Kultur Südpfalz Streifzug durch Klaviermusik des 19. Jahrhunderts

Der Klavierabend mit Julien Gernay im Kulturzentrum La Nef am Montag im französischen Weißenburg zeigte die Bandbreite, die sich allein zwischen Beethoven, Mendelssohn und Liszt entfaltet.

In seinem Solorezital unternahm der belgische Pianist einen Streifzug durch die Klaviermusik des 19. Jahrhunderts. Dabei ging Gernay nicht chronologisch vor, sondern stellte das Rondo Capriccioso op. 14, anno 1827 von Felix Mendelssohn komponiert, an den Beginn. Hier übernahm das Stück die Rolle, die sonst eine Ouvertüre im Orchesterkonzert innehat. Gernay spielte das Rondo Capriccioso voller Esprit. Schnell und pointiert gab er das Rondothema, das an die quirligen Scherzi in Mendelssohns Orchesterwerken erinnert. Ludwig van Beethoven schrieb Anfang des 19. Jahrhunderts die Klaviersonate in Es-Dur, op. 31, unter Weglassung des eigentlich schon obligatorischen langsamen Satzes. Gernay unterstrich in seiner Interpretation den Ausdruck jugendlichen Überschwangs, der in den schnellen bis noch schnelleren vier Sätzen steckt. Den Kopfsatz musizierte der Pianist mit virtuoser Geläufigkeit, im lebhaften Scherzo setzte er die Kontrasteffekte gekonnt in Szene. Dem Menuetto verlieh Gernay eine schöne runde Tongebung und gesangliche Empfindung, durchbrochen von dezidiert gesetzten Akzenten. Das abschließende Presto con fuoco ging Gernay mit begeisternder Spielfreude an. Er zauberte aus diesem Satz ein furioses Tastenfeuerwerk in rasantem Tempo. Der zweite Teil des Abends war Franz Liszt gewidmet, der als Konzertvirtuose und Komponist dem Klavierspiel neue Möglichkeiten eröffnet hatte. Mit gebührender, aber nicht übertrieben großer Geste interpretierte Gernay die „Funérailles“. Durch dunkel grollende Akkordschläge und schnörkelloses Spiel illustrierte Gernay den feierlich-strengen Charakter dieser musikalischen Totenklage. Liszts Spezialität war die Um- und Ausarbeitung bestehender Werke anderer Komponisten. Für die „Soirées de Vienne – Valse Caprice“ griff Liszt auf zwei Walzer von Franz Schubert zurück. Das Ergebnis ist eine Walzerseligkeit mit einem Schuss Dämonie, beides vom Pianisten gekonnt ausgelotet. Aus dem ersten Band der „Années de Pelerinage“ für Klavier solo stammt das Stück „La Vallée d“Obermann“. Liszt hat sich vermutlich mit dem romantischen Romanhelden Obermann identifiziert, der an einer Mischung aus Langeweile und Weltschmerz leidet und Zuflucht in der Natur in den Schweizer Bergen sucht. Die innere Zerrissenheit dieser Figur spiegelte Liszt in seiner Vertonung. Gernay legte die Wiedergabe als spannende musikalische Erzählung an. Den Akkordschlägen im Bassregister verlieh er etwas Abgründiges, in der Oberstimme des Flügels zauberte er im Pianissimo zarte Träumereien, dramatisch aufgeladen erklangen die Akkordsprünge. Gernays Interpretation fiel so schillernd und vielgestaltig aus wie der Charakter des Romanhelden, der Liszt zu dieser Komposition inspiriert hat. Als Zugaben spielte er zwei ruhige Stücke: „Bruyères“ von Debussy und dann eine Rarität, ein kurzes Klavierstück von Richard Wagner. Gernay tritt am 3. September mit der armenischen Cellistin Astrig Siranossian auf. Am 4. September präsentiert der Pianist Vyacheslav Gryaznov ein Soloprogramm. Zum Finale des Musikfestivals am 6. September, 18 Uhr, musiziert das Ebène Quartett mit dem Cellisten Gautier Capucon.

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