Rheinpfalz Im zweiten Wohnzimmer

Mannheim. Der Herzogenriedpark ist die kleine Schwester des Mannheimer Luisenparks. Charlotte ist die kleine Tochter von RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Vera Barth. Zusammen besuchen Mutter und Kind regelmäßig den Herzogenriedpark in der Neckarstadt-Ost. Weil er viel zu bieten hat für beide – vor allem Erholung und ein bisschen Landluft in der großen Stadt.

Es gibt Entscheidungen, die trifft man ganz bewusst und voll inbrünstiger Entschlossenheit. Als sich vor knapp drei Jahren meine Tochter Charlotte ankündigte, war für mich klar: Ich ziehe nicht ins Grüne, in einen Vorort oder gar aufs Land. Ich bleibe auch mit Kind in meiner Drei-Zimmer-Wohnung in der Mannheimer Neckarstadt, fröne dem Lieblings-Klischee, das über Stadt-Mütter verbreitet wird und schlürfe Latte macchiato mit Säugling auf dem Arm in gemütlichen kleinen Cafés. Inzwischen ist meine Tochter gut zwei Jahre alt und ein Café habe ich gefühlt seit Monaten nicht mehr von innen gesehen. Keine drei Minuten bleibt das Herzkind auf einem Stuhl sitzen, geschweige denn, dass sie mir Zeit lässt, einen Kaffee zu trinken, ohne dass ich ihn noch brühendwarm herunterstürzen müsste. Die To-Go-Variante ist jetzt mein bester Freund und wird an den Ort mitgenommen, der zu meinem zweiten Wohnzimmer geworden ist: der Herzogenriedpark mit seinen 21 Hektar Natur, verwinkelten Ecken zwischen Rosensträuchern, Tieren zum Anfassen, Spielplätzen auf denen man durch Höhlen kriechen, auf Seilkonstruktionen klettern und im Wasser Pirat spielen kann. Seit der Bundesgartenschau 1975 existiert der Park in seiner heutigen Form, immer ein bisschen im Schatten seines großen Gegenstücks, dem Luisenpark. Dabei hat der Park im Stadtteil Neckarstadt-Ost, südlich der Herzogenried-Siedlung seinen ganz eigenen Charme, betont Alexandra Wind, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Anlage. „Das Konzept ist sehr naturnah und ursprünglich angelegt. Es findet sich zum Beispiel viel alter Baumbestand, ein Bauerngarten und ein idyllischer See.“ 300.000 Besucher hatte der Park im vergangenen Jahr. Ich bin, wie man in moderner Marketingsprache sagen würde, ein „Heavy User“. Seit Geburt meiner Tochter besitze ich eine Jahreskarte und statte dem Park mindestens zweimal die Woche einen Besuch ab. Zu Beginn, um mit Kinderwagen meine Runden zu drehen und trotz aller Überzeugung der Hektik des Stadttreibens zu entkommen. Heute, um meiner Tochter beim Bauen von Sandburgen, Bezwingen von Rutschen und Aufstellen von Schaukelrekorden zur Seite zu stehen. Die Wege sind kürzer, der Spielbereich sehr viel konzentrierter als im Luisenpark. Ideal wenn man mit Kleinkind unterwegs ist, das zwar gerne, aber selten zielgerichtet läuft. Vom Trampolin zu den Schaukeln und wieder zurück zum Tunnelspielplatz ist es nur ein Katzensprung. Der Herzogenriedpark verändert sich mit den Bedürfnissen, die man an ihn stellt. Wenn ich meinen Blick schweifen lasse, kann ich sehen, was der Park für mich in fünf, zehn oder 30 Jahren sein könnte. Während meine Tochter die Aschebahn für Läufer im Park als Rennstrecke für ihr Laufrad missbraucht, beobachte ich eine Gruppe Jugendlicher beim Fußballspielen auf der inneren Rasenfläche. Der Herzogenriedpark bietet viele Möglichkeiten zur körperlichen Ertüchtigung. Neben der Laufstrecke gibt es noch eine Boule-Anlage, Tennis- und Basketballplätze und als Besonderheit einen Trimmparcours. Zehn Outdoor-Fitnessgeräte an unterschiedlichen Stationen laden zum Trainieren unter freiem Himmel ein. Sobald das Tochterkind in dem Alter ist, in dem sie auch einmal alleine die Spielplätze unsicher machen kann, könnte ich hier hervorragend wieder Sport treiben. Und noch später? Wenn Charlotte ganz aus dem Haus sein wird? Dann geht es mir vielleicht wie Giesela und Willi Köhler. Die beiden Rentner kommen fast täglich in den Park. „Bei gutem Wetter nehmen wir auch gerne ein Buch oder die Zeitung mit und genießen die Ruhe“, erzählt der 81-jährige Willi Köhler, der es sich mit seiner Frau gerade auf einer der vielen Holzbänke im Rosarium im Süden des Parks bequem gemacht hat. Über 100.000 Rosen können an dieser Stelle bewundert werden. Kleine, umwitterte Holzpfade schlängeln sich durch die Rosenbeete. Ein wild romantisches Refugium der Ruhe und einer der Lieblingsplätze der Köhlers. Vielleicht werde ich ohne Kind aber auch eines der vielen Konzerte besuchen, die jedes Jahr im Park stattfinden. 1988 wurde dafür die Konzertmuschel errichtet mit Platz für 600 Zuschauer. Oder ich werde wieder einmal bei den Tieren des Bauernhofbereichs vorbeischauen und den Zackelschafen und Wollschweinen dankbar dafür sein, dass auch mein kleines Stadtkind einen Hauch Landluft schnuppern durfte.

x