Rheinpfalz Kommt ein Pfälzer ins Saarland ...

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Am Freitag erinnert sich das Saarland an die Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955. Zehn Jahre nach Kriegsende stimmten 67,7 Prozent der Saarländer gegen einen europäischen Status ihres Landes und für den Beitritt als elftes Bundesland zur Bundesrepublik. Frankreich verhinderte damals eine einfache Vergrößerung von Rheinland-Pfalz um das Saargebiet. 60 Jahre danach befragten wir den Kabarettisten Detlev Schönauer zum Verhältnis von Saarländern und Pfälzern. Seine Antwort: Sie necken sich, weil sie sich im Grunde lieben.

Herr Schönauer, gibt es eine tiefsitzende Angst der Saarländer vor den Pfälzern?

Nicht mehr, aber sie gab`s. Inzwischen ist es so eine Art neckische Hass-Liebe. Und es gibt eine Konkurrenz, das ist klar. Sie beflügelt manches. Die Angst, die es einmal gab, stammte, wie ich es verstehe, aus der Zeit des Naziregimes, als nach der Angliederung 1935 neben Gauleiter Bürckel auch alle Machtposten von Pfälzern im Saargebiet besetzt wurden. Von damals stammt der Satz: „Uff die Beem, die Pälzer komme.“ Und ursprünglich auch die Pfälzerwitze. Aber längst haben sich Saarländer und Pfälzer aneinander gewöhnt. Es ist natürlich übertrieben, wenn ich sage: Lieber arbeitslos im Saarland als schaffe in de Palz. Also keineswegs Kain und Abel? Nein, kein wirklicher Hass, wie er sich anderswo gehalten hat, etwa zwischen Württembergern und Badenern oder auch Kölnern und Westfalen. Saarländer wie Pfälzer sind unheimlich offene, liebenswürdige Menschen. Im Grunde sich sehr, sehr ähnlich. Die einen trinken halt Bier, die anderen Wein. Klore Leit, hier wie da. Was macht für Sie den Saarländer aus? Da darf ich ja jetzt nix Negatives sagen. Aber ich sage immer: Der Saarländer isst gut, trinkt gern und schafft nix, nach dem Motto: Hauptsach gudd gess, geschafft hann mir schnell! So habe ich das gelernt, als ich 1973 ins Saarland kam. Und er hat diese wirklich außergewöhnliche Eigenschaft zu „organisieren“. Das kommt aus der Kohle- und Stahlzeit, als es hieß: „Unser Grub, unser Hitt , unser Material.“ Und: „Ich hann dies oder jenes mitgenommen, dann weiß ich auch wo es ist und es kommt nicht fort.“ Die Saarländer haben in Manchem bis heute einen bemerkenswerten Mangel an Unrechtsbewusstsein. Auf der Bühne sage ich: „Gott gab den Saarländern nur neun Gebote. ,Du sollst nicht stehlen’ kam jedenfalls nicht an.“ Pardon, der Saarländer stiehlt nicht. Er hat nur den Hang, sich Allgemeingut zu organisieren. In dieses Jahr fallen die runden Jahrestage der Saarabstimmungen von 1935 und 1955 … Übrigens, als Belohnung für 1935 spendierte Hitler das Staatstheater, für 1955 gab`s von Bonn die Saarlandhalle. Deshalb sind wir ja schon alle so gespannt, was es als Nächstes gibt. Sie sprechen die Situation des Haushaltsnotlagenlandes an. Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer beschwört jede neue Sparrunde als Kampf um die Eigenständigkeit des Bundeslandes Saarland. Was würde Deutschland eigentlich verlieren, wenn es das Saarland nicht mehr gäbe? Na ja, etwas, über das man gerne schmunzelt. Deutschland, das merke ich, wenn ich weiter weg spiele, in Berlin oder Hamburg eben, lacht sehr gerne über Saarländisches. Und, das ist interessant, jeder kennt auch einen Saarländer. Damit meine ich jetzt nicht Oskar Lafontaine oder Heinz Becker, sondern einen realen. Was daran liegt, dass die Saarländer immer irgendwo die Finger drin haben. Ohne das Saarland würde etwas fehlen. Die Saarländer sind doch sehr eigen, das meine ich durchaus positiv. Das „Savoire vivre“, jetzt als „Saarvoire vivre“ mit zwei A geschrieben, diese Lebenslust, das ist keine Erfindung, sondern das reale Leben an der Saar. Zurück zum Gedenktag 23. Oktober 1955, Saar-Referendum mit der Folge der Gründung des elften, des jüngsten Bundeslandes vor der großen deutschen Wiedervereinigung 1990. Jetzt mal reine Fiktion: Was wäre, würde Frankreichs Präsident Hollande zur Bundeskanzlerin sagen: „Chère Angela, die Saarfrage ist für mich noch offen, lass uns noch mal eine Abstimmung machen.“ Was würde Hollande beim Saarländer heute ernten? Ein klares Nein. Der Saarländer guckt doch, wo sein Vorteil liegt. Er nutzt natürlich die Grenznähe, um in Frankreich gut und anders einzukaufen. Früher auch, um gut zu essen, aber mittlerweile haben wir im Saarland ja mehr Sterneköche als in Lothringen. Er nutzt auch die Grenznähe zu Luxemburg, zum Tanken und Zigaretten kaufen. Aber Franzosen wollten die Saarländer auch heute wohl kaum werden. Und zwar allein aus wirtschaftlichen Gründen – lieber deutsches Bundesland als ein zweites Lothringen. Ist es eigentlich entschieden, dass ihre Figur Jacques, der aus Paris stammende Kneipenwirt und Saarländer-Versteher, im Saarland bleibt? Ja sicher, er fühlt sich hier sauwohl, und er ist ja mit einer Saarländerin verheiratet, hat „Seins“. Ich sage immer: Misch-Ehen enden immer im Saarland. Weil jede Saarländerin sagt: „Entweder kommsch`d bei mich oder Du bleibschd, wo de Peffer wächst.“ Saarländer sind unheimlich bodenverwachsen, viel, viel mehr als alle anderen deutschen Völker. Zum Schluss: ein Pfälzerwitz. Auf der A 6 kommt es zu einem schweren Verkehrsunfall. Ein Saarländer stirbt, der Pfälzer überlebt schwer verletzt. In der Uniklinik stellen die Ärzte fest, dass sie dieselbe Blutgruppe haben. „Ei dann könne mer dem Pälzer jo dess Ohr vom Saarländer annähen.“ Am folgenden Tag erfährt der Operateur: Auch der Pälzer ist verstorben. Das saarländische Ohr hat den Pälzer abgestoßen. Info Mit einem Bürgerfest am Freitagabend und den ganzen Samstag vorm Staatstheater in Saarbrücken erinnert das Saarland an die Volksabstimmung von 1955, die dem Beitritt zur Bundesrepublik 1957 vorausging. Nach einem Festakt um 18.45 Uhr im Theater, eröffnet Bundeskanzlerin Angela Merkel das Fest mit Musik, Infoständen und Unterhaltung. Unter anderem spielt die Band Elaiza. Programm im Internet: www.saarland.de

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