Karlsruhe Wishbone Ash zelebrieren im Karlsruher „Substage“ ihre eigene Vergangenheit

Andy Powell und Schlagzeuger Mike Tuscott.
Andy Powell und Schlagzeuger Mike Tuscott.

Selten schafft es eine Band, die Ende der Sechziger gegründet wurde und in den Siebzigern einen fast unglaublichen Höhenflug erleben durfte, noch eins draufzusetzen und mehr als ein halbes Jahrhundert später einen , zumindest in Deutschland, kommerziell erfolgreichsten Triumph einzufahren. Wishbone Ash ist dieses Kunststück gelungen.

Ihr aktuelles Album „Coat Of Arms“ erreichte Platz 22 in den hiesigen Charts, während ihre bekannteste Langspielplatte „Argus“ im Vorjahr ihren 50. Geburtstag feierte. Die Feierlichkeiten dafür mussten allerdings coronabedingt verschoben werden, so dass Sänger und Gitarrist Andy Powell, das einzig verbliebene Mitglied der Originalbesetzung, mit seinen Bandkollegen, Gitarrist Mark Abrahams, Sänger und Bassist Bob Skeat und Schlagzeuger Mike Truscott, erst jetzt auf Jubiläumstour gehen konnte, die ihn am Freitag auch ins Karlsruher „Substage“ führte.

Powell wird demnächst 73 Jahre alt

Powell, der am 19. Februar 73 wird, zeigte sich, spielfreudig, beweglich und äußerst gut gelaunt. Gleich mehrfach sprach er Leute vor der Bühne persönlich an und scherzte mit ihnen. Sein Publikum an diesem Abend bestand zu 90 Prozent aus Männern, die meisten davon nicht wesentlich jünger als Powell selbst. Wishbone Ash ist eben eine Kultband, deren Fanbase ihr jahrzehntelang die Treue gehalten hat und, sofern es die Gesundheit zulässt, stets vor Ort ist, wenn das Quartett wieder einmal irgendwo in der Nähe auftritt.

Schon lange vor Iron Maiden oder Thin Lizzy haben Ash den sogenannten Twin Guitar-Sound – auch Dual Lead Guitar-Sound genannt – erfunden und damit die Entwicklung der Rockmusik nachhaltig beeinflusst. Die Sache war jedoch mehr oder weniger dem Zufall geschuldet. Martin Turner und Steve Upton, die Gründer von Wishbone Ash, haben damals einen Gitarristen gesucht. Als sich Ted Turner und Andy Powell bewarben, wurden beide für gleich gut befunden und als Bandmitglieder aufgenommen. Die zwei spielten fortan nebeneinander-, beziehungsweise miteinander – das typische Markenzeichen von Wishbone Ash war geboren.

Viel neues Personal

Viel ist seither passiert, das Personalkarussell der Gruppe drehte sich oftmals rasend schnell. Andy Powell aber hielt durch. Seit nunmehr fünf Jahren ist Mark Abrahams der zweite Leadgitarrist auf der rechten Bühnenseite neben ihm, während Bassist Bob Skeat auf der linken Seite bereits seit 1997 der ruhende Pol des Ensembles ist. Ganz neu hinzugestoßen ist Mike Truscott an der Schießbude, der im Hintergrund solide, aber noch ein wenig schüchtern agiert.

„Heute ist eine ganz besondere Nacht“ verkündete Andy Powell, nach dem ersten dargebotenen Stück, dem Instrumental „In The Skin“ aus der LP „Nouveau Calls“ von 1987, „Wir spielen für euch das gesamte ,Argus’-Album – aber“ - fügte er hinzu, nachdem während seiner Worte lauter Jubel ausgebrochen war – „nicht jetzt. Zuerst wollen wir euch noch ein paar andere Songs vorstellen“. Sprach’s und schlug die ersten Akkorde von „We Stand As One“, einem Durchhaltesong aus „Coat Of Arms“ an.

Diese Nummer ist die erste Single aus dem Album. Zusammen mit dem Titelsong stellte sie die einzigen an diesem Abend gespielten Stücke aus neuerer Zeit dar. „Rock´n´Roll Widow“ und „Ballad Of The Beacon“ – beide aus „Wishbone Four“ – folgten, und dann begann die nostalgische Reise in die jungen Jahre der Band und ihrer Zuhörer: „Argus“, der Meilenstein in der Wishbone Ash-Geschichte, ließ von nun an Herzen höher schlagen. „Time Was“, „Blowin´ Free“, „Warrior“, „Throw Down The Sword“ und natürlich das unverzichtbare „The King Will Come“, ein Klassiker jagte den anderen.

Powells Stimme als einziges Manko

Die „neuen“ Leute machten dabei ihre Sache neben Andy Powell sehr gut und ließen keine Wünsche offen. Powell und Abrahams lieferten sich wahnsinnige Gitarrenduelle, Skeat und Truscott gaben den Rhythmus vor und taten, als ob sie schon ewig aufeinander abgestimmt wären. Einziger kleiner Wermutstropfen war der Gesang. Powell’s Stimme kommt hörbar nicht an die von Original Wishbone Ash-Sänger Martin Turner heran, reicht aber aus, um nicht enttäuschend zu wirken.

Der Stimmung im Saal tat dieses Manko jedenfalls keinen Abbruch, so dass sich die Bühnenakteure erst nach mehreren Zugaben, darunter das herausragende, aus einer Jamsession entstandene „F.U.B.B.“, in den verdienten Feierabend verabschieden durften.

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