Rheinpfalz Golfplatz als Kontaktbörse

HEIDELBERG

. Bis auf seine neongelben Sneakers wirkt Winfried Rothermel unauffällig. Mäzen Dietmar Hopp sagt über ihn, er sei „der größte Netzwerker der Region“. Doch Rothermel spricht leise, bewegt sich ruhig und frei von jeglicher Hektik, als er im Eingangsbereich seiner Firma abcdruck in Heidelberg-Wieblingen steht. „Zeit für eine Pause. Ich habe Hunger“, sagt er. Ein Handy klingelt, als er in Richtung Parkplatz geht. Rothermel greift in seine Hosentasche, schaut auf ein Smartphone und steckt es zurück. Aus der anderen Tasche zieht er ein sehr, sehr altes Handymodell, nimmt ab und steigt nach einem kurzen Gespräch in seinen Sportwagen. Winfried Rothermel ist 68 Jahre alt. Im Jahr 2001 übernahm seine Familie die Heidelberger Druckerei, die er heute gemeinsam mit Tochter Nathalie leitet. Etwa 10.000 Kundenaufträge pro Jahr werden hier abgewickelt. Aufgewachsen ist Rothermel in einer Bäcker-Familie in Östringen (bei Wiesloch). Das frühe Aufstehen war ihm in die Wiege gelegt. Jeden zweiten Tag steht er um 6 Uhr auf und geht joggen. Die Fahrt zum Italiener ist kurz. Man kennt Rothermel hier im Feinkostladen – er sitzt an einem Hochtisch, alle fünf Minuten setzt sich ein anderer zu ihm und begrüßt „Winni“. Gesprochen wird über alles Mögliche. Manchmal über das Essen, oft über Geschäfte und ganz oft über Fußball. Rothermel zieht sein Handy und nimmt eine Sprachmemo auf. Empfänger: Jogi Löw. Er ist einer von weit über 4000 Kontakten, die der Netzwerker in seinem Handy gespeichert hat. Löw habe er schon lange gekannt, ehe er Fußball-Bundestrainer wurde. Während seine Pasta abkühlt, schüttelt er Hände. Kürzlich nahm sogar der Dalai Lama seine Hand. Er hielt einen Vortrag in Frankfurt und Rothermel war mit einem befreundeten Arzt, der den Dalai Lama einst akkupunktierte, vor Ort. Wie es war? „Seine Hand ist unglaublich weich“, erzählt der Unternehmer. Wesentlich härter dürften die Hände von Wladimir Klitschko sein. Eine langjährige Freundschaft gründe in dessen ersten Golfversuchen. „Wladimir schlug die Bälle mit unglaublicher Kraft. Seine Abschläge waren Wahnsinn.“ Aber offenbar noch nicht allzu präzise. „Ich habe mich damals darauf konzentriert, seine Bälle wieder einzusammeln“, sagt er. Im Mai 2013 fand das offizielle Wiegen vor dem großen WM-Boxkampf zwischen Klitschko und Francesco Pianeta in den Räumen von abcdruck statt – ein Coup. Die Werbewand steht noch heute dort. 1968 hat er Dietmar Hopp in Östringen kennengelernt. Noch bevor dieser mit vier Kollegen das Softwareunternehmen SAP gründete. Durch ihn knüpfte Rothermel – unter anderem auf dem Grün – viele Kontakte. Mit dem Hoffenheimer Mäzen verbindet ihn bis heute eine tiefe Freundschaft, die Liebe zum Fußball und zum Golf. Seinen beruflichen Erfolg führt der Sportverrückte darauf zurück, dass er nie abgehoben sei, sich schrittweise einen Kundenstamm aufgebaut habe und breit aufgestellt sei. Zur abc-Mediengruppe gehört neben abcdruck auch abcmedien, ein Dienstleister auf dem Gebiet der Neuen Medien, und der abcverlag. Einen heutigen Geschäftstermin verlegt der Unternehmer – nach einem knappen Telefongespräch – in den Hof des Italieners. Den Geschäftspartnern, die einen Kalender in seinem Unternehmen drucken lassen wollen, gefällt die Idee. Seine offene Art kommt an. Doch wie kann einer wie Rothermel so entspannt wirken? Einst sei er mit Freund Franz Beckenbauer in England aus einem Wagen gestiegen und Dutzende Fans warteten. Alle wollten ein Autogramm vom Kaiser – und alle bekamen eines. Ohne Murren. Als er in einer ähnlichen Situation mit Fußballtrainer Winfried Schäfer war, meinte der später entnervt: „Was für ein Stress!?“ „So ist das eben, für den einen ist es Stress, für den anderen das Gegenteil“, sagt Rothermel. Seine vielen Kontakte lassen sich unmöglich regelmäßig pflegen. Deshalb veranstaltet er einmal jährlich ein Spektakel, zu dem er seine sämtlichen Bekannten einlädt. Es sind die heimlichen Großveranstaltungen der Rhein-Neckar-Region, bei denen viele Prominente auftauchen. Ob das Netzwerken letztlich der Schlüssel zum beruflichen Erfolg ist? Sieben Menschen sitzen inzwischen an seinem Tisch, als er antwortet: „Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist es eine meiner Lieblingssportarten.“

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