Kultur Südpfalz „Es gibt noch viel zu erforschen“

Michael Form ist seit 2014 der künstlerische Leiter der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe und hat gerade besonders viel zu tun. Die Akademie feiert ihr 30-jähriges Bestehen Jubiläum, zugleich dirigiert Michael Form „Teseo“. Diese frühe Händel-Oper steht im Mittelpunkt der Internationalen Händel-Festspiele Karlsruhe und hat am 20. Februar Premiere.

Bereits heute um 19 Uhr ist die öffentliche Generalprobe, zu der es fast nur noch Stehplätze gibt. Barockmusik ist in. Einschlägige Festivals an allen Ecken und Enden, eine Fülle von Ensembles und Orchestern, die sich auf die Wiedergabe dieser Musik spezialisiert haben und Instrumente spielen, die entweder original aus dieser Zeit stammen oder originalgetreu nachgebaut wurden. Das war nicht immer so. Als 1985 die Internationale Händel-Akademie in Karlsruhe gegründet wurde, galten Countertenöre in Deutschland als Exoten, das Spiel auf Darmsaiten glich einem gewagten Experiment. 30 Jahre später hat sich die historische Aufführungspraxis etabliert, aber „es gibt noch viel zu erforschen“, sagt Michael Form. In der Akademie arbeitet Form also mit den Studierenden, die Barockmusiker werden wollen, am Badischen Staatstheater mit denen, die bereits Barockmusiker sind, den Deutschen Händel-Solisten. Mit ihnen diskutiert der Barockmusik-Experte in den Proben über die Details der Interpretation. Das ist ihm wichtig, denn: die Quellenlage vergrößert sich ständig, es kommen immer neue Erkenntnisse und neue Ideen hinzu. Michael Form hat seine ersten Gehversuche als Operndirigent mit der französischen Barockoper gemacht. Das trifft sich gut, weil Händels „Teseo“ auf die französische Oper „Thésée“ von Lully zurück geht. Einige französische Elemente haben die Umgestaltung der Vorlage zu einer italienischen Opera seria überlebt. Zum Beispiel der Sommeil, die Schlafarie. Sonnenkönig Ludwig XIV liebte dieses Genre, das man aus der französischen Tradition heraus besser zur Geltung bringen könne, sagt Michael Form. Der reine Notentext reicht nicht, wenn man historische Aufführungspraxis betreibt, davon ist er überzeugt. Michael Form möchte Entscheidungen in der Wiedergabe auf der Basis von Wissen treffen. Deshalb studiert er die Quellen und setzt sich mit musikalischer Rhetorik auseinander. Das Dacapo, die Wiederholung des ersten Teils der dreiteiligen Arie, die für die Opern von Händel und dessen Zeitgenossen so typisch ist, diene – so Form – keineswegs nur dem virtuosen Feuerwerk, das die Sänger dann zeigen können. Der Dirigent ist überzeugt, dass es im Dacapo um die Intensivierung des Ausdrucks geht, die gesangliche Ausschmückung stelle das Mittel zum Zweck dar und sollte auf jeden Fall ohne erkennbare Anstrengung erfolgen. In der Händel-Akademie setzt der Professor für Blockflöte und Alte Musik an der Hochschule Bern nicht nur auf renommierte Dozenten wie Andreas Staier für das Cembalo. Ihm liegt die Kammermusik am Herzen. Die kommt durch den dichten Lehrplan an den Hochschulen zu kurz, findet er. An der Akademie wird der Einzelunterricht durch Kammermusikunterricht ergänzt. Es haben sich für dieses Jahr bereits einige bestehende Kammermusikensembles angemeldet, die anderen Teilnehmer möchte Form dazu animieren, selbst Ensembles zu gründen. Außerdem will er den Fokus wieder mehr auf Händel und dessen Umfeld konzentrieren. „Ein offenes Dreieck – das Verhältnis bzw. Nicht-Verhältnis zwischen Bach, Telemann und Händel“ ist am 22. Februar im Schloss Gottesaue Thema des Symposiums, mit dem die 30. Internationale Händel-Akademie eröffnet wird. Das Jubiläumskonzert findet am 6. März im Konzerthaus statt. Aus den Teilnehmern der Kurse bildet sich das Orchester der Händel-Akademie. Dieses Jahr kommt das neu gegründete Barockorchester des bekannten Simon-Bolivar-Jugendorchesters aus Venezuela dazu. Auf dem Programm stehen Werke von Bach sowie Stücke des französischen Barockkomponisten Francoeur. (nl)

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