Rheinpfalz Es kann jeden treffen

Bauarbeiter gehören zu den Berufsgruppen, die wegen der großen körperlichen Belastung in ihrem Beruf hohe Versicherungsprämien z
Bauarbeiter gehören zu den Berufsgruppen, die wegen der großen körperlichen Belastung in ihrem Beruf hohe Versicherungsprämien zahlen müssen.

«Frankfurt». Zigtausende sind betroffen, Jahr für Jahr: Über 100.000 Bundesbürger werden im Schnitt laut Deutscher Rentenversicherung in jedem Jahr ganz oder teilweise erwerbsunfähig. Gegen finanzielle Einbußen hilft eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV). Doch die Assekuranzen zahlen nicht immer.

Wer erwerbsunfähig ist, erhält im Schnitt eine Erwerbsminderungsrente von rund 670 Euro im Monat. Wer nicht oder weniger als fünf Jahre gesetzlich versichert ist, geht ganz leer aus. In seltener Übereinstimmung raten Verbraucherschützer wie Versicherungsgesellschaften Arbeitnehmern und Selbstständigen deshalb zum Abschluss einer privaten BUV, um bei Verlust des Jobs durch Krankheit, Depression oder Unfall den Lebensunterhalt zu sichern. An diesem Punkt hört die Einigkeit aber auch schon wieder auf. Denn die Geschäftspolitik der Versicherer wird von Verbraucherschützern massiv kritisiert. „Wer eine einzige und abgeschlossene Psychotherapie hinter sich hat, bekommt oft schon keinen Versicherungsschutz“, sagt Ana Lozancic, Beraterin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Hohe Prämien für bestimmte Berufe Große Schwierigkeiten, eine Police zu erhalten, haben auch Menschen, die körperlich hart arbeiten müssen: „Für viele Handwerker sind die Versicherungsprämien so hoch, dass sie sich eine BUV nicht leisten können“, moniert Alexander Beurmann, Versicherungsberater bei der bundesweit tätigen Sozietät Falken Sammer Deppner. Doch selbst, wer eine BUV hat, bekommt im Ernstfall nicht immer Geld: Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurden 2014 rund 23 Prozent aller Leistungsanträge abgelehnt. Diese Zahl stammt aus der letzten Branchenerhebung des GDV und bezieht sich auf Angaben von Unternehmen, die 84 Prozent des Marktes in der BUV abdecken. Hinweise auf die wichtigsten Ablehnungsgründe liefert eine kleinere Erhebung der auf Versicherungen spezialisierten Ratingagentur Franke und Bornberg: In den meisten Fällen seien die Antragsteller noch zu mehr als 50 Prozent ihrer früheren Arbeitszeit einsatzfähig gewesen, schreiben die Experten. Ein weiteres Viertel der Ablehnungen hätten die Anbieter damit begründet, dass der Kunde bei Vertragsabschluss falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe. Dieser Vorwurf sei oft schwer zu widerlegen, sagt der auf Berufsunfähigkeitsversicherungen spezialisierte Anwalt Florian Schlenker von der Stuttgarter Kanzlei Prettl, Ebner-Klöppl und Partner. Fehler im Antrag vermeiden Viele Kunden machten aus Unkenntnis bei Vertragsabschluss Fehler bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen. Auf Fragen nach Beschwerden im Hals-Nasen-Ohren-Bereich solle man vorsichtshalber auch eine einfache Grippe angeben, empfiehlt Schlenker. Denn vor Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente frage die Versicherung bei den behandelnden Ärzten die gesamte Krankengeschichte ab – und könne jede Abweichung von den Angaben des Versicherten zum Anlass nehmen, die Leistung zu verweigern. Angreifbar sind nach Schlenkers Erfahrung dagegen häufig die Gutachten über den Grad der Berufsunfähigkeit, die von Versicherungen beauftragte Sachverständige erstellen: „Es gibt eine ganze Szene von Gutachtern, die vorrangig nur für Versicherer arbeitet und genau weiß, was die lesen wollen.“ Vor Gericht bestünden durchaus gute Chancen, ein solches Gutachten anzufechten. Allerdings reichen nur rund 10 Prozent der Versicherten, deren Antrag abgelehnt wurde, Klage ein. Lange warten Viele Betroffene sind wohl einfach zermürbt: Durchschnittlich 168 Tage vergehen laut der Erhebung von Franke und Bornberg von der ersten Meldung einer Berufsunfähigkeit bis zur Entscheidung über die Auszahlung der Leistungen. Zum Teil liegt das zwar an verspäteten Angaben der Versicherten oder der beteiligten Ärzte. Doch auch die Versicherungsgesellschaften haben es nach den Erfahrungen von Rechtsanwalt Schlenker nicht immer eilig: „Der Versicherte erfährt manchmal erst nach Wochen, dass etwas fehlt.“ Reiche er die Unterlagen nach, folgten häufig weitere Warteschleifen. Der Bundesverband der Versicherten fordert angesichts der zahlreichen Schwierigkeiten eine Rückkehr zum 2001 abgeschafften gesetzlichen Berufsunfähigkeitsschutz. Seitdem haben nur noch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden, einen Rentenanspruch. Alle anderen können nur eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Angesichts der Belastung der gesetzlichen Rentenkasse ist diese Forderung allerdings umstritten. Der Direktor des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF), Dirk Ulbricht, sieht nur für Handwerker und andere Beschäftigte, deren Tätigkeit hohe Risiken mit sich bringt, Handlungsbedarf. Büroangestellten dagegen könne eine private Absicherung zugemutet werden – die nicht zwingend sei. „Man muss sich entscheiden, mit welchen Risiken man leben kann und wie viel Geld man dafür ausgeben möchte. Die Berufsunfähigkeit kann drohen, das Alter kommt sicher.“

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