Wissen Klimakrise: Artensterben auch in den Anden

Espeletien in Nord-Ecuador, die eigentümlichen Schopfrosettenpflanzen der alpinen Stufe der Nord-Anden.
Espeletien in Nord-Ecuador, die eigentümlichen Schopfrosettenpflanzen der alpinen Stufe der Nord-Anden.

In den südamerikanischen Anden breiten sich Pflanzenarten in höher gelegenen Bergregionen infolge der Klimakrise aus, während angestammte Gebirgspflanzen – auch von Arten aus Europa – zurückgedrängt werden.

Die Erderwärmung verändert die Pflanzengemeinschaften der Berggipfel weltweit. Dies gilt zunehmend auch für die längste Gebirgskette der Erde, die Anden. Zu diesem Befund kommt ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien.

Von Venezuela bis Feuerland: Auf der Suche nach neuen Lebensräumen wandern in den Anden immer mehr Pflanzenarten in höher gelegene Bergabschnitte aus. Dabei verdrängen sie seltene Gebirgspflanzen in den Hochanden. Grund dafür seien die vom Menschen verursachten steigenden Temperaturen. Diese würden die Entwicklung in Zukunft noch weiter beschleunigen.

In einem Langzeit-Monitoring- und Forschungsprogramm, der „Global Observation Research Initiative in Alpine Environments“ (Gloria), wurden Daten über Pflanzengemeinschaften verwendet, die in 720 Dauerbeobachtungsflächen auf 45 Berggipfeln in den hohen Anden zwischen 2011 und 2019 erhoben wurden. „ Im Großraum der tropischen Anden befindet sich auch das größte Zentrum der biologischen Vielfalt der Erde“, so die Wissenschaftler.

Arten steigen höher

Die Erfassung der Biodiversität entlang von Höhengraden zeige die Wirkung des Klimawandels auf die Zusammensetzung der Ökosysteme. Diese sind in den Anden durch das Zusammentreffen einer komplexen Landschaftsstruktur mit dem tropischen Klima besonders vielfältig und einzigartig. „Das Höhersteigen der Arten lässt sich an den meisten unserer Messpunkte auf den Berggipfeln feststellen. Die Veränderungen können aber recht unterschiedlich sein, etwa eine Zunahme der Gesamtbedeckung der Vegetation, während diese an anderen Standorten deutlich rückgängig war“, sagt Hochgebirgsökologe Pauli, der das Gloria-Netzwerk leitet.

„Im Schnitt kommt alle zweieinhalb Jahre eine Pflanzenart in den Monitoringflächen dazu, in manchen Gebieten mehr. Das ist für kalte Gebirgslebensräume ein sehr kurzer Zeitraum“, so der Ökologe. Es sei eine besorgniserregende Entwicklung, die er mit seinem Team bereits in unterschiedlichen Gebirgen Europas beobachten konnte.

Intensive Landwirtschaft und Abholzung der Wälder Gift

Faktor Nummer eins weltweit für das Artensterben sei die intensive Landwirtschaft, einschließlich der Abholzung der Wälder, erklärt er. Auch in den Anden werde das Gebirge beweidet. „Häufig werden Flächen in der trockenen Jahreszeit abgebrannt, weil die Weidetiere das junge Gras, das danach wächst, lieber fressen. Für die Vielfalt hat das aber massive Konsequenzen“, sagt Pauli.

Hinzu komme ein Phänomen, das in vielen Teilen der Anden besonders ausgeprägt sei: importierte europäische Wiesenpflanzen – vom Knäuelgras bis zum Rotklee. Je wärmer es wird, desto mehr könnten sie sich in höheren Lagen ausbreiten. Und mit der globalen Erwärmung steigen die Bodentemperaturen weiter. Das konnten auch die Messungen bestätigen.

Gebirgspflanzen lebende Sensoren für Biodiversitätsverlust

„Gebirgspflanzen sind wie lebende Sensoren. Wir können sie als Indikatoren verstehen, die über den Zustand der Ökosysteme Auskunft geben und anhand derer Zukunftsprognosen evaluiert werden können“, sagt der Hochgebirgsökologe. Die Vielfalt der unterschiedlichen lokal verbreiteten Arten zu erhalten, die verschiedenste ökologische Nischen einnehmen, sei gerade in Zeiten des Klimawandels essentiell. Schließlich sind intakte Ökosysteme für rund 30 Prozent der CO2-Bindung verantwortlich.

Biodiversitäts-Monitoring kann zwar den rasanten Verlust der biologischen Vielfalt nicht stoppen, aber zumindest darüber informieren. „Die Verantwortung dafür trägt die Gesellschaft – und allen voran die Politik“, so Pauli.

x