Rheinpfalz Saftladen

Während eines Auslandssemesters 2005 in Schottland entdecken zwei Bonner Studenten Smoothies – püriertes Obst aus der Flasche. Zurück in der Heimat, gründen sie das Unternehmen True Fruits. Inzwischen sind sie in Deutschland Marktführer bei den Gesundheitsdrinks.

Oralverzehr – schneller kommst du nicht zum Samengenuss“ oder „Bei Samenstau schütteln“ steht auf der schmalen 250-Milliliter-Glasflasche. Der Inhalt: ein rötlicher Saft, gesprenkelt mit Chia. Ebenso zweideutig kommt die Frage „Vill du fika?“ auf dem gelben Smoothie daher. Dahinter verbirgt sich allerdings keine freundlich-direkte Einladung zum Beischlaf, sondern, ganz harmlos, zu einer Kaffeepause, nur eben auf Schwedisch. „#Einhornkotze“, „Pipi in die Hose“, „Bock auf Rumcola?“ – Flaschentexte wie diese sind, gemeinsam mit der Skala, die die Zutaten und ihren Anteil am Smoothie anzeigt, das Markenzeichen von True Fruits. Alle vier bis sechs Wochen denkt sich das Team einen neuen Satz Sprüche aus, erzählt Inga Koster, eine der drei Gründer des Unternehmens. „Das ist nicht immer leicht, denn wir trinken viel Wasser und wenig Sekt, auch wenn viele vermuten würden, dass das Gegenteil der Fall ist.“ Die Sprüche und Wortspiele sollen die Kunden unterhalten – gerne auch mal mit einem selbstironischen Blick auf das eigene Produkt, indem man dessen Aussehen mit Frittenfett vergleicht. Für manchen Spruch müssen die Macher auch Kritik einstecken. „Hast du schon mal einer hässlichen Freundin, die total lieb ist, ein Date besorgt?“ etwa kam bei Feministinnen nicht gut an. Zu lesen war der Spruch auf einem Smoothie aus Apfel, Banane, Cupuaçu und Vanille. Der schmeckt laut Koster bei Blindverkostungen immer am besten, verkaufte sich aber aufgrund seiner etwas, nun ja, unappetitlichen Farbe – der Vergleich mit dem Frittenfett kam nicht von ungefähr – nur mäßig. „Mit dem Spruch wollten wir zeigen, dass es auf die inneren Werte ankommt und man sich nicht von der Optik ablenken lassen sollte“, sagt Inga Koster. Die Frage, ob sie mit dem Flaschentext sexistisch sind oder jemanden beleidigen, habe sie daher für sich persönlich mit „Nein“ beantworten können. Dem Erfolg des jungen Unternehmens geschadet hat die Kritik jedenfalls nicht. 2015 verdreifachte True Fruits seinen Umsatz auf rund 30 Millionen Euro, 2016 steigerten Koster und ihre Kollegen den Umsatz um weitere 10 Millionen Euro. Angefangen hat alles 2005. Inga Koster, Jahrgang 1978, studiert damals gemeinsam mit Marco Knauf Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Während eines Auslandssemesters in Schottland lernen die beiden Smoothies kennen, zu einem dickeren, stückchenfreien Saft püriertes Obst, das es in handlichen Flaschen im Supermarkt gibt – „smooth“ bedeutet im Englischen glatt oder geschmeidig. Statt Kaffee flüssiger Obstsalat to go sozusagen. Die beiden sind begeistert, auch Koster, die, wie sie zugibt, Smoothies eher selten trinkt und Früchte lieber kaut statt trinkt. Zurück in Deutschland, klappern sie die Supermärkte nach Smoothies ab – vergebens. Also beschließen die Studenten, gemeinsam mit ihrem Kollegen Nicolas Lecloux, das trinkfertige Obst einfach selbst herzustellen und zu vermarkten. Von der Idee bis zur Umsetzung dauert es jedoch. Schließlich, erinnert sich Inga Koster, hatte keiner der drei Jungunternehmer Erfahrung in der Lebensmittelbranche. Mit Biologen und Chemikern experimentieren sie monatelang herum, um die passenden Rezepturen für das Flaschenobst zu finden. Das Ziel: Ein Produkt schaffen, das gesund ist – und zugleich cool und sexy, wie das Unternehmen auf seiner Homepage schreibt. Im Sommer 2006 ist es schließlich so weit: Das Trio gründet „True Fruits“, übersetzt „Wahre Früchte“, im November 2006 stehen die ersten vier Smoothie-Sorten im Supermarktregal. Das Motto: „no tricks“, keine Tricks. Bedeutet: In die Smoothies kommen nur Früchte, außer Schale und Kerne, keine Zuckerzusätze, Konzentrate, Farb- oder Konservierungsstoffe. Außerdem wird das verwendete Obst – zum Beispiel Mangos aus Indien, Cupuaçu aus Brasilien oder Äpfel aus Baden-Württemberg – in den Anbauländern reif geerntet, püriert und dann schockgefrostet nach Deutschland transportiert, wo es pasteurisiert, also kurz erwärmt wird. Dadurch halten sich die Smoothies gekühlt mehrere Wochen, aber Vitamine und andere Inhaltsstoffe bleiben erhalten, wie Koster betont. Das hat seinen Preis: Rund 2,50 Euro kostet die 250-Milliliter-Flasche. Bei der Verpackung setzen Koster, Knauf und Lecloux auf eine schlichte, klare Glasflasche. Zum einen, weil Glas geschmacksneutral ist und den Blick aufs Produkt erlaubt, zum anderen, weil es sich recyceln lässt. Oder umfunktionieren: Dass sich die Flaschen auch für Essig und Öl oder als Seifen- und Spülispender eignen und man aus ihnen Vasen, Lampen und Gewürzregale basteln kann, vermarktet True Fruits inzwischen bewusst, mit passenden Edelstahlaufsätzen für die Flaschen. Nicht nur der Inhalt, auch die Verpackung trifft offenbar den Nerv der Zeit, in der Essen zur Glaubensfrage und zum Statussymbol wird und Recyceln und Selbermachen wieder im Trend liegen. Im ersten Geschäftsjahr macht True Fruits einen Umsatz von 40.000 Euro. Doch die Konkurrenz schläft nicht, nach und nach kommen in Deutschland weitere Smoothies auf den Markt: von Chiquita, Granini, Valensina, sogar vom Marmeladen-Riesen Schwartau und vom Suppen- und Soßenhersteller Knorr. Dennoch wächst das kleine Bonner Start-up stetig, ist seit 2008 auch in Österreich und der Schweiz vertreten und baut seinen Marktanteil weiter aus, von 26 Prozent im Jahr 2010 auf 58 Prozent im Frühjahr 2016. Damit ist True Fruits Marktführer, inzwischen beschäftigen Koster, Knauf und Lecloux 21 Mitarbeiter. Viele Anbieter sind inzwischen wieder vom Smoothie-Markt verschwunden. Größter Konkurrent ist Innocent, dessen Flaschen passend zum Namen („Unschuldig“) ein niedliches Smiley mit Heiligenschein ziert. 1999 in England gegründet, gehört Innocent inzwischen zum Großteil zum Coca-Cola-Konzern und zählt 300 Mitarbeiter. Mit 260 Millionen Euro Umsatz ist Innocent Marktführer in Europa, die Produkte – auch Säfte und Kokoswasser – sind in 15 Ländern erhältlich. Smoothies von Innocent waren es unter anderem auch, die Inga Koster und Marco Knauf während ihres Auslandssemesters in Schottland tranken. Bei allem Erfolg: Auch bei True Fruits läuft nicht alles glatt. 2010 bringen die Bonner Säfte und sogenannte Crisps, gefriergetrocknete Obstchips, heraus. Beide Produkte nehmen sie bald wieder vom Markt, weil der erhoffte Absatz ausbleibt. Das sei natürlich schade, sagt Inga Koster. „Aber wenn etwas nicht funktioniert, ist es besser, einen Schlussstrich zu ziehen, als weiter Energie, Geld und Personal hineinzustecken.“ Nur entmutigen lassen dürfe man sich davon nicht, findet Koster und orakelt, dass gerade zwei Getränke in der Entwicklung sind, die auch ihr, der Smoothie-Verächterin, gut gefallen würden. Mehr verraten will sie nicht. Ob’s ankommen wird? Mal schauen. Große Marktanalysen oder Kundenbefragungen macht True Fruits laut Koster nicht, gute Ideen würden schnell umgesetzt. So kam es auch, dass der Bonner Saftladen vom Erfolg seines Green Smoothies überrascht wurde, in den neben Obst auch Gemüse wie Grünkohl, Spinat oder Rote Bete wandern und der sich nach dem „Purple“ am besten verkauft. „Das hat alle Erwartungen übertroffen.“ Und wie oft trinken die Macher selbst Smoothies? Das variiere stark, sagt Koster. Eine neue Variante werde oft geradezu inhaliert, nach einer Weile ebbe das aber ab. Einer der Mitarbeiter jedoch trinke täglich zwei Smoothies. Wobei auch Koster zugibt, dass man Smoothies eher als Nahrung und weniger als Getränk sehen und allein schon wegen des fruchteigenen Zuckers nicht literweise trinken sollte: Beim Smoothie „Yellow“ mit Orange, Mango und Maracuja zum Beispiel liegt der Brennwert bei 62 Kilokalorien und der Zuckergehalt bei 13,4 Gramm pro 100 Milliliter. Apropos Nährwerte und gesunde Ernährung: Wäre es nicht besser, sich einen Smoothie frisch in der Küche zu mixen statt einen fertigen aus dem Kühlregal im Supermarkt zu kaufen? Ja klar, gibt Koster unumwunden zu, Selbstgemachtes sei immer gut, nur fehle vielen heutzutage oft die Zeit und die Muße dazu. Auf der Homepage von True Fruits gibt es sogar ein paar Smoothie-Rezepte. Für den Fall, dass man mal wieder Lust auf „Früchte-und-Gemüse-kaufen-nach-Hause-tragen-waschen-schälen-schnippeln-mixen-saubermachen-und-wieder-aufräumen“ hat, sei selber mixen „ok“, heißt es da mit einem zwinkernden Smiley.

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