Beruf Ist die Vier-Tage-Woche die Zukunft?

In der Baubranche kann die Vier-Tage-Woche den Vorteil haben, dass das Einrichten des Arbeitsplatzes an einem Tag entfällt.
In der Baubranche kann die Vier-Tage-Woche den Vorteil haben, dass das Einrichten des Arbeitsplatzes an einem Tag entfällt.

Ab Donnerstag können sich Arbeitgeber für die Teilnahme an einem Pilotprojekt zur Arbeitszeit ihrer Beschäftigten bewerben. Die Vorgaben lauten: 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung.

„Wir erhoffen uns, die Debatte um die Vier-Tage-Woche auf ein neues Niveau zu heben – mit wissenschaftlicher Unterstützung“, sagte Unternehmensberater Jan Bühren von Intraprenör zu dem Vorhaben, die Wochenarbeitszeit neu zu denken.

Die Firma mit Sitz in Berlin organisiert das Projekt in Deutschland gemeinsam mit der Organisation 4 Day Week Global. Die Nichtregierungsorganisation hat solche Studien bereits in anderen Ländern initiiert, unter anderem ein viel beachtetes Projekt in Großbritannien. „Uns stört es, dass die gesamte Diskussion quasi im luftleeren Raum passiert – weil alles nur in Theorie besprochen, aber nicht ausprobiert wird“, sagt Bühren. Das soll sich nun auch in Deutschland ändern.

Auch Bestandteil von Tarifverhandlungen

Das Pilotprojekt setzt explizit auf eine Vier-Tage-Woche, bei der die Arbeitszeit reduziert wird, Gehalt und angestrebte Leistung aber gleich bleiben sollen. Andere Modelle sehen beispielsweise vor, dass mit weniger Arbeitszeit auch weniger Lohn einhergeht. Darüber hinaus versuchen sich einige kleinere Unternehmen in einem Konzept, in dem an vier Tagen etwas mehr gearbeitet wird, um dann am fünften Tag die Mehrstunden der Vortage durch Freizeit auszugleichen.

Am meisten diskutiert wird aber über die erste Variante, also weniger Arbeitszeit bei gleichem Lohn. Diese strebt auch die IG Metall an, wenn sie bei ihren Forderungen für die nächsten Tarifverhandlungen in der Eisen- und Stahlindustrie eine Vier-Tage-Woche fordert. Die Idee dahinter ist: Wer nur an vier Tagen in der Woche arbeiten muss, ist konzentrierter und motivierter bei der Sache – und erfüllt seine Vorgaben auch in der geringeren Zeit noch erfolgreich.

Mehr Zeit häufigster Grund

Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die Vier-Tage-Woche bei Arbeitnehmern eine beliebte Vorstellung ist – zumindest in Kombination mit gleichem Lohn. In der Befragung der Stiftung sagten gut 73 Prozent, dass sie sich eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend kürzerer Arbeitszeit wünschen. Rund acht Prozent wünschen sich diese auch mit weniger Lohn. 17 Prozent lehnten die Vier-Tage-Woche ab.

Bei den Gründen wurde der Punkt „Weil ich mehr Zeit für mich selbst haben will“ am häufigsten genannt (96,5 Prozent). Dahinter folgte „Weil ich mehr Zeit für meine Familie haben will“ (89 Prozent).

Mittelstand skeptisch

Jene Befragten, die die Vier-Tage-Woche ablehnten, sagten besonders häufig, dass sie Spaß an der Arbeit hätten (86 Prozent). 82 Prozent zeigten sich skeptisch, dass eine Arbeitszeitverkürzung etwas an den Arbeitsabläufen ändern würde. Rund 77 Prozent gehen davon aus, dass sie die Arbeit dann nicht mehr schaffen würden.

Der Mittelstand schaut skeptisch auf die Vier-Tage-Woche. Individuelle Lösungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern seien zu befürworten, sagte Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführer beim Bundesverband Mittelständische Wirtschaft. Staatliche Einmischung, die weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich vorsieht, lehnt der Mittelstand aber ab, „weil bei verringerter Arbeitszeit Produktivitätsverluste drohen, unter denen zuerst die Unternehmen und dann wir alle zu leiden haben“. Er halte es für ausgeschlossen, dass eine nennenswerte Zahl der Mitglieder angesichts des Fachkräftemangels eine „staatlich verordnete Vier-Tage-Woche“ einführen werde, sagte Ahlhaus.

Positives Fazit in Großbritannien

Nach dem Vier-Tage-Wochen-Projekt in Großbritannien zogen die meisten der teilnehmenden Unternehmen ein sehr positives Fazit. 56 von 61 Arbeitgeber teilten mit, dass sie die Vier-Tage-Woche beibehalten wollten. Die Krankheitstage gingen demnach während des Testzeitraums um rund zwei Drittel (65 Prozent) zurück und die Zahl der Angestellten, die in dieser Zeit das Unternehmen verließen, fiel um mehr als die Hälfte (57 Prozent).

Durchschnittlich stieg der Umsatz der beteiligten Unternehmen der Analyse zufolge während der Testphase um 1,4 Prozent. Die Analyse nahmen Forscher aus Boston und Cambridge vor, sie führten auch Tiefeninterviews mit Beteiligten.

Die Ergebnisse beruhen allerdings auf der Auswertung von Unternehmen, die sich freiwillig zur Teilnahme gemeldet hatten. Eine zufällige Auswahl gab es nicht. In Großbritannien nahmen Unternehmen aus dem Finanzsektor, der IT- und Baubranche sowie der Gastronomie und dem Gesundheitswesen teil.

Test noch dieses Jahr

Insgesamt beschäftigen die beteiligten Firmen rund 2900 Angestellte. Einige Betriebe führten flächendeckend ein dreitägiges Wochenende ein, während andere den freien Tag der Angestellten über die Woche staffelten oder an Ziele koppelten.

Hierzulande soll das Projekt ähnlich ablaufen wie in Großbritannien: Interessierte Unternehmen können sich ab Donnerstag für die Teilnahme bewerben. Intraprenör hat sich zum Ziel gesetzt, mehr als 50 Unternehmen in Deutschland von einer Teilnahme zu überzeugen. Noch in diesem Jahr soll auch der Testzeitraum beginnen.

Die teilnehmenden Unternehmen sollen die Vier-Tage-Woche dann mindestens sechs Monate lang ausprobieren. Innerhalb dieses Zeitraums können sie Intraprenör zufolge auf Experten zurückgreifen, neue Methoden lernen und mit den anderen Arbeitgebern in den Austausch gehen.

Auch Kontakte zu Unternehmen, die bereits dauerhaft auf die Vier-Tage-Woche umgestellt haben, sollen den Teilnehmern ermöglicht werden. Die wissenschaftliche Auswertung des Projekts übernimmt die Universität Münster.

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