Rheinpfalz Rüstzeug fürs Roggenbrot in Rio

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„Dufte“ heißt die Bäckerei, die der Schwabe Ruben Luckert da Costa Tavares in Brasilien betreibt. Produziert wird nur auf Vorbestellung. Die Lieferung erfolgt frei Haus. Ein Pfund Brot deutscher Güte lässt sich in Rio gut und gern mit umgerechnet fünf Euro aufwiegen. Doch das brasilianische Backwerk soll noch an Qualität gewinnen. Rüstzeug und guten Rat für seine Klein-Bäckerei in Rio hat sich der ungelernte da Costa Tavares bei Meister Karl-Heinz Carra in Kissels Backstube geholt.

Als Backstube muss daheim in Brasilien bislang die Küche in der nicht eben großen Wohnung herhalten. Ein richtiger Bäckerofen und eine Teigknetmaschine – Dinge, von denen Ruben Luckert da Costa Tavares derzeit noch träumt. Doch die Investition zeichnet sich ab: „Geht ja nimmer andersch“, schwäbelt der Neu-Brasilianer mit portugiesischen Wurzeln. Die Kapazitäten sind erschöpft – jetzt steuert ein Jung-Unternehmer auf Expansionskurs. Was der 26-Jährige da in der brasilianischen Metropole so treibt, wäre in seiner Heimat undenkbar. Dass ein „Ungelernter“ zwar mit viel Leidenschaft, doch ohne jegliche Lizenz einfach den Backofen anwirft, mag ja noch angehen. Die Produkte aber professionell vermarkten, werben, produzieren, liefern, verkaufen: Das ist in Deutschland undenkbar. Zig Behörden-Leute hätten schon längst Sturm geklingelt, nach Gesellenbrief und Gewerbeschein verlangt, nach Brandschutz-Vorkehrungen und Berufsgenossenschafts-Zugehörigkeit gefragt. Im Südamerika läuft das anders. Da hindert kein Mensch den Auswanderer daran, seine Fertigkeiten einfach so zu Markte zu tragen. Im Gegenteil: Da zählen, kaum dass Luckert seine ersten Brote aus dem Ofen zog, schon das Goethe-Institut und die deutsche Botschaft zu seinen Kunden. „Er bringt vor allem eine Riesen-Motivation mit, wie man ja sieht“, bescheinigt Bäckermeister Karl-Heinz Carra seinem Seiteneinsteiger-Kollegen aus dem Schwabenland. Und Geschick habe der 26-Jährige zweifelsohne ebenfalls, ist der Inhaber vom Backparadies Kissel in Reichenbach-Steegen überzeugt. Er hat sich am Donnerstag in seiner Backstube eigens Zeit genommen für seinen Praktikanten, hat dem wissbegierigen 25-Jährigen so einige Tricks und Kniffe gezeigt, vermittelt, worauf es bei der Produktion vor allem ankommt. Dies ganz gezielt und praxisnah: „Hab’ mich natürlich extra auf den Besuch vorbereitet“, bekundet Carra lachend. Vor allem in Sachen Sauerteig sei der Jung-Unternehmer für Ratschläge dankbar. Denn auf diese gärende Grundlage setzt Luckert in allererster Linie. Roggenbrot in Rio – ein Renner. „Ich bin der einzige deutsche Anbieter“, sagt der Auswanderer. Freundin Roberta de Aragão Lopes sowie reichlich Lust aufs Backen hat er nach Deutschland mitgebracht. Nachts um ein Uhr hielt er denn auch gleich in die Backstube Einzug. Dass er ausgerechnet in Reichenbach Station gemacht hat, das kam nicht von ungefähr. Eine Fernseh-Reportage über den Betrieb, der seine Ware zu Kunden in der gesamten Republik und darüber hinaus verschickt, hat er im Internet gesehen. Da wollte er doch mal reinschauen. Im Frühjahr war bei Carra-Tochter Petra Kunz, der kaufmännischen Leiterin der Bäckerei, eine ungewöhnliche Anfrage ins elektronische Postfach geflattert. Aus Brasilien hatte jemand geschrieben, dass er leidenschaftlich gerne backe, seine Fertigkeiten aber noch höchst ausbaufähig seien, er gern bei seinem geplanten Heimaturlaub mal reinschnuppern wolle. Klar, dass der Gast willkommen war. Prompt war die Zusage in Richtung Rio abgesandt. Dass der aus der Nähe von Winnenden bei Stuttgart stammende Schwabe – Sohn einer deutschen Mutter und eines portugiesischen Vaters – in Brasilien gelandet ist, lässt sich ganz leicht erklären. Der Grund dafür begleitet ihn auf Heimaturlaub. Seine Roberta hat Ruben während der Fußball-Weltmeisterschaft an der Copacabana kennengelernt. „Ich hatte Zeit und habe, mehr aus Spaß, Caipirinhas verkauft. Sie ist gekommen, hat einen haben wollen, hat mich gleich als Deutschen erkannt“, erinnert sich Luckert. Das war im Sommer 2014, als er ein Auslands-Semester in Rio absolvierte. Ein Jahr später, im Sommer vergangenen Jahres, brach er die Zelte in Deutschland ab und siedelte über. Mit dem Studienabschluss als Produktgestalter („oder Industrie-Designer, wie es auch heißt“, erläutert er) in der Tasche, fand er in Rio keinen Job. Das war auch nicht unbedingt zu erwarten. Den Lebensunterhalt des Pärchens bestreitet hauptsächlich die als Architektin tätige Freundin – „noch“, wie Luckert grinsend und mit Optimismus sagt. Zum Backen hat ihn eins getrieben: Sehnsucht nach deutschem Brot. „Das hab ich dort nicht bekommen, habe es sehr vermisst. Also hab ich es selbst versucht“, erinnert sich der Schwabe an die Premiere. Schnell fand er Gefallen daran, brachte sich alles selbst bei, recherchierte, las, probierte. „Ich bin mit jedem Mal besser geworden“, freut er sich. Das war vor nicht mal einem Jahr. Bei einem Oktoberfest in Rio verkaufte er erstmals sein Brot. Weitere Auftritte folgten, Werbung läuft allein über „Social Media, wie alles in Brasilien“. So verbreitet Luckert nun, dass deutsches Brot zum Weltkulturerbe zählt, dass er selbst dieses Lebensmittel herstellt. Seither backt er auf Bestellung. Rekord bislang: 21 Einpfünder auf Sauerteig-Basis, dazu vier Kuchen; Apfel- und Käsekuchen. „Dufte“ nennt er sein Unternehmen. Das stehe für duftende Frische, für Qualität, aber auch für Nachhaltigkeit. Und da ist Luckert eisern. Ausgeliefert wird im Großstadt-Dschungel Rios – nicht nur, weil es praktisch ist – ausschließlich mit dem Fahrrad.

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