Rheinpfalz „Emir“ ist wieder in der Südpfalz

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Als verurteilter Al-Qaida-Terrorist hat er mehrere Jahre im Gefängnis gesessen. Jetzt ist der „Emir“ aus Germersheim wieder frei – und in die Südpfalz zurückgekehrt. Die Behörden wollen ihn dort weiterhin überwachen. Offen scheint noch, wo auf ihrer Islamisten-Skala sie ihn einstufen.

GERMERSHEIM

. Der junge Mann hat sich schick gemacht: Seine kinnlangen Haare sind brav gescheitelt, übers weiße Hemd hat er sich eine himmelblaue Krawatte gebunden. Und doch will Bekkay Harrach mit seinem kurz vor der Bundestagswahl 2009 ins Netz gestellten Video Angst machen: Deutschland soll seine Soldaten aus Afghanistan abziehen, fordert er. Sonst drohen Anschläge in der Bundesrepublik. Prompt ziehen an Flughäfen, Bahnhöfen und auf dem Oktoberfest zusätzliche, schwer bewaffnete Polizisten auf. Die Behörden nehmen den in Bonn aufgewachsenen Deutsch-Marokkaner Ernst. Sie vermuten ihn im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, nach einem gescheiterten Studium in Koblenz soll er bei Al-Qaida Karriere gemacht haben. Zu den Terrorfürsten, sagen die Sicherheitsbehörden, ist er mit einem Empfehlungsschreiben gereist. Ausgestellt hat es ihm ein Wahl-Pfälzer pakistanischer Herkunft: der „Emir“ aus Germersheim. Der sitzt schon hinter Gittern, als Harrach sich für sein Drohvideo die himmelblaue Krawatte aufs weiße Hemd bindet. Das Oberlandesgericht in Koblenz hat den Deutsch-Pakistaner als Al-Qaida-Unterstützer im Juli 2009 zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Seit diesem Sommer ist der mittlerweile 53-Jährige wieder frei (wir berichteten). Weil er im Gefängnis jeden Dialog mit den Behörden verweigerte, musste er seine Strafe bis zum letzten Tag absitzen. Die Kehrseite dieser Strenge: Der Staat kann dem Mann jetzt keinerlei Auflagen machen, ihn nur im Auge behalten. Offiziell dürfen die Behörden auch nicht verraten, wo er sich nun aufhält. Die RHEINPFALZ hat aber aus Sicherheitskreisen erfahren: Der „Emir“ ist in die Südpfalz zu seiner Familie zurückgekehrt. Die allerdings hat sich verkleinert. 2002 nahm er seine leiblichen Kinder, seine Frau und deren damals 15 Jahre alten Sohn mit in seine frühere Heimat. Dort gönnten seine Gesinnungsgenossen dem Familienoberhaupt Leibwächter und Fahrer. Sein Stiefsohn wechselte von der deutschen Real- auf eine pakistanische Koranschule. Und dann in ein Terrorcamp. 2007 brach der Nachwuchs-Dschihadist mit seiner Familie. Für Aussagen im Koblenzer Verfahren pinnte er sich einen Deutschland-Anstecker ans Revers, er wurde für die Justiz zum wichtigen Belastungszeugen. Und damit zu einem Menschen, der gefährlich lebt. Im Gerichtssaal sprinteten Leibwächter schon los, wenn sein Stiefvater nur in seine Nähe kam. Was nach dem Prozess mit dem damals 22-Jährigen passierte, halten die Behörden streng geheim. Vermutlich lebt er bis heute unter falschem Namen und besonderem Schutz. Auch der „Emir“ muss sich auf ein Leben unter wachsamen Augen einstellen – nur eben nicht zu seinem eigenen Schutz, sondern um andere Menschen vor ihm zu schützen. Nach RHEINPFALZ-Informationen scheint nur noch offen, wie genau ihn die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden einstufen. Zwei Kategorien stehen zur Wahl. Beide sind zwar in keinem Gesetz vorgesehen, aber als polizeiliche Fachbegriffe für politische Extremisten werden sie in ganz Deutschland einheitlich verwendet. „Gefährder“ ist ein Mensch, dem die Behörden aufgrund konkreter Verdachtsmomente zutrauen, persönlich schwere Straftaten zu begehen. Als „Relevante Person“ gelten Unterstützer, Logistiker – und Anführer, die sich selbst nicht die Finger schmutzig machen. Welches Etikett der „Emir“ bekommt, ist aber ohnehin nicht so entscheidend. Wie genau jemand überwacht wird, wird im Einzelfall festgelegt. Denkbar ist beispielsweise, dass Beamte immer wieder offen oder verdeckt kontrollieren, wo er sich gerade aufhält. Warnende Hinweise über den 53-Jährigen können auch im Sicherheits-Informationssystem der Schengen-Staaten gespeichert werden. Sein einstiger Schützling Bekkay Harrach hingegen wird für solche Datenbanken wohl keine Neuigkeiten mehr liefern. Mit brav gescheitelten Haaren und übers weiße Hemd gebundener Krawatte hatte er sich für einen seiner letzten Auftritte schick gemacht. Offen scheint nur, ob den vom „Emir“ empfohlenen jungen Mann schon 2010 eine US-Drohne erwischte – oder ob er erst etwas später im Kampf gestorben ist.

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