Wirtschaft Finanz-Tipp: Mit eigenem Haus die Rente aufbessern

Verbraucherschützer warnen: Für 200 oder 300 Euro mehr Rente im Monat sollte niemand sein Haus zur Hälfte des aktuellen Verkehrs
Verbraucherschützer warnen: Für 200 oder 300 Euro mehr Rente im Monat sollte niemand sein Haus zur Hälfte des aktuellen Verkehrswerts aus der Hand geben.

Immobilienverrentung immer beliebter in Deutschland – Verbraucherschützer raten zu penibler Prüfung

Viele Senioren hängen an ihrem Haus, sind aber knapp bei Kasse. Angebote zur Immobilienverrentung locken mit Wohnrecht plus Geld. Doch die Liebe zum Häuschen ist teuer erkauft. Einen alten Baum verpflanzt man nicht: Für die meisten Senioren sind die eigenen vier Wände ihr Ein und Alles. Das Problem: Viele sind zwar reich an Steinen – aber knapp bei Kasse. Die Altersrente reicht vorn und hinten nicht. Umziehen kommt trotzdem nicht in Frage. Auswege aus dieser Zwickmühle versprechen Modelle zur Immobilienverrentung, für die zurzeit massiv geworben wird. Die einen heißen Leibrente, die anderen HausplusRente, Umkehrhypothek oder Zustifter-Rente. „Die Konzepte sind unterschiedlich, sprechen aber immer Menschen an, die den Lebensabend unbedingt im gewohnten Zuhause verbringen wollen“, sagt Hartmut Schwarz, Immobilienexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Senioren sollen damit den Spagat schaffen, die eigenen Steine zu Geld zu machen, die Altersrente aufzubessern und weiterhin wohnen bleiben zu können. Doch die Verrentung ist in der Regel teuer erkauft. Grundsätzlich laufen die meisten Modelle nach folgendem Prinzip: Rentner verkaufen ihre Immobilie nicht am freien Markt, sondern mit deutlichem Abschlag an einen Investor. Der garantiert ihnen dafür ein lebenslanges Wohnrecht im geliebten Häuschen. Manchmal ist auch eine Einmalzahlung möglich. Immer im Angebot ist eine monatliche Rentenzahlung, die den Senioren mehr finanzielle Freiheit bringen soll. Wie hoch diese Rente ausfällt, hängt vor allem vom Alter des Verkäufers ab und damit von seiner statistischen Lebenserwartung. Und vom Wert der Immobilie. Diese Art der Geldbeschaffung für klamme Eigentümer wird in den USA „eat your brick“ (wörtlich: iss deinen Bachstein) genannt: Mach deine Steine zu Barem, damit du im Alter etwas zu beißen hast. Nach ersten erfolglosen Anläufen liegt die Nachfrage jetzt offenbar auch in Deutschland im Trend, wie Merten Larisch berichtet, Altersvorsorgespezialist der Verbraucherzentrale Bayern. Wegen der steigenden Altersarmut dürften Verrentungs-Modelle in den kommenden Jahren noch ein großes Thema werden, sagt Experte Schwarz. Die aktuellen Angebote seien aber noch nicht überzeugend. „So ein Geschäft muss gut überlegt sein, zumal jetzt, da die Immobilienpreise am freien Markt vielerorts Rekordhöhe erreichen“, mahnt der Verbraucherschützer zur Vorsicht. Für 200 oder 300 Euro mehr Rente im Monat solle niemand sein Haus zur Hälfte des aktuellen Verkehrswerts aus der Hand geben. „Es besteht die Gefahr, dass man sich das Haus für wenig Geld abkaufen lässt“, gibt auch Jörg Sahr zu bedenken, Immobilienexperte von Stiftung Warentest in Berlin. Angebote gehörten penibel durchgerechnet und möglichst von unabhängiger Seite wie etwa einer Verbraucherzentrale geprüft. Jeder fünfte Haus- oder Wohnungseigentümer zeige sich inzwischen offen für die Verrentung, wirbt die Deutsche Leibrenten AG mit Sitz in Frankfurt. Ihr Konzept: Senioren ab 70 Jahren verkaufen ihre Wohnung oder ihr Eigenheim, bekommen eine monatliche Rente, ein mietfreies, lebenslanges Wohnrecht, notariell abgesichert und im Grundbuch verankert. Müssen die Verkäufer ins Alten- oder Pflegeheim, können sie die Immobilie vermieten. Um die Instandhaltung müssten sich die Bewohner nicht mehr kümmern, verspricht das Unternehmen. „Die Verrentung hat immer ihren Preis“, warnt Schwarz. Die Risiken, die der Finanzierer bei dem Geschäft eingeht, lässt er sich gut bezahlen. Das geht schon los mit der Taxierung des Immobilienwertes. „Der Käufer wird nicht den aktuellen Marktwert ansetzen, sondern deutlich weniger“, so auch die Erfahrungen Larischs. Weitere Puffer sind für den Fall eingebaut, dass Kunden deutlich älter werden als erwartet. Oder dass sich die Immobilie nach deren Tod nicht so gut verwerten lässt wie geplant. Instandhaltungsklauseln im Vertrag gehörten immer hinterfragt, betont Schwarz. Die Nebenkosten der Immobilie hätten die Senioren in jedem Fall weiter am Hals. Ein abgewandeltes Konzept zur Leibrente bietet die HausplusRente des Münchner Maklerunternehmens Kiebler. Hier wird die Immobilie an private Investoren vermittelt, die ihr Geld in attraktive Immobilien anlegen wollen. Wer verkauft, bekommt ein notariell verbrieftes, lebenslanges Nießbrauchrecht sowie den Kaufpreis aufs Konto überwiesen. Der Einmalbetrag kann dann in eine Rentenversicherung investiert werden, die ebenfalls im Angebot ist. Das Kiebler-Modell ist nur in attraktiven Wohnlagen zu haben wie etwa im Ballungsraum München oder neuerdings in Berlin. „Immer bedenken, dass Investoren insolvent gehen können und dass auch hier der Kaufpreis nicht annähernd an den aktuellen Marktwert herankommen dürfte“, sagt Schwarz. Ein anderes Verrentungsmodell ist die sogenannte „Umkehrhypothek“. Sie wird nur noch vereinzelt von regionalen Banken angeboten. Die Grundidee: Wer seine „Steine“ beleiht, bekommt eine Rente, wiederum abhängig von Lebensalter, Immobilienwert und Zinssatz. Auch Einmalzahlungen sind möglich oder ein Mix. In jedem Fall kann der Rentner weiter in seinem Zuhause bleiben. Er bleibt zudem Eigentümer. Als Sicherheit dient eine verbriefte Grundschuld. Zinsen und Tilgung werden gestundet. Die Schuldenlast baut sich im Gegensatz zum normalen Baukredit Jahr für Jahr auf – deshalb Umkehrhypothek. Die Rückzahlung wird erst nach dem Tod oder bei Umzug ins Alters- oder Pflegeheim fällig. Dann geht die Immobilie in den Besitz des Käufers, also der Bank, über. Sie wird verkauft und das Darlehen getilgt. Oder die Erben tilgen die Schulden und behalten das Haus. „Die Umkehrhypothek ist hierzulande alles andere als erfolgreich und fast vom Markt verschwunden“, betont Schwarz. Einen anderen Weg beschreiten die Hausstifter-Rente der Caritas oder die Zustifter-Rente der Stiftung Liebenau. Hier verkaufen Rentner ihre Immobilie an die traditionsreichen, gemeinnützigen Organisationen. Dafür bekommen sie wiederum ein Wohnrecht und eine gewisse Rente. Wer eine unattraktive, noch belastete Immobilie auf dem Land verrenten wolle und jünger als 70 Jahre sei, könne sowieso von kaum einem der Modelle wirklich profitieren, winkt Schwarz ab. Außerdem sollten die Rentner immer zuerst mit ihren Erben sprechen. Sonst ist Ärger unausweichlich. Die aktuell bessere Alternative: Das Haus in Eigenregie zum bestmöglichen Marktpreis verkaufen, sich eine neue, kleinere Immobilie zulegen oder mieten, eventuell auch in einer Seniorenresidenz, und den Resterlös auf die hohe Kante legen. „Damit kommt ein Rentner in den Besitz seines eigentlichen Vermögens und kann sich meist ein richtig gutes Leben davon machen“, so Larisch.

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