Rheinpfalz „Systemfehler im Kassen-Ausgleich“

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SAARBRÜCKEN. Der Risikostrukturausgleich (RSA), der für einen fairen Wettbewerb unter den Krankenkassen in Deutschland sorgen soll, „leidet unter einem Systemfehler“. In dieser Überzeugung sieht sich Roland Engehausen durch ein Gutachten bestätigt. In dem Ausgleich müssten, so der Vorstand der IKK Südwest, auch die regional unterschiedlichen Ausgabenstrukturen berücksichtigt werden.

Gesetzliche Krankenkassen, deren Beitragszahler zu einem erheblichen Teil in Ballungsräumen wie der Rhein-Neckar-Region oder dem Saarland leben, sind nach Engehausens Worten gleich doppelt benachteiligt: Auf der Einnahmeseite profitieren sie durch den RSA nicht (mehr) von der Tatsache, dass der Anteil der Kassenmitglieder, die gut verdienen und deshalb auch mehr in den Beitragstopf einbezahlen, relativ hoch ist. Auf der Ausgabenseite fallen aber gerade in Ballungsräumen mit hohem Einkommensniveau auch höhere Ausgaben für die Behandlung der Versicherten an. Engehausen nennt dazu ein einfaches Beispiel: In Mecklenburg-Vorpommern belaufe sich der vertragliche Erstattungssatz der Innungskrankenkassen bei einer Haushaltshilfe auf 12,85 Euro pro Stunde. In Rheinland-Pfalz muss dagegen mit 29,03 Euro pro Stunde kalkuliert werden. Aber auch bei den großen Ausgabenblöcken wie der Krankenhausversorgung gebe es erhebliche Unterschiede. Der IKK-Südwest-Chef will zwar an dem Ausgleich der regional unterschiedlichen Kaufkraft auf der Einnahmenseite keineswegs rütteln: „Das will niemand.“ Aber seiner Meinung nach sei die Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgabenstrukturen im RSA „schlicht vergessen“ worden. Engehausen verweist auf ein aktuelles Gutachten der Professoren Volker Ulrich, Eberhard Wille und Gregor Thüsing. Deren Fazit: Beim Finanzausgleich zwischen den Kassen bestehe dringender Reformbedarf. Regional unterschiedliche Kostenniveaus würden maßgeblich durch Faktoren verursacht, die von den Krankenkassen nicht beeinflusst werden könnten. Diese Unterschiede müssten deshalb durch den RSA ausgeglichen werden. Das Gutachten war zwar vom bayerischen Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben worden. Die Kostenproblematik ist aber nach Engehausens Worten kein bayerisches Sonderproblem. Betroffen seien vor allem wachsende Ballungsgebiete wie beispielsweise München, Rhein-Neckar, Rhein-Main, das Rheinland oder Hamburg. Profitieren würden von der gegenwärtigen Situation ländliche Regionen insbesondere in Ostdeutschland oder im Westen beispielsweise Ostfriesland. Der IKK-Südwest-Chef plädiert denn auch nicht für einen Ausgleich zwischen Bundesländern, sondern auf Landkreis- und Stadtebene. Mit einem Regionalfaktor könnten die unterschiedlichen Kostenstrukturen zumindest teilweise berücksichtigt werden. Die gegenwärtige Situation benachteiligt laut Engehausen beispielsweise die IKK Südwest in der Größenordnung eines Millionenbetrages. Regional tätige Krankenkassen in den neuen Bundesländern oder in Niedersachsen würden dagegen stark profitieren. Ändere sich am gegenwärtigen Zustand nichts, würden Versicherte bei bundesweiten Kassen oder regionalen Kassen im Südwesten dauerhaft benachteiligt. „Die Höhe des Krankenkassen-Beitrags darf nicht länger vom Wohnort des Versicherten abhängen“, sagt der IKK-Südwest-Chef. Unterstützung erhält Engehausen vom saarländischen Gesundheits-Staatssekretär Stephan Kolling. Derzeit werden nach seinen Worten regionale Unterschiede sowohl auf der Nachfrageseite (zum Beispiel Arbeitslosenquote, Zahl der Pflegebedürftigen) als auch auf der Anbieterseite (Arztdichte, Zahl der Krankenhausbetten) beim RSA nicht berücksichtigt. „Hierdurch kommt es zu Verwerfungen.“ Die würden insbesondere solche Kassen treffen, die nur in Regionen mit zum Beispiel einer überdurchschnittliche Arztdichte vertreten seien. Die IKK Südwest betreut 650.000 Versicherte in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. | jüm

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