Rhein-Pfalz Kreis Die Kunst des Sauerteigs

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Die Anzahl kleiner Bäckereien geht von Jahr zu Jahr zurück. Der Nachwuchs in der Backstube fehlt.

Ludwigshafen

/Schifferstadt. Ein großer Steinofen nimmt die Wand in der Backstube von Martin Weißenmayer ein. Seit 92 Jahren gibt es diesen Ofen, so lange wie die Bäckerei in der Sommerstraße in Schifferstadt. 70 Brote passen hinein. „Er ist natürlich energieintensiver als ein herkömmlicher Ofen“, sagt Weißenmayer. „Aber das Brot wird von unten besser gebacken.“ Qualität ist Weißenmayer wichtig. Kombiniert mit traditioneller Handwerkskunst. Etwa beim Anrühren des Teigs. Fertige Pulver kommen dem Bäcker nicht in die Tüte. Es ist Vormittag: Zeit, den Sauerteig für den nächsten Tag anzusetzen. In einen Zuber voller Mehl gibt der Bäcker einen Eimer Teig vom Vortag hinzu. „Das Anstellgut“, sagt er. Nun kommt noch Wasser hinein, ehe die Masse durchgeknetet wird. „Pulver ginge natürlich schneller“, meint Weißenmayer. Aber die Qualität der Backwaren leide eben darunter. Der 54-Jährige führt die Bäckerei sowie eine Filiale mit seiner Frau Birgit in dritter Generation, hat sie vor 22 Jahren von seinem Vater übernommen. Sechs Mitarbeiter hat er. „Die kleinen Bäcker sind eine aussterbende Spezies“, sagt er. Und das, obwohl „die Situation gut ist, die Leute setzen auf Qualität“, so Weißenmayer. So sieht es auch Willi Renner. Der 65-Jährige ist seit 1987 Obermeister der Bäckerinnung Rheinhessen-Pfalz. Er sagt: „Den Betrieben, die eine Philosophie haben, geht es gut – ein begrenztes Sortiment, das so gemacht wird, wie man das früher gelernt hat.“ Er vergleicht das Bäckerhandwerk gerne mit dem der Winzer: Diese setzten zunehmend auf Qualitätsweine statt schnell zusammengepanschte Brühe, auf ein kreatives, ausgesuchtes Sortiment statt auf vergleichbare Massenware. „90 Prozent der Bäckereibetriebe machen Teiglinge, die sie dann backen, wenn sie sie brauchen“, meint der Obermeister. Diese Taktik mache die Bäcker vergleichbar. Die Verbraucher wollen laut Renner keine Brötchen, die überall gleich schmecken, egal wo sie sie kaufen. Kleine Bäcker, die auf diesen Umstand reagieren, könnten gut gegen Konkurrenten, die fast an jeder Straßenecke eine Filiale aus dem Boden stampfen, reagieren, meint Renner: indem sie neue Produkte kreieren, Trends suchen. „Mir macht das unheimlich Spaß, immer etwas Neues zu schaffen“, sagt er. Er hat seine beiden Bäckereien 2011 abgegeben. Seitdem beliefert er nur noch Geschäftskunden, etwa Altenheime. Und lässt seiner Kreativität freien Lauf, wie mit einem Baguette, dessen Teig er Dornfelder beifügt. Auch Arnulf Lanzet (60) weiß um die Bedeutung von „Nischenprodukten“, um im Wettbewerb bestehen zu können. „Man muss Sachen anbieten, die andere nicht haben“, sagt der Bäcker, der in siebter Generation eine Bäckerei in der Benzstraße in Ludwigshafen-Friesenheim führt und 18 Mitarbeiter hat. Das kombiniert mit handwerklichem Können „honorieren die Kunden“, meint er. Und doch: An Zahlen lässt sich die Lust der Verbraucher auf traditionelle Backkunst nicht ablesen. In den 1980er-Jahren hat es im Gebiet der Bäckerinnung Rheinhessen-Pfalz 160 Betriebe gegeben, sagt Willi Renner. Heute sind es noch 30, davon etwa 15 in Ludwigshafen. Lässt sich von guter Backwerkskunst also doch nicht gut leben? Doch, meint der Obermeister. Das Problem sei nicht mangelnde Nachfrage, sondern es seien fehlende Nachwuchskräfte. Oft sei schlicht kein Nachfolger da, der eine gut laufende Backstube übernehmen wolle. „Anderswo kann man sein Geld leichter verdienen“, sagt Renner lapidar. Eine Beobachtung, die auch Sven Schirmer teilt. Der 30-Jährige hat 2014 eine Bäckerei in der Ludwigshafener Herderstraße (Mundenheim) übernommen. „Die Leute kommen verstärkt auf kleine Bäcker zurück“, sagt er. Als „Kleiner“ könne man viel flexibler auf kurzfristige Kundenwünsche reagieren. Fünf Mitarbeiter hat Schirmer – nicht genug: „Wir bräuchten mindestens noch eine Person.“ Für ihn ist klar: Die körperliche Arbeit und die nächtlichen Arbeitszeiten halten junge Leute von einer Ausbildung zum Bäcker ab. Zumal: „Man verdient in der Ausbildung viel zu wenig“, sagt er. Werde an den Rahmenbedingungen nicht gerüttelt, ändere sich auch am Nachwuchsproblem nichts, ist er überzeugt. Dabei sei Bäcker ein schöner Job, findet Schirmer: „Man arbeitet bis 9, 10 Uhr und hat dann den Mittag frei. Ich bin Bäcker mit Leidenschaft.“ Der Schifferstadter Weißenmayer hat sonntags und montags geschlossen, um die Arbeitszeitproblematik zu entschärfen und damit seine Mitarbeiter ein Wochenende haben. Wie es mit seinem Betrieb weitergeht, wenn er einmal in Rente geht, weiß er nicht. Seine Kinder wollen das Geschäft nicht übernehmen. „Ich werde dann wohl verpachten oder verkaufen“, sagt er. Auch bei Arnulf Lanzet ist kein Nachfolger in Sicht. „Gute Leute sind rar gesät“, meint der 60-Jährige. Wer Brot und Brötchen mit fertigen Backmischungen und Maschinen herstelle, sei da klar im Vorteil: Das benötige einen Bruchteil des Personals.

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