Wirtschaft Am Kohle-Pranger

Zwar haben sich beide Konzerne in letzter Zeit als Klima-Mahner hervorgetan. Beide investieren nicht mehr in die Kohleindustrie. Aber sie versichern sie speziell in Polen.

Die Kohleindustrie steht in der Kritik wie kaum eine zweite, denn sie trägt zum Klimawandel durch die von ihr emittierten Schadstoffe bei. Die Vereinten Nationen (UN) werben deshalb für ein Neubauverbot von Kohlekraftwerken. Einige große Industrieländer haben sich vorigen November unter Führung von Kanada und Großbritannien zu einer Anti-Kohle-Allianz zusammengeschlossen. Deutschland glänzt durch Abwesenheit. Überdies sind große deutsche Versicherer an führender Stelle dabei, in Polen für den EU-weit größten Ausbau der nationalen Kohleindustrie zu sorgen. Das sieht zumindest die Kampagne Unfriend Coal (Kohleausstieg) so, an der Nichtregierungsorganisation (NGO) beteiligt sind. In ihrer aktuellen Studie Dirty Business (schmutziges Geschäft) stellt sie speziell Allianz und Munich Re an den Pranger. Das ist insofern überraschend, als beide Branchenriesen bislang eher im Lager der Klimaretter verortet waren. Der Rückversicherer Munich Re warnt seit Jahrzehnten wie kein anderer Konzern weltweit vor den Folgen des Klimawandels. Und die Allianz hat 2015 Kohlefirmen aus ihrem Investitionsportfolio ausgeschlossen. Beide versicherten aber den Ausbau der polnischen Kohleindustrie, kritisiert etwa die Umweltorganisation Urgewald, die auf deutscher Seite an der NGO-Kampagne beteiligt ist. Die Vorwürfe sind nicht aus der Luft gegriffen. Polens Kohleindustrie rüstet derzeit wie keine zweite in der EU auf. Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von gut zehn Gigawatt sind geplant, ein Drittel davon ist im Bau. Neue Minen für über eine Milliarde Tonnen Braunkohle sollen erschlossen werden. Ohne begleitende Versicherungspolicen wäre das nicht möglich, argumentieren die NGO. Auf die Allianz entfielen mindestens neun Verträge, auf die polnische Munich Re-Tochter Ergo Hestia mindestens zwölf. Die Allianz stehe an der Spitze eines Konsortiums zur Versicherung des EU-weit größten Kohlekraftwerksneubaus im polnischen Opole. Der deutsche Marktführer bestreitet das im Grundsatz nicht. Munich Re verweist auf ihre Tochter Ergo und deren Ableger Ergo Hestia. Der war 2017 maßgeblich an den überraschend guten Ergo-Geschäften beteiligt, hatte Munich Re-Finanzchef Jörg Schneider jüngst mitgeteilt. „Wir prüfen derzeit unser Engagement“, sagte eine Ergo-Sprecherin zu den Vorwürfen der NGO. Ob damit die Versicherung polnischer Kohlekonzerne auf den Prüfstand gestellt wird, ließ sie offen. Weniger wortkarg ist die Allianz. Man investiere zwar als Kapitalanleger nicht mehr in die Kohleindustrie, halte aber einen generellen Rückzug aus der Branche als Versicherer nicht für richtig, teilte der Konzern mit. „Daher werden wir auch in Zukunft Energie- und Bergbauunternehmen versichern.“ Allerdings werde seit 2014 jedes Projekt auf Umwelt- und Sicherheitsstandards geprüft. Die Einzelfallprüfung sei der bessere Weg als der generelle Ausschluss ganzer Sektoren. Zudem habe die Allianz als Investor bislang 4,6 Milliarden Euro in erneuerbare Energien wie Wind- und Solarparks gesteckt und engagiere sich so gegen den Klimawandel. Das belege nur, wie widersprüchlich das Verhalten des Versicherungskonzerns sei, kritisieren die NGO. Der Ausbau der polnischen Kohleindustrie werde das Klima angesichts der Laufzeiten von Kraftwerken auf Jahrzehnte hin belasten.

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