Kultur Christian Holtzhauer wird Schauspiel-Intendant am Nationaltheater in Mannheim

Plant auch „Expeditionen in die Stadt“: Theaterwissenschaftler Christian Holtzhauer.
Plant auch »Expeditionen in die Stadt«: Theaterwissenschaftler Christian Holtzhauer.

Wechsel in der Leitung des Schauspiels am Nationaltheater: Burkhard C. Kosminski geht nach Stuttgart, Christian Holtzhauer kommt dafür von Weimar nach Mannheim. Der neue Mann ist kein Regisseur, hat dafür vielfältige dramaturgische und kuratorische Fertigkeiten erworben. Neben einem fast komplett neuen Ensemble bringt er viele Ideen für neue Theaterformen und Projekte mit. Und einiges davon soll statt im Theatersaal mitten in der Stadt stattfinden.

Berlin, Stuttgart, Weimar, Mannheim – das hört sich nicht unbedingt nach beruflichem Aufstieg an. Bei Christian Holtzhauer ist dies aber unbedingt der Fall. Der 44-Jährige Theaterwissenschaftler hatte zunächst das Veranstaltungszentrum Sophiensäle in Berlin geleitet, war dann acht Jahre lang Dramaturg am Staatstheater in Stuttgart bei Hasko Weber, anschließend künstlerischer Leiter des Kunstfestes Weimar. Nun wird er Schauspielintendant am Mannheimer Nationaltheater. Im Grunde sind dies vier verschiedene Berufe. „In Mannheim kann ich all diese Erfahrungen zusammenführen“, sagt Holtzhauer beim Gespräch im Mannheimer Theatercafé. Unterschiedliche Produktionsformen von Theater kennenzulernen, war ihm in der Vergangenheit stets ein wichtiges Anliegen. Unterschiedlich waren dabei auch die finanziellen Bedingungen, unter denen dies geschah. Da ist das Mannheimer Nationaltheater mit seinem Millionenetat auf den ersten Blick die leichteste Aufgabe. In Weimar stand der überschaubare Etat zuletzt auf der Kippe, in Berlin wurden „die Mängel verwaltet“, wie Holtzhauer rückblickend anmerkt. Verglichen mit dem reichen Stuttgart ist Mannheim mit seinem halb so großen Etat aber eben nur ein durchschnittlich ausgestattetes Haus. In Berlin waren es freie Gruppen, die zu Gastspielen in die Sophiensäle kamen oder dort ihre neuen Projekte entwickelten. In Stuttgart hat Holtzhauer klassische Dramaturgenarbeit gemacht, also bei den Inszenierungen inhaltlich mitgearbeitet. Er hat aber auch dort Festivals und besondere Theaterprojekte ausgerichtet und ist in den Stadtraum gegangen. In Weimar war er Nachfolger von Nike Wagner, die den Programmschwerpunkt beim Kunstfest auf die Musik gelegt hatte. Holtzhauer wollte stattdessen „mit einem breit aufgestelltem Programm möglichst unterschiedliches Publikum ansprechen“. Er holte internationale Gastspiele, entwickelte Kunstprojekte vor Ort. Dass sich dabei die Genres vermischt haben, gehörte zum Konzept. Das zeitweilig in Weimar beheimatete Bauhaus mit seinem Architektur, Design und Kunst verbindenden Ansatz war hier Vorbild. „Die Projekte sollten auf diesen besonderen Ort bezogen sein, es ging darum, Erinnerung zu schaffen, künstlerisch umzugehen mit 500 Jahren deutscher Geschichte, die in dieser Stadt wie in einer Nussschale verdichtet sind.“ Jetzt also Mannheim, auch eine Schiller-Stadt. Auf die Schillertage, die Holtzhauer während seines erst mal fünf Jahre laufenden Vertrags dreimal veranstalten darf, freue er sich besonders, gibt er zu Protokoll. Aber gerade im Vergleich zu Weimar ist dies doch „eine ganz andere Stadt, die sich nicht über Vergangenheit definiert“. Holtzhauer hat hier eine „typisch deutsche Stadt“ entdeckt: mittelgroß, viele Migranten, eine von Diversität geprägte Gesellschaft. „Wie kann eine solche Stadtgesellschaft heute gelingen? Wie kann man die Konflikte aushalten, die durch Verlust von Arbeitsplätzen und digitalem Wandel entstehen?“, fragt der neue Intendant. Und wie kann das Theater auf all dies reagieren? „Das Potenzial des Theaters besteht darin, Konflikte aufzuzeigen, es kann Geschichten erzählen, die aktuelle Themen behandeln.“ Dabei ist es für Holtzhauer nicht entscheidend, ob nun brandneue Stücke auf die Bühne kommen oder alte Stoffe neu befragt werden. Zum Auftakt seiner Mannheimer Ära wird es im Oktober gleich mal ein Schiller-Drama geben. Holtzhauer ist kein Regisseur, daran wird sich nichts ändern. Für die Inszenierungen holt er sich Gäste ans Haus, darunter einige, die regelmäßig in Mannheim arbeiten sollen. Christian Weise kennt er schon lange, dasselbe gilt für Claudia Bauer, deren mit dem Stuttgarter Ensemble 2012 in Mannheim inszenierter „Tartuffe“ ja besten Eindruck hinterließ. Auch Volker Lösch, der in dieser Saison zum zweiten Mal am Nationaltheater inszeniert, gehört zu den Regisseuren, mit denen der bestens vernetzte Holtzhauer schon öfter zusammengearbeitet hat. Im Programm werden sich neben klassischen Inszenierungen auch ungewöhnliche Stadtprojekte abseits des großen Schauspielhauses finden. „Ich will was rauskriegen über diese Stadt, und dafür muss man das Theater verlassen.“ Holtzhauer spricht von einem „Forschungsprojekt“, von „Expeditionen in die Stadt“. Er will mit solchen Theaterformen erfahrene Künstler nach Mannheim holen, aber auch das Ensemble, das weitgehend neu sein wird, beteiligen. Dafür bemüht er sich um Partner in der Stadt wie das Künstlerhaus Zeitraumexit, das er schon lange als interessierter Besucher kennt, aber auch Kunsthalle, Popakademie, Stadtarchiv und Technoseum sind mögliche Mitstreiter. Sogar dem Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen hat er schon einen Besuch abgestattet. Holtzhauer benutzt die Begriffe „Offenheit“ und „Durchlässigkeit“, möglichst viele Bevölkerungsgruppen sollen nach seinen Vorstellungen das Theater nutzen. Das signalisiere ja bereits die Architektur des Nationaltheaters mit seinen großzügigen Verglasungen und Einblicken. Offen ist der neue Schauspielleiter auch gegenüber Kooperationen mit anderen Theatern und internationalen Projekten. Viel Neues, für Mannheim Ungewohntes darf man da wohl erwarten, Näheres bei der Pressekonferenz im Mai. „Ich werde ein Angebot machen und sehen, wie das Publikum darauf reagiert“, sagt Holtzhauer, „und dann werde ich daraus meine Lehren ziehen. Auf jeden Fall habe ich viele Fragen an diese Stadt.“

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