Kultur 46. Kleinkunstpreis: Politisches Kabarett im Konjunkturhoch

Simone Solga erhielt der Preis in der Kategorie Kabarett.
Simone Solga erhielt der Preis in der Kategorie Kabarett.

Preisverleihung im Mainzer Unterhaus - Mit Simone Solga und Lisa Eckhart werden zwei streitbare Frauen geehrt

Die Begleitumstände der Berliner Regierungsbildung werden von politischen Kabarettisten dankbar aufgenommen. Selten können sie so aus dem Vollen schöpfen. Auch deshalb ist die Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises 2018 im Forum-Theater Unterhaus am Sonntagabend zu einer besonderen Inszenierung geworden. Urban Priol, bewährter und ergrauter Moderator der Veranstaltung, trug mit Preisträgerin Simone Solga ein Zwischenspiel frei nach Shakespeares Richard III. vor. Außenminister Sigmar Gabriel kam darin vor als „auf Umfragewerten feist sich sonnender“ Herzog von York und Andrea Nahles als Witwe „Lady Ann“. Solga, die seit 13 Jahren als „Kanzlersouffleuse“ auftritt, ist erst die dritte Frau, die den Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett erhält nach Lisa Pollit (2005) und Hannelore Kaub (1988). Politische Satire scheint mehr als Männerfach wahrgenommen zu werden. Solga (54) ist in Gera geboren, arbeitete später an der Leipziger Pfeffermühle und bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Ihre Sozialisation in der DDR ließ sie immer wieder in ihre Programmhäppchen einfließen, die zur Preisverleihung gehören. Sie schieße mit entwaffnender Liebenswürdigkeit unverschämte Gemeinheiten ab, befand die Jury. Über Kanzlerin Merkel sagte Solga, sie sei wie ein Mauerschwamm: „Sie krallt sich ans Kanzleramt, keiner kriegt sie aus der Bausubstanz.“ Verzögert und verhalten der Applaus bei dem Satz: „Der Erfolg der AfD zeigt, dass Merkel immer noch Massen bewegen kann.“ Und natürlich traf es die Sozialdemokraten: „Friede ihrer Asche – die sie einstreichen für ihre Ministerposten.“ Eine ganz andere Bühnenfigur stellt Lisa Eckhart dar, 26-jährige Österreicherin. Extrovertiert und exaltiert, kurz „falcoesk“ lautet die Beschreibung im Programm des Unterhauses. Dies sei ihr vierter Förderpreis, sagt Eckhart, sie habe es satt. „Jetzt fördern Sie mich, aber in zehn bis 20 Jahren will es niemand gewesen sein.“ Tatsächlich wird ihr der Förderpreis der Stadt Mainz verliehen, der aber, wie alle Kategorien, mit 5000 Euro dotiert ist. Eckhart entwerfe eine „geheimnisvolle und diabolische Welt“ und sei eine „frappierende Erscheinung“. Tatsächlich fällt Eckart aus dem Rahmen. Sie vergleicht das Pornokino mit Kochsendungen („Wie sie den Teig penetrieren.“). Dabei verwendet sie zum Teil ein Vokabular, das fast jedem Grundschüler geläufig, doch nach hergebrachten Kategorien als „nicht jugendfrei“ zu bezeichnen ist. Aber das macht sie mit einer Eloquenz und Scharfsinnigkeit, mit einer demonstrierten Arroganz, die überraschend ist und die Eckhart abhebt aus dem Heer von Nachwuchskabarettisten und Poetry-Slammern. Passend dazu ihre Ankündigung, was sie mit dem Preisgeld tun werde: „Davon kaufe ich mir drei Versace-Hemden. Oder 50 Gramm Kokain eingewickelt in zwei Versace-Hemden.“ Er wolle sein Preisgeld spenden, kündigte der Dortmunder Torsten Sträter an. Ausgezeichnet in der Kategorie Kleinkunst ist der 52-Jährige mit der Wollmütze wohl der Preisträger mit der höchsten Fernseh-Präsenz. Er erschließe bislang unerforschte Phänomene aus Alltagsbeobachtungen, lobte die Jury. „Ich darf Sie zum Lachen bringen, halbtags und das für Geld“, sagte Sträter. In der Sparte Chanson/Lied/Musik erhielt Marco Tschirpke (42) den Deutschen Kleinkunstpreis. Der jugendlich wirkende, ausgebildete Musiktheoretiker begleitet sich selbst am Flügel. Seine Verse bezeichnet er als „Lapsuslieder“ und räumt ein, dass die Ultrakurzlyrik nicht immer mit einer Pointe aufwarte. So ist es dann auch. Andere Pointen geraten eher flach: „Gedanken an der Sushi-Bar: Roh zu sein, bedarf es wenig“. Die Jury jedenfalls kommt zu dem Schluss, Tschirpke sei ein Musikpoet, der mit raffiniert vertonten Texten fasziniere. Er sinniere ungerührt intelligent und immer charmant. Mit dem Ehrenpreis des Landes wurde Andreas Vitásek ausgezeichnet. „Als gelernter Wiener weiß man, nach dem Ehrenpreis kommt nicht mehr viel. Der Ehrenprofessor und das Ehrengrab“, war seine Art die Auszeichnung entgegenzunehmen. TV-Tipp Die Preisverleihung wird am Sonntag, 25. Februar, 20.15 Uhr, auf 3Sat ausgestrahlt.

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