Rheinpfalz Küche Gazianteps an den Rhein gebracht

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Mannheim. Hayri Kartal war 23 Jahre alt, als er nach Deutschland kam. In seinem Restaurant „á la Turque“ hängt ein Foto von ihm, das an seinem ersten Tag in dem fremden Land aufgenommen wurde. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Die hat Hayri Kartal auch dazu genutzt, den Menschen in der Region die türkische Küche näherzubringen. Denn auf die ist er sehr stolz.

„Ich stamme aus Gaziantep“, erzählt Hayri Kartal. „Und die Küche von Gaziantep ist in der ganzen Türkei bekannt.“ Tatsächlich stammen viele kulinarische Spezialitäten aus der Region Südostanatolien, die vor allem für ihre qualitativ hochwertigen Pistazien bekannt ist. „Das Baklava dort ist das beste der Türkei“, schwärmt Kartal. In seiner Jugend sei Gaziantep – heute die Partnerstadt von Ludwigshafen und mit 1,8 Millionen Einwohnern die sechstgrößte Stadt der Türkei – allerdings ein verschlafenes Nest gewesen, sagt der Gastronom. Deshalb zog es Kartal bereits mit 15 Jahren ins kosmopolitische Istanbul. Dort begann seine gastronomische Karriere zunächst in der Spülküche. Doch der heute 66-Jährige arbeitete sich beharrlich nach oben: Er wurde Kellner, dann Oberkellner und sammelte zudem Erfahrungen in der Küche – vor allem im Back- und Fleischbereich. Von all dem Erlernten profitiert Kartal heute noch. Sein Fleisch beint er immer noch selbst aus. „Da lasse ich keinen Anderen ran“, sagt er lachend. In mehreren gehobenen Restaurants in Istanbul habe er gearbeitet, erzählt er weiter. Der Liebe wegen kam er schließlich 1972 nach Deutschland, allerdings gab es kein Happy End. Doch nun war Hayri Kartal schon mal da und wollte das Beste daraus machen. Mehrere Jahre arbeitete er in Mannheim bei Mercedes Benz bis er genug Geld zusammen hatte, um seinen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Restaurant. Das eröffnete am 31. Mai 1980 in Viernheim. „Antep“, so der frühere Name Gazianteps, taufte Kartal dieses. „Als Erinnerung an meine Heimat“, wie er sagt. Türkische Küche war bis dahin auch in Viernheim nicht sehr bekannt. „Heute kennt jeder das Dönerfleisch am Spieß, damals war das eine große Attraktion“, erinnert sich Hayri Kartal. Sogar Kindergartengruppen seien vorbeigekommen, um sich das anzusehen. Bei einem Urlaub in seiner Heimatstadt lernte er seine heutige Frau Ziynett kennen. Doch für die Familie blieb Kartal kaum Zeit, die Arbeit im Restaurant vereinnahmte ihn zu sehr. Irgendwann sei er einfach nur ausgelaugt gewesen, erinnert sich der 66-Jährige. Er beschloss, das Restaurant zu verkaufen und sich eine Auszeit zu nehmen. Doch die Gastronomie ist Hayri Kartals Leidenschaft. Deshalb war er bald wieder auf der Suche nach Räumlichkeiten für ein neues Restaurant. In Mannheim wurde er fündig. 1990 öffnete das Restaurant „á la Turque“ in der Friedrich-Ebert-Straße auf Höhe der Turley-Barracks seine Pforten. Eigentlich wollte der Gastronom das Restaurant „á la Turca“ nennen, doch dann kam der Zufall zu Hilfe: „Der Mann, der das Schild machen sollte, hatte die Idee mit dem französischen Namen. Ich fand das sehr gut und habe spontan zugestimmt.“ Die vielen türkischen Schnellimbisse, die es mittlerweile in der Mannheimer Innenstadt gibt, sind eine gewisse Konkurrenz, allerdings ist die Speisekarte im „á la Turque“ wesentlich ausgefeilter. Hier finden sich neben den obligatorischen Fleischgerichten auch die vielen kleinen warmen und kalten Vorspeisen, für welche die mediterran-orientalische Küche so berühmt sind. An den Wänden des Lokals hängen neben Bildern von Istanbul auch eingerahmt alte Zeitungsausschnitte, die an die Anfangszeiten des „Antep“ und des „à la Turque“ erinnern, und Bewertungen von Gastro-Zeitschriften. Ziynett und Hayri Kartal führen das Restaurant ohne Unterstützung. Gemeinsam kochen sie und bedienen ihre Gäste. Bei großen Reservierungen bitten sie ihre vier Kinder um Hilfe. „Die haben alle einen anderen Beruf, von ihnen wird niemand das Restaurant übernehmen“, weiß Kartal, der aber Verständnis dafür hat, dass seine Kinder andere Wege eingeschlagen haben. An Ruhestand denkt er selbst noch nicht: „Ich werde das machen, solange ich es gesundheitlich kann.“ Die Serie Essen verbindet. Und weil das schon immer so war, ist der Besuch eines ausländischen Restaurants doch eine wunderbare Möglichkeit, sich der Kultur eines Landes zu nähern. In unserer Serie „Wirtsgeschichten“ wollen wir Menschen vorstellen, die ihre Heimat verlassen haben, um in Mannheim ein Lokal zu eröffnen.

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