetzt. Auftraggeber, wie bekannt, war der Wiener Pianist Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg den rechten Arm verlor und seither Aufträge an alle möglichen Komponisten vergab und die Ergebnisse gelegentlich auch ablehnte, so wie ein Konzert von Sergej Prokofjew, mit dessen rotzfrech mit den traditionellen Sinfonieschemata spielender „Symphonie classique“ das Programm locker moussierend endete. Komponiert 1917, als ob es so etwas wie einen Krieg gar nicht gäbe. Macht alles in allem einen feinen Auftakt der neuen „Modern Times“-Saison.

Die Staatsphilharmonie setzt „Modern Times“ nach dem gestrigen Konzert „Friedliche Planeten?“ kommenden Samstag fort. Das vierte
Die Staatsphilharmonie setzt »Modern Times« nach dem gestrigen Konzert »Friedliche Planeten?« kommenden Samstag fort. Das vierte Konzert steht am 2. Oktober an, das abschließende fünfte am 7. Oktober.
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