Rheinpfalz Hellseher, Erdölhändler und ein erster Star der SPD

Mannheim. Mit 33 Sonderveranstaltungen wartet das Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte ab September bis Juli 2015 auf. Von den Jahrestagen der beiden Weltkriege bis zur Bedeutung der Pathologie für die Stadt wird dabei die Geschichte Mannheims wieder aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet.

In einem leichten Grünton kommt das Jahresprogramm diesmal daher. „Das ist schon eine leichte Anspielung auf den Tag der Stadtgeschichte am 14. März“, erklärte Institutsleiter Ulrich Nieß verschmitzt. „Dabei rücken wir nämlich die Bundesgartenschau von 1975 in den Mittelpunkt.“ Ansonsten behandeln Vorträge, Führungen und Diskussionen wieder ein breites Spektrum der Stadtgeschichte. „Wir schneiden dabei auch einige überraschende Themen an“, versprach Nieß und verwies als Beispiel auf den 25. Februar und den Vortrag „Die Lehre von den Krankheiten – Mannheimer Pathologie im Wandel der Zeit“. „Mannheim hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Vorreiterrolle bei der Professionalisierung dieses Medizinzweigs“, erklärte er dazu. Anhand der Untersuchungsberichte könnten beispielsweise Rückschlüsse auf die Gesundheit der Stadtbevölkerung geschlossen werden. Außerdem seien die Protokolle zahlreicher Suizide im Zweiten Weltkrieg erhalten. „Das ist sehr spannend, aber auch tief erschütternd“, so der Stadtarchivar. Einen echten Wirtschaftskrimi stellt der Vortrag „Kampf ums schwarze Gold“ am 20. Mai in den Mittelpunkt. Es geht um die Auseinandersetzung eines Mannheimer Petroleumhändlers gegen das amerikanische Ölimperium Standard Oil von John D. Rockefeller. „Es wird heute häufig vergessen, dass Mannheim Ende des 19. Jahrhunderts ein Zentrum des Erdölhandels war“, sagte Nieß dazu. Die Briefwechsel von Hedwig Eppstein, der Lebensweg von Sozialpolitikerin Hedwig Wachenheim oder die Erfolgsgeschichte von Carl und Anna Reiß sind im Veranstaltungszeitraum ebenso Themen wie der Mannheimer Hellseher Arthur Orlop, der Mitte der 1970er Jahre bundesweit für Furore gesorgt hatte. Im Herbst stehen zunächst jedoch das 20. Jahrhundert und die beiden Weltkriege im Vordergrund. Zum Auftakt der Serie am 3. September rückt an seinem 100. Todestag der Mannheimer Reichtagsabgeordnete Ludwig Frank in den Mittelpunkt. „Er war für Mannheim im Ersten Weltkrieg eine Schlüsselfigur“, begründete Nieß. Frank sei einer der wenigen Reichtagsabgeordneten gewesen, die selbst in den Krieg gezogen seien, und dessen Tod auf dem Schlachtfeld die Frage aufgeworfen habe, was er als einer der kommenden Stars der SPD noch alles hätte erreichen können. Als Veranstaltungsort für den Frank-Vortrag wurde bewusst das Jüdische Gemeindezentrum ausgewählt. „Geschichte 2.0“, die gemeinsame Veranstaltungsreihe mit der Mannheimer Abendakademie, hat hingegen die Auswirkungen der Kriegsereignisse bis in die heutige Zeit im Fokus. Außerdem feiert das Mannheimer Architektur- und Bauarchiv heuer sein 25-jähriges Bestehen. Ursprung dessen sei der Versuch des damaligen Baubürgermeisters Niels Gormsen gewesen, die im Zweiten Weltkrieg verschütt gegangenen Bauunterlagen wieder zu beschaffen, erläuterte Mitbegründer Peter Plachetka. Zum Jubiläum solle der längst vergriffene Band mit Mannheims herausragenden Bauten seit 1606 wieder aufgelegt und fortgeschrieben werden, kündigte er an. „Denn Bauen ist steingewordener Zeitgeist“ – und damit ein weiteres interessantes Erkundungsfeld für das Stadtarchiv. (env)

x