Kultur Südpfalz Götter, Helden und Getöse

Mit einem Großprojekt beschließt Hansgünther Heyme seine elfjährige Intendanz in Ludwigshafen. Nach dem gemeinsam mit der Oper in Halle produzierten „Ring“ hat er sich dafür das 4000 Jahre alte Versepos „Gilgamesch“ ausgesucht. Bei Bühnenbild und Kostümen hat diesmal das Pfalztheater geholfen, auf der großen Bühne im Theater im Pfalzbau stehen ansonsten lauter Laien.

Zur Eröffnung des Festivals „Theater der Welt“ im Mai in Mannheim wollte Nicolas Stemann eigentlich die Bibel mit 100 Darstellern auf die Bühne bringen. Der Regisseur hat sich dann rechtzeitig eines Besseren besonnen und sich mit einem neuen Text von Elfriede Jelinek und einem kleinen Laienchor aus Migranten begnügt. Die Hauptrollen übernahmen professionelle Schauspieler. Hansgünther Heyme hatte sich nun ein ähnlich ambitioniertes Projekt vorgenommen, und er hat die Sache durchgezogen, mit 40 Laiendarstellern aus der halben Metropolregion, mit denen der Regisseur und seine Helfer neun Monate lang geprobt haben. „Gilgamesch“ ist ein 3000 Verse umfassendes Epos aus babylonischer Zeit, vermutlich das älteste literarische Werk der Menschheit, gefunden auf zerbrochenen Tontafeln im Schutt der Stadt Ninive und erst im ausgehenden 19. Jahrhundert übersetzt. Erzählt wird die Geschichte des legendären Königs Gilgamesch von Uruk, der seine Pflichten vernachlässigt und dem die Götter deshalb den Naturmenschen Enkidu zur Seite stellen. Aber nun gehen die Freunde gemeinsam auf Abenteuerreise, holzen einen heiligen Zedernwald ab und töten den Himmelsstier. Die Götter sind empört, lassen Enkidu sterben, und Gilgamesch zieht trauernd bis ans Ende der Welt. Erst nachdem er auch noch die Unterwelt besucht und über die Sonnenbahn gerast ist, führt ihn der weise Uta-Napischti, der babylonische Noah, auf den Pfad der Tugend.Ob biblische Sintflut oder faustischer Erkenntniswahn: Das Epos diente der Nachwelt als vielfältige Inspiration. „Gilgamesch“ ist eine riesige Menschheitserzählung, die all die großen Fragen zwischen Leben und Tod anspricht und nebenbei noch den unfähigen Herrschern der Welt die Leviten liest. Aber wie bringt man so etwas auf die Bühne? Basierend auf der neuen, sehr literarischen Übersetzung des Assyriologen Stefan M. Maul hat Heyme gemeinsam mit dem Autor und Librettisten Christoph Klimke eine komprimierte Textfassung erstellt, die ganz chronologisch die Handlung erzählt. Der Text wurde auf viele Sprecher verteilt, auch teilt Heyme Passagen einer Figur auf mehrere auf. Die Götter übernehmen die Rolle von Erzählern und immer wieder eingreifenden Moderatoren. Das ist pragmatisch gedacht, erschwert aber das Verstehen des Geschehens auf der Bühne. Auch die Tatsache, dass einige Rollen mehrfach besetzt und die Mehrzahl der Darsteller Frauen sind, die nun Männerrollen spielen, macht es nicht einfacher. Fast alle sind zudem in schwer unterscheidbare schwarze Anzüge, Kleider und Roben gesteckt, immerhin sind die drei Gilgamesche mit einem goldenen G auf dem Rücken kenntlich gemacht. Die von Heyme ebenfalls entworfene Bühne zeigt den Götterolymp als Möbellager und Requisitendepot, vier Stufen tiefer die Erde als leere Spielstätte. Die sichtbar engagierten Laiendarsteller leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Großartiges, schließlich ist nicht nur Text zu bewältigen, es wird auch getanzt, gekämpft, gesungen und musiziert, sogar ein Feuertanz mit lodernden Fackeln wird aufgeführt. Überhaupt sind fast ständig alle in choreografischer Bewegung. Und wenn Unwetter und Götterstürme losbrechen, dann müssen eben ein paar Gießkannen mit Wasser und ein herniederprasselnder Eimer voller Steine ausreichen. Sogar der Beethovenchor hat einen Kurzauftritt und singt, von Playback unterstützt, eine Passage aus Martinus „Gilgamesch“-Oratorium. Heymes Regie ist also vor allem mit der Bebilderung des verwirrenden Geschehens beschäftigt, an der Schaffung eindrucksvoller Massenszenen. Dabei strebt er trotz aller Beschränkungen nach dem hohen Ton, lässt sich auf keine volkstheaterhafte Einfachheit ein. Und Humor ist seine Sache schon gar nicht, selbst wenn da ein Zedernwald in Gestalt von Rucksackwanderern mit possierlichen Zweiglein hereinmarschiert. Der bald 80-Jährige vertraut auch hier, wie bei vielen seiner Schauspielinszenierungen der letzten Jahre, ganz auf die Kraft des Textes. Was dieser mit unserer Gegenwart zu tun haben könnte, das sollen wohl die im Hintergrund aufgehängten Gemälde von Philipp Himmel erklären. Deren platter Symbolismus macht es sich dann aber doch entschieden zu einfach.

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