Unternehmen SAP: Kehrtwende bei Plattner-Nachfolger

„Unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender“: Hasso Plattner und Punit Renjen im Mai
»Unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender«: Hasso Plattner und Punit Renjen im Mai 2023.

Der Walldorfer Softwarekonzern tauscht den Wunschnachfolger von Hasso Plattner aus. Unterschiedliche Vorstellungen über die Rolle im künftigen Amt, heißt es lapidar als Begründung. Wer soll das glauben? Für SAP und seinen Aufsichtsratschef sieht das ganz und gar nicht vorteilhaft aus.

Nicht wenige dürften sich verwundert die Augen gerieben haben, bis sie glauben konnte, was der Walldorfer Softwarekonzern SAP da am späten Sonntagabend bekanntgegeben hat. Der seit fast genau einem Jahr als Nachfolger von Aufsichtsratschef Hasso Plattner gesetzte Punit Renjen wird SAP verlassen. Renjen, bis 2022 noch Chef des Beratungsunternehmens Deloitte, schmeißt nach gerade mal neun Monaten als Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei SAP den Bettel wieder hin.

Die Nachricht kam völlig überraschend. Renjen war nach einer für viele quälend langsamen, jahrelangen Suche Plattners nach einem Nachfolger installiert worden. Investoren und Aktionärsvertreter hatten zunehmend Kritik geäußert an der schleppenden Machtübergabe an der Spitze des Kontrollgremiums. Plattner ist nun seit mehr als 20 Jahren Aufsichtsratsvorsitzender. Die SAP-eigenen Vorgaben für Aufsichtsratsmitglieder hat der 80-Jährige dabei einfach links liegen lassen: Die sollen nicht älter als 75 sein und höchstens zwölf Jahre amtieren. Das brachte dem Walldorfer Konzern die Kritik ein, in Sachen Corporate-Governance-Regeln guter Unternehmensführung nur schwach aufgestellt zu sein.

Der „ideale Kandidat“

Es sei „nicht so einfach, einen Nachfolger aus der Mütze zu ziehen“, hatte Plattner immer wieder gesagt. Der SAP-Mitgründer, der im Unternehmen Legenden-Status genießt, hatte aber auch eingeräumt, dass es noch einen weiteren Grund für die immer wieder verschobene Machtübergabe gibt. Seine Position als Aufsichtsratsvorsitzender „in die richtigen Hände zu geben“, sei für ihn auch eine „emotionale Aufgabe, an der ich schon seit einiger Zeit arbeite“, hatte er zur Hauptversammlung 2023 gesagt. Der „Spiegel“ diagnostizierte 2022 bei Plattner ein byzantinisches Amtsverständnis als Aufsichtsratsvorsitzender. Laut Insidern soll er sich immer wieder in die aktuelle Geschäftspolitik einmischen und damit seine Rechte als Aufsichtsratschef recht großzügig auslegen.

Für Plattner war Renjen vor einem Jahr noch der „ideale Kandidat für den Vorsitz des Aufsichtsrats ab 2024“. Am Sonntag hieß es dann, Grund für die Trennung im gegenseitigen Einvernehmen seien „die unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender“.

Dem Vernehmen nach habe sich der US-Amerikaner nicht mit der in Deutschland gesetzlich vorgesehenen Funktion als Aufseher des Konzernvorstands anfreunden können. So schrieb unter anderem das „Manager Magazin“, er habe sich sehr aktiv ins Tagesgeschäft eingebracht und damit nicht nur Freude ausgelöst. Ein Top-Unternehmensberater wie Renjen soll überrascht worden sein von seiner gesetzlichen Aufgabe als Aufsichtsrat? Die er zugleich aber auch dehnte, indem er ebenso wie sein Vorsitzender Plattner stark ins Tagesgeschäft eingriff? Plausibel klingt das nicht gerade.

Zweifel haben da auch andere. Markus Kienle, Vorstandsmitglied bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, nannte die Personalie überraschend. Renjen sei als Heilsbringer vorgestellt worden. Dass es jetzt unterschiedliche Auffassungen gebe, überrasche ihn doch sehr. Schließlich sei der Auswahl doch ein professioneller Prozess vorausgegangen. Dass es jetzt zu solch einem Versagen komme, lasse Zweifel an der Qualität des Auswahlprozesses aufkommen, so Kienle.

Die neuesten Entwicklungen seien auch für die Interessenvertretung der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) überraschend, sagte deren Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen. Von Renjen habe die Anwendergruppe erwartet, dass dieser seine umfassende Beratungskompetenz in den Aufsichtsrat einbringt. Dieser sei bislang durch Plattner sehr technologisch geprägt gewesen.

Nachdem Plattner jahrelang gebraucht hat oder es so lange hinausgezögert hat, einen Nachfolger zu präsentieren, wurde ein Ersatz für Renjens nun scheinbar mühelos aus dem Hut gezaubert. Am Sonntagabend präsentierte SAP ebenso überraschend den ehemaligen Nokia-Manager Pekka Ala-Pietilä als neuen Plattner-Nachfolger. Mit dem Finnen, der auf der Hauptversammlung im Mai für den Aufsichtsrat kandidieren und dessen Vorsitz übernehmen soll, kommt ein alter Bekannter zurück. Der frühere Präsident von Nokia saß bereits von 2002 bis 2021 im Aufsichtsrat von SAP.

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