Rhein-Pfalz-Kreis Interview zur Flüchtlingslage: Was sich der Kreis von Bürgern wünscht

Im polnischen Medyka kommen täglich viele Menschen an, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. Von hier aus geht es für manche
Im polnischen Medyka kommen täglich viele Menschen an, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. Von hier aus geht es für manche weiter nach Deutschland und vielleicht auch in die Pfalz.

Bereits über eine Million Menschen sind aus der Ukraine geflüchtet. Wie viele davon in den Rhein-Pfalz-Kreis kommen, weiß Bianca Staßen (45, SPD) noch nicht. Die für Soziales zuständige Erste Beigeordnete berichtet Waltraud Werdelis, wie sich der Kreis vorbereitet und was Bürger tun können.

Frau Staßen, was haben die Städte und Landkreise denn vergangene Woche mit Staatsministerin Katharina Binz von den Grünen besprochen? Wissen Sie schon, wie viele Kriegsflüchtlinge im Rhein-Pfalz-Kreis untergebracht werden sollen?
Es war zu dem Zeitpunkt von 18.000 bis 20.000 Menschen in Rheinland-Pfalz die Rede und von 740 in unserem Landkreis. Die Erstverteilung von Asylsuchenden wird ja nach dem Königsteiner Schlüssel berechnet. Wir stellen uns vorsorglich auf höhere Zahlen ein, doch trotzdem kann es sein, dass gar nicht alle, die im Moment in Deutschland erwartet werden, kommen.

Sie hatten ja im Dezember schon mal Alarm geschlagen, weil es im Kreis zu wenig Wohnraum für geflüchtete Menschen gibt, wo sollen denn jetzt die Unterkünfte für Vertriebene aus der Ukraine herkommen?
Die Hilfsbereitschaft ist im Moment sehr, sehr groß. Da läuft viel über die sozialen Netzwerke. Es werden Wohnungen, Zimmer und Häuser angeboten. Ich weiß nicht, ob es angesichts der Lage ein guter Ausdruck ist, wenn ich sage: Ich bin begeistert. Aber wir werden noch viel mehr Wohnraum brauchen. Deshalb bitten die Bürgermeister im Kreis jetzt massiv um Unterstützung. Denn wir würden den Menschen die Unterbringung in Sammelunterkünften gern ersparen.

An wen sollen sich Bürger, die Quartiere bieten können wenden?
Am besten an die jeweilige Stadt-, Gemeinde- oder Verbandsgemeindeverwaltung. Die Bürgermeister melden uns jetzt täglich bis 10 Uhr, wie viele Unterkünfte vorhanden sind, und wir melden das dann an das Land.

Was wird außer Wohnmöglichkeiten sonst noch gebraucht?
Kleidung eher nicht. Wir haben gehört, dass die örtlichen Kleiderkammern gut gefüllt sind, auch weil erst kürzlich viel für das Ahrtal gespendet wurde. Eventuell werden wir später Töpfe und Essgeschirr brauchen, aber dazu würde es dann einen gezielten Aufruf geben. Das Wichtigste ist zunächst einmal, dass wir den Geflüchteten Sicherheit geben.

Was heißt das?
Viele werden soziale und psychologische Betreuung benötigen. Und es kommen ja sehr viele jüngere Kinder. Die können weder Deutsch noch Englisch, sind vielleicht traumatisiert. Sie könnten im gemeinsamen Spiel mit anderen Kindern das Erlebte verarbeiten, aber so viele Kitaplätze haben wir ja gar nicht. Deshalb wäre es gut, die Kinder könnten in Jugendtreffs betreut werden und an Krabbelgruppen teilnehmen. Es gab im Kreis deswegen bereits eine Krisenstabsitzung mit Vertretern von Schulen, Jugendamt und den Fachdiensten.

Was ist mit den Erwachsenen?
Die werden sicher ebenfalls Seelsorge und eventuell psychologische Betreuung brauchen. Und Sprachkurse, denn es ist zu befürchten, dass sie so schnell nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Es werden dann Leute gebraucht, die Deutschunterricht geben können, aber auch Dolmetscher. Hilfreich wäre es auch, wenn wir wüssten, wo bei uns kirchliche ukrainische Gruppen existieren. Wir setzen darauf, dass sich die Strukturen der Ehrenamtskreise, die sich nach 2015 schon um Asylbewerber gekümmert haben, reaktivieren lassen und dass die Kirchengemeinden mithelfen. Das Gute ist, dass die ukrainischen Kriegsflüchtlinge kein Asylverfahren durchlaufen und nicht zuerst in die Erstaufnahmeeinrichtungen müssen. Sie bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die weitere zwei Jahre verlängert werden kann. Sie haben ein Anrecht auf Sozialleistungen und dürfen hier arbeiten.

Zum Dezernat von Bianca Staßen gehören das Jugend- und das Sozialamt des Rhein-Pfalz-Kreises.
Zum Dezernat von Bianca Staßen gehören das Jugend- und das Sozialamt des Rhein-Pfalz-Kreises.
x