Kultur Der erste Meister

Heute vor 450 Jahren wurde Claudio Monteverdie getauft, sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt.
Heute vor 450 Jahren wurde Claudio Monteverdie getauft, sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt.

Er ist nicht nur der Komponist der ersten bedeutenden Opern oder des ersten geistlichen Monumentalwerks (der Marienvesper) der Musikgeschichte und Meister des Madrigals, zu dem er acht Bücher vorgelegt hat: Der heute vor 450 Jahren in Cremona getaufte Claudio Monteverdi hat der Tonkunst neue Türen geöffnet und das menschliche Individuum als gefühlvolles Wesen in der Musik überhaupt erst entdeckt. Seine Bedeutung ist deshalb kaum zu überschätzen.

Dabei war der italienische Meister an sich kein Revolutionär. Er kannte den polyphonen Stil der Alten und pflegte diese „erste Praxis“, aber er stellte ihr die neue „zweite Praxis“ (seconda pratica) an die Seite. Der damit gemeinte generalbassbegleitete monodische Sprechgesang markiert nicht nur den Anfang der barocken Musik, mit ihm drückt der Mensch zum ersten Mal in Tönen unmittelbar seine Gefühle aus. Und er überwindet dabei, wenn es die Tiefe und Intensität seiner Empfindungen verlangt, alle überkommenen Regeln. Auch nimmt nun die Erregung im „genere concitato“ ganz unverstellt tönenden Ausdruck an. Das ist der Beginn der modernen Musik, die in vier Jahrhunderten zwar tonsprachlich immer neue Wege gefunden hat, aber von der ästhetischen Idee her nichts Neueres mehr entwickelt hat. Das gilt auch für die Gattung der Oper, deren erster Meister Monteverdi war. Er gehörte nicht der Florentiner Camerata an, die um 1600 diese neue Form beim Versuch, das antike Drama wiederzubeleben, „erfand“. Jacopo Peri schrieb in Florenz eine „Daphne“ und eine „Euridice“. Am Hof der Gonzaga in Mantua, wo er seit 1590 wirkte, komponierte Monteverdi 1607 auch eine Oper über den Orpheus-Mythos. Sein „L’Orfeo“, der am Hof zu Mantua in einem Festsaal und nicht in einem Theater aufgeführt wurde, ist schon weniger streng als die ersten Opern aus Florenz. Es gibt Tänze und Chöre, vor allem aber fast schon die ersten Arien. Monteverdi deutet an, was die Gattung leisten kann. Aus einer leider verloren gegangenen Ariadne-Oper ist wenigstens das „Lamento d’Arianna“ erhalten geblieben, der erste große Klagegesang der Musikgeschichte. Auch viele weitere Opern von Monteverdis Hand muss es gegeben haben. Sie sind nicht überliefert. Erhalten sind aber zwei Spätwerke, die der greise Komponist für das erste öffentliche Opernhaus der Welt in Venedig schrieb. In der Lagunenstadt wirkte Monteverdi seit 1613 als Kapellmeister am Markusdom. Dort wurde er, dessen Frau schon 1607 gestorben war, 1632 zum Priester geweiht. Das hinderte ihn nicht, Opern sehr weltlichen Inhalts zu komponieren. Nach der „Heimkehr des Odysseus“ nach Homer schrieb er als letztes seiner Bühnenwerke „Die Krönung der Poppea“ auf einen historischen Stoff. Das Werk von Wagnerscher Länge schildert, wie Kaiser Nero sich seiner Gattin Ottavia entledigt, um ungehindert der Liebe zu Poppea frönen zu können. Auch der Philosoph Seneca überlebt dieses unsittliche Treiben nicht. Die Musik dazu ist in der Intensität und Vielfalt der Affekte zwischen Ernst und Komik, Leidenschaft und Tragik genial. Die Gattung Oper ist zu diesem Zeitpunkt keine 50 Jahre alt. Doch sie hat vielleicht mit Ausnahme der psychologischen Durchdringung der Figuren bei Mozart trotz neuer Harmonien und Klänge bis heute diese Ausdruckskraft nicht steigern können. Das berühmteste Stück der Poppea ist dabei wohl gar nicht von Monteverdi, für das Schlussduett „Pur di miro“ wurden andere Urheber ausgemacht. Sicher von Monteverdi aber ist ein kaum minder zum Weinen schönes Liebesduett: „Pulchra es amica mea“ nach Versen aus dem Hohelied Salomons. Das aber steht nicht in einer Oper, sondern in einem geistlichen Werk, der 1610 gedruckten Marienvesper. Diese Sammlung von Psalmen im alten Stil, Concerti im neuen Stil, einem Hymnus und zwei Vertonungen des Magnificat, zu der auch die Missa in illo tempore gehört, ist Papst Paul V. gewidmet. Warum, ist bis heute ebenso unklar wie die Frage, wie und wann sie aufgeführt werden sollte. Ist es ein zusammenhängendes Werk oder eine lose Folge von geistlichen Stücken? Warum stellte sie der Komponist so zusammen? Das verbindet die Marienvesper mit Bachs h-moll-Messe, deren Hintergründe bis heute ebenfalls unbekannt geblieben sind. Doch noch ein anderes verbindet beide Stücke: Sie gehören von ihrem Rang her zu den größten Schöpfungen der abendländischen Kunst. Am 29. November 1643 starb Claudio Monteverdi in Venedig, wo er in der Kirche Santa Maria Gloriosa del Frari begraben ist. Er hat die Musik zu neuem Leben erweckt und ihr einen blühenden Frühling bereitet. Und das Wunderbare ist: Seine Werke haben ihre Frische bis auf den heutigen Tag ungebrochen bewahrt.

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