Bahnverkehr Das 49-Euro-Ticket kommt – und dann?
Der für den regionalen Bahnverkehr in der Pfalz zuständige Zweckverband in Kaiserslautern hat eindringlich darauf hingewiesen: Die für die Bestellung von Regionalzügen zur Verfügung stehenden Mittel müssen dringend aufgestockt werden, um auch nur das bestehende Angebot aufrecht zu erhalten – ganz zu schweigen von Verbesserungen, die verkehrs- und umweltpolitisch eigentlich geboten wären. Vorsteher des Zweckverbands ist der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel (CDU). Im Dezember betonte Brechtel, wenn nicht mehr Geld ins System komme, werde der Zweckverband den Zugverkehr auf Zweigstrecken wie denen nach Bad Bergzabern und Kirchheimbolanden abbestellen müssen.
In erster Linie geht es dabei um die sogenannten Regionalisierungsmittel, die die Länder vom Bund seit der Bahnreform von 1993/94 für die Finanzierung des regionalen Zugverkehrs bekommen. Der Südpfälzer CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart hat an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geschrieben und für eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel plädiert, darauf aber bisher keine Antwort bekommen. Gebhart, der seit 2009 im Bundestag sitzt und sich schon zuvor als Landtagsabgeordneter besonders für den Bau der Stadtbahn nach Germersheim engagiert hat, interessiert das Thema besonders – einmal wegen der Bahnlinien in seinem Wahlkreis, in dem auch die Strecke nach Bad Bergzabern liegt, zum anderen aber auch als Umweltpolitiker. Gebhart ist Obmann der CDU im Ausschuss für Klimaschutz und Energie.
Gebhart: Wissing missachtet Klimaschutzgesetz
In einem Gespräch mit der RHEINPFALZ kritisierte er die Untätigkeit von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der laut geltendem Klimaschutzgesetz eigentlich verpflichtet sei, ein Sofortprogramm vorzulegen, weil der Verkehrssektor die festgelegten Klimaschutzziele nicht einhält. „Die missachten an der Stelle das Gesetz“, sagte Gebhart zur Untätigkeit des Bundesverkehrsministeriums. Die FDP will das geltende Gesetz nicht einhalten, sondern fordert, es so zu ändern, dass die Versäumnisse im Verkehrsbereich von anderen Sektoren ausgeglichen werden könnten. Ein zentrales Element des eigentlich fälligen Sofortprogramms für Klimaschutz im Verkehrssektor müsste nach Ansicht von Gebhart sein, dass „die Regionalisierungsmittel über das vorgesehene Maß hinaus signifikant erhöht werden. Wir wollen mehr Züge, nicht weniger“, betonte Gebhart.
Ähnlich sieht das auch Gebharts Kollege Christian Schreider (SPD). Er wurde 2021 erstmals in den Bundestag gewählt. Gleich bei seiner ersten Bundestagskandidatur gelang es ihm, das Direktmandat im Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal zu erringen. Schreider interessiert sich schon seit längerer Zeit für den Schienenverkehr und wurde auf Vorschlag seiner Bundestagsfraktion von Bundesverkehrsminister Wissing in die Beschleunigungskommission Schiene berufen, die dann im vergangenen Dezember Wissing ein umfangreiches Programm zur Förderung des Schienenverkehrs vorgelegt hat.
Als einziger Pfälzer im Verkehrsausschuss
Schreider ist derzeit der einzige Pfälzer Abgeordnete im Verkehrsausschuss des Bundestages. In gewisser Weise hat er inoffiziell die Nachfolge des langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Gustav Herzog (Zellertal, Wahlkreis Kaiserslautern) als Pfälzer Verkehrspolitiker im Bundestag angetreten.
Schreider sagte in einem Gespräch mit der RHEINPFALZ, die im Zusammenhang mit der Einführung des 49-Euro-Tickets beschlossene Aufstockung der Regionalisierungsmittel um 1 Milliarde Euro und die Anhebung des jährlichen Dynamisierungssatzes von bisher 1,8 auf künftig 3,1 Prozent sei zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das reiche aber nicht. „Wir müssen deutlich mehr tun, um einen ordentlichen Ausbau hinzukriegen.“ Es gelte generell, dass mehr Geld für den Schienenverkehr gebraucht werde, aber ganz besonders für die Regionalisierungsmittel. Dabei sei in der Ampelkoalition das Bohren dicker Bretter erforderlich.
Aus dem umfangreichen Programm der Beschleunigungskommission betont Schreider einen Punkt, der speziell für die Pfalz sehr interessant sein könnte. Die Kommission empfiehlt, bei Elektrifizierungsprojekten auf die bisher in jedem Einzelfall nötige Nutzen/Kosten-Untersuchung zu verzichten, an der zuletzt das Projekt von Neustadt über Landau nach Wörth knapp gescheitert war. Dieses aufwendige Verfahren gilt als ein wesentlicher Grund dafür, dass es bei der Elektrifizierung des deutschen Bahnnetzes nur äußerst zäh vorangeht, obwohl über die Dringlichkeit eigentlich ein breiter Konsens herrscht. Die Ampelkoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, den Anteil der elektrifizierten Strecken am bundeseigenen Schienennetz von derzeit rund 62 Prozent bis 2030 auf 75 Prozent zu steigern. Wie sie dieses Ziel erreichen will, ist bisher völlig unklar.
„Allianz pro Schiene“ hält Projekt für vorrangig
Auch in einem von Thomas Gebhart und seinem Fraktionskollegen Andreas Jung erstellten Klimapolitik-Papier heißt es: „Mit Hochdruck und zusätzlichen Mitteln muss die vollständige Elektrifizierung der Schiene vorangebracht werden.“ Gebhart hat sich schon in seinem ersten Bundestagswahlkampf 2009 für die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Neustadt über Landau nach Wörth engagiert und hatte in der vergangenen Legislaturperiode zur Zeit der großen Koalition eine Art informelle Federführung bei einer gemeinsamen Initiative der Südpfälzer Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, Grünen und FDP für dieses Projekt. Im November 2018 hatte Gebhart schon einmal verkündet: „Bahnstrecke Neustadt–Wörth kann elektrifiziert werden“. Dies bezog sich auf einen Satz im Bundeshaushalt, der aber vom Bundesverkehrsministerium nicht weiter ernst genommen wurde. Vorangekommen ist das Projekt letztendlich nicht.
Dass Neustadt–Wörth zu den vorrangig elektrifizierungswürdigen Strecken gehört, meint auch die „Allianz pro Schiene“, eine Organisation, in der sich verschiedene am Bahnverkehr interessierte Verbände zusammengeschlossen haben. Auf einer jüngst aktualisierten Liste der „Allianz pro Schiene“ finden sich die Strecken von Neustadt nach Wörth sowie in der Pfalz außerdem die Alsenzbahn von Bingen über Rockenhausen nach Kaiserslautern und Hochspeyer samt dem Abschnitt von Gau Algesheim über Bad Kreuznach nach Neubrücke, der die Elektrifizierungslücke zwischen Mainz und Saarbrücken über die Nahestrecke schließen würde.
Dieselvorspann für Güterzüge auf der Alsenzbahn
Die Alsenzbahn könnte künftig aus einem anderen Grund für Aufsehen sorgen. Bei DB Netz, der Infrastruktursparte der Deutschen Bahn, wird überlegt, für Güterzüge, die wegen Bauarbeiten auf anderen Strecken über die Alsenzbahn umgeleitet werden müssen, Dieselloks zur Verfügung zu stellen, die die umgeleiteten Züge (wohl meist samt der elektrischen Zuglok) über den stromlosen Abschnitt schleppen. Dieselvorspann für Langstrecken-Güterzüge gab es 2017 auf der Strecke von Tübingen nach Horb, als wegen der Havarie auf der Tunnelbaustelle bei Rastatt Züge weiträumig umgeleitet werden mussten. Ganz neu wäre allerdings, dass der Infrastrukturbetreiber DB Netz die nötigen Dieselloks stellt.