Kultur Film als Geheimnis

Raus aus der Stadt: Mit einer Naturszene endet Angela Schanelecs Film „Ich war zuhause, aber“, der den Umgang mit Tod und Trauer
Raus aus der Stadt: Mit einer Naturszene endet Angela Schanelecs Film »Ich war zuhause, aber«, der den Umgang mit Tod und Trauer thematisiert. Im Zentrum steht eine Witwe und Mutter (Maren Eggert).

Zum ersten Mal gab es Buhrufe: Angela Schanelecs stiller, rätselhafter Wettbewerbsfilm „Ich war zuhause, aber“ überfordert die Zuschauer. Er zwingt fast zur inneren Einkehr und ähnelt damit durchaus dem einzigen Film aus unserer Region im Berlinale-Programm: Heinz Emigholz’ Langzeitdokumentation „Baujahre – die Mannheimer Kunsthalle 2013-1018“.

„Der Rest ist Schweigen“, heißt es gegen Ende des Films: Schulkinder spielen das Finale von „Hamlet“, recht stoisch, irritierend ernst. Ein Kichern wäre in „Ich war zuhause, aber“ auch undenkbar. Angela Schanelec will nicht von Wirklichkeit erzählen, das Filmemachen ist ihr ein Gegenpol, es geht ihr um Erfindung und „reine Form“. So lässt sich dieser Film am besten als Kunstwerk, als museale Erfahrung sehen. Der Film illustriert einen Trauerprozess: Astrid (Maren Eggert), eine Berliner Mutter mit kleiner Tochter und 13-jährigem Sohn, muss den Tod ihres Mannes, eines Theaterregisseurs, verkraften. Nun war der Sohn eine Weile verschwunden, seine Lehrer diskutieren, ob sie ihn der Schule verweisen sollen. Was er getan hat, bleibt das Geheimnis des Films, in dem alle Figuren stets wie Bühnenfiguren sprechen. Offenbar sehen wir, wie die Witwe das Leben um sie herum wahrnimmt, gedämpft, mit gesenktem Kopf. „Ich weiß gar nicht, wie man noch reden und dabei hoffen kann, dass jemanden einen versteht“, sagt Astrid einmal. Die Welt ist bei Schanelec aus den Fugen, auch die konstruierte des Films: „Wenn ein Schauspieler spielt, ist das immer Lüge“, heißt es in einer Dialogfolge, die sich wiederum als Innenanalyse der Arbeit eines Regisseurs verstehen lässt. „Mir gefällt es nicht, wenn Lüge auf Wahrheit trifft“, sagt Astrid zu einem Regisseur, der in seinem Film echte Sterbende auf Schauspieler treffen ließ. „Das ist kein Pamphlet von mir“, beteuert allerdings Angela Schanelec im Pressegespräch. Überhaupt mag sie nichts erklären und regiert auf manche Nachfrage fast empört: „Ich werde das bestimmt nicht interpretieren.“ Zu anderen lächelt sie nur. Hat aber den Tipp, doch nicht zu viel in den Film hineinzudeuten: „Es ist alles viel einfacher.“ Der Vorreiterin der für schweigsame Filme teils berüchtigten „Berliner Schule“ geht es um Stimmungen und Assoziationsketten. Eine Filmszene spielt in der Alten Nationalgalerie, man sieht Besuchern beim Betrachten alter Meister zu. Und kann dieses doppelte Betrachten auf sich wirken lassen. Eine ähnliche meditative Stimmung erzeugt Horst Emigholz’ sechs Jahre umspannende Dokumentation über den Neubau der Mannheimer Kunsthalle, die in der experimentelleren Berlinale-Reihe Forum läuft. Wie eine Art Diashow wirken seine Aufnahmen, die meist unverbunden aufeinander folgen. Dialage gibt es nicht, man hört höchstens mal eine Gassigeherin zum Hund sprechen. Stadt- und Baugeräusche dominieren. Emigholz zeigt zunächst 2013 den Mitzlaff-Bau vor dem Abriss, 2014 dann die Brache an seiner Stelle – diese Totale löste bei der Premiere einen kleinen Aufschrei im Publikum aus. Die Arbeiten am Neubau zeigt er ebenso nüchtern, ab und an aber unterbrechen Ausflüge der Kamera die Konzentration auf die Kunsthalle. Da geht es in den Jungbusch oder zum Schloss, die Straßenbahn-Linie 4 fährt vorbei, Richtung Ludwigshafen. „Die Stadt Mannheim leistet sich einen Ort der Kontemplation und Meditation, der in aller Ruhe und Aufregung errichtet wurde, während um ihn herum die Geschäfte weitergingen“, sagt Heinz Emigholz zu seinem Film, den Kunsthallen-Direktorin Ulrike Lorenz anregte. Die Uraufführung im Berliner Delphi-Kino mit seinen bequemen Liegesitzen, fand großen Zuspruch. In Mannheim läuft „Baujahre“ Ende März, ab 29. März ist Emigholz auch eine Retrospektive in der Kunsthalle gewidmet.

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