Kultur Südpfalz Von der Gegenständlichkeit bis zur Performance

500 Kunstwerke von 250 Künstlern aus 25 Ländern präsentiert die Schau zur europäischen Kunst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM). Dabei werden bislang unerkannte Parallelen der Kunstentwicklung in West- und Osteuropa aufgezeigt.

Nichts weniger als einen neuen Blick auf die Entwicklung und die Strömungen der Kunst Europas zwischen dem Ende des Zweien Weltkriegs und dem Ausbruch der Studentenrevolte von 1968 will das ZKM mit seiner gewichtigen Ausstellung bieten. In enger Zusammenarbeit mit dem Palais des Beaux-Arts in Brüssel sowie dem Puschkin-Museum und dem Nationalen Zentrum für Museen und Ausstellungen Rosizo, beide Moskau, präsentiert die von ZKM-Chef Peter Weibel und Eckhard Gillen kuratierte Schau einen ungewohnte Akzente setzenden Blick auf die Kunstentwicklung dieser Zeit. Weibel bezeichnet das Ergebnis der Konferenz von Jalta von 1945, die dazu führte, dass Stalin in Osteuropa diktatorisch schalten und walten konnte, als eine „Auto-Amputation von Europa“. Die Schau will die politische Teilung in einen „guten, fortschrittlichen“ Westen und den auch künstlerisch-kulturell zurückgebliebenen Osten nicht stehen lassen, bietet auch einige Argumente zur Widerlegung dieser politisch bedingten These. Dem „Kalten Krieg“ und seinen Einfluss auf die Beurteilung oder auch nur Beachtung von Kunst im Osten - aus gutem Grund sieht die Schau Russland als integralen Bestandteil Europas – wird ein ganz anderes Bild der Kunstentwicklung entgegengesetzt. Die westliche Avantgarde mit ihrer Reaktion auf das Trauma des scheinbar allen Humanismus zerstört habenden Zweiten Weltkrieg wird in Bezug zu oftmals parallelen Entwicklung in Russland, Polen, der Tschechoslowakei und besonders des blockfreien Jugoslawien gesetzt. Viele Parallelen auf das Kriegs-Grauen und KZ-Greuel sind in Karlsruhe aus vergleichbaren künstlerischen Blickwinkeln in Ost und West nach Ende des Krieges zu sehen. Ob die Trümmer von Stalingrad oder Rotterdam, die Reaktionen wie beispielsweise die Skulptur „Zerstörte Stadt“ von Ossip Zadkine oder Hans Richters „Stalingrad“ , aber auch eines drohenden atomaren Armageddons unterschieden sich nach Kriegsende nur wenig: Das Trauma schlug sich in zuerst gegenständlich nieder. Zugleich war das Bewusstsein einer „Stunde Null“ in Ost und West gleichermaßen vorhanden, auch wenn infolge der sich entwickelnden sozialistischen Diktaturen im Ostblock die Künstler oftmals verschlungene Wege suchen mussten, sich den Forderungen eines „Sozialistischen Realismus“ zu entziehen. Nachdrücklich zeigt dies die Schau, dass russische, polnische, die Szene in Polen erweist sich als besonders reichhaltig, oder tschechische Künstler, solange sie nicht explizit politisch agierten, durchaus mit Abstraktion oder denen neuesten technischen Möglichkeiten arbeiten konnten. Dass beispielsweise die Computerkunst nicht in Westeuropa oder den USA erstmals zu erleben war, sondern in Zagreb, im damaligen Jugoslawien, unterstreicht diese These, ebenso die Anfänge von Film-Medienkunst, die erstmals in Montreal 1964 mit Beiträgen aus der Tschechoslowakei präsentiert wurde. „Kunst in Europa“ zeichnet, nicht immer leicht nachvollziehbar, eine Entwicklung von der kurzzeitigen realistischen Auseinandersetzung mit den Kriegsfolgen über die Abstraktion hin zur Dekonstruktion, Materialkunst und Performance nach. Zusammenhänge wie die der Hiroshima-Schattenmenschen zur Arbeitsweise von Ives Klein, der 1952 ein Jahr in Japan lebt, werden ebenso nachgezeichnet wie die Entwicklung von performativen Tendenzen bis hin zu der Aufbruchstimmung der Zero-Gruppe, aber auch der politischen Stellungnahme, die sich in den Agit-Prop-Tendenzen der 68er niederschlug. Mit 1968 und der Studentenrevolte ist für die Schau eine Zäsur, aber kein Ende erreicht. Info „Kunst in Europa 1945 – 1968“, ZKM Karlsruhe bis 29. Januar. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 10 bis 18 Uhr, am Wochenende 11 bis 18 Uhr. Eröffnung ist heute um 19.30 Uhr. |gt

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