Fragen und Antworten Arbeitsrecht: Ist ein Joint in der Mittagspause eine gute Idee?

Trotz der Teillegalisierung von Cannabis ist Kiffen am Arbeitsplatz keine gute Idee.
Trotz der Teillegalisierung von Cannabis ist Kiffen am Arbeitsplatz keine gute Idee.

Das Cannabis-Gesetz verbietet das Kiffen am Schreibtisch nicht ausdrücklich. Doch Beschäftigte dürfen sich auch nicht in einen Rauschzustand versetzen, in dem sie sich und andere gefährden können.

Ist ein Joint am Arbeitsplatz oder in den arbeitsfreien Stunden davor in Ordnung? Das wäre riskant. Denn bei einem Unfall im Betrieb, der auf den Cannabis-Konsum zurückzuführen ist, steht der gesetzliche Versicherungsschutz auf dem Spiel. Was Beschäftigte und Arbeitgeber dazu wissen sollten, hat der Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen – die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – auf Anfrage der RHEINPFALZ konkretisiert.

Welche Vorschriften gibt es?
Das Anfang April in Kraft getretene neue Cannabis-Gesetz verbietet das Kiffen am Arbeitsplatz nicht. Einzuhalten sind aber die allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften. Demnach dürfen sich die Versicherten nicht durch Alkohol, Drogen oder andere berauschende Mittel in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können (Paragraf 15, 2, DGUV-Grundsätze der Prävention). Laut Bundesgesundheitsministerium gilt dies „für legale Drogen, illegale Drogen und Medikamente gleichermaßen und hat sich durch die Legalisierung von Cannabis nicht verändert“.

Gleichzeitig dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, nicht mit dieser Arbeit beauftragten (Paragraf 7, 2, DGUV-Grundsätze der Prävention). „Um Klarheit zu schaffen“, empfehlen die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen den Arbeitgebern daher, den Cannabis-Konsum am Arbeitsplatz über Arbeitsanweisungen oder Betriebsvereinbarungen zu untersagen. „Cannabis darf – genauso wie Alkohol und andere Drogen – bei der Arbeit keinen Platz haben“, sagt DGUV-Hauptgeschäftsführer Stefan Hussy.

Das Problem ist allerdings: Ob jemand Cannabis zu sich genommen hat, können Vorgesetzte oft weniger gut erkennen als den Konsum etwa von Alkohol. Außerdem baut sich der in Cannabis enthaltene Wirkstoff THC relativ langsam ab. Deshalb kann selbst bei einem Konsum an den Wochenenden „die Wirkung noch bis in den Arbeitsalltag anhalten“, wie die Unfallkasse Rheinland-Pfalz erklärt.

Wann bin ich nicht mehr versichert?
Die gesetzliche Unfallversicherung ist für die Arbeitnehmer kostenlos und übernimmt bei einem Arbeitsunfall verschiedene Leistungen, darunter die medizinische Behandlung, Reha-Maßnahmen und Rentenzahlungen – im Prinzip jedenfalls. Der Schutz besteht aber nicht, wenn der Cannabis-Konsum zu einem sogenannten „Leistungsausfall“ am Arbeitsplatz führt. „Hat eine versicherte Person berauschende Substanzen in so großen Mengen konsumiert, dass sie nicht mehr zu einer ernstlichen, dem Unternehmen dienenden Tätigkeit in der Lage ist (Leistungsausfall), so fehlt es an einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Ein sodann auftretender Unfall wäre der privaten Risikosphäre zuzuordnen und unversichert“, erläuterte eine DGUV-Sprecherin auf Anfrage.

Der Verband unterscheidet zwischen diesem „Leistungsausfall“ und einem „Leistungsabfall“. Ein Leistungsabfall liegt demnach vor, wenn die betroffene Person zwar in ihren Fähigkeiten eingeschränkt, aber noch zur Ausübung einer dem Unternehmen dienenden Tätigkeit in der Lage ist. In diesem Fall bestehe grundsätzlich Versicherungsschutz – der aber doch entfalle, wenn das auf den Cannabis-Konsum beruhende Verhalten „die rechtlich wesentliche Unfallursache ist“, so die Sprecherin. Als „rechtlich wesentlich“ ist es den Angaben zufolge zu werten, wenn das zum Leistungsabfall führende Verhalten für eine unter Cannabis-Einfluss stehende Person typisch ist und nicht auch andere Ursachen – wie etwa Übermüdung oder Nachlässigkeit – vorliegen können. Dies müsse jeweils im Einzelfall beurteilt werden, teilte die Sprecherin mit.

Haftet das Unternehmen für den Unfall?
Ist ein Arbeitsunfall auf Cannabis zurückzuführen, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber von der betroffenen Person oder der Unfallkasse in Regress genommen werden könnte, weil er diese Person nicht von der Arbeitstätigkeit abhielt. Allerdings ist die gesetzliche Versicherung gerade als Mittel der sogenannten Haftungsablösung konzipiert. Die Unternehmen sollen von möglichen Schadenersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freigestellt werden. Ein Regress gegen den Arbeitgeber komme daher nur in Betracht, wenn er grob fahrlässig – also dass er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt – oder vorsätzlich gehandelt habe, erläutert die DGUV. Auch hier komme es auf den Einzelfall an.

Was sagen Richter?
Nach einem Urteil des Sozialgerichts Osnabrück musste die Berufsgenossenschaft nach einem Unfall auf dem Arbeitsweg zum Betrieb Schadenersatz leisten, obwohl die verunglückte Person den Unfall selbst verschuldete und nachweislich Cannabis konsumiert hatte. Es wurde ein THC-Wert im Blutserum von 10 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) ermittelt. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall (Wegeunfall) ab, verlor aber vor Gericht gegen den Arbeitnehmer. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass es für Cannabis – im Unterschied zu Alkohol – keine gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung gebe und deshalb auch keinen Wert für die absolute Fahruntüchtigkeit.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne der Cannabis-Konsum nur dann als allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden, wenn ein THC-Wert von mindestens 1 ng/ml festgestellt wurde „und weitere Beweisanzeichen“ die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten belegten.

Allein ein „objektiv riskantes Verhalten“ reiche dafür nicht aus (Aktenzeichen S 19 U 40/18). Aber Achtung: Derzeit bereitet die Bundesregierung eine Gesetzesänderung vor, nach der erstmals ein THC-Grenzwert für den Straßenverkehr – voraussichtlich in Höhe von 3,5 ng/ml – festgelegt werden soll. Das könnte zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen.

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