Kultur Südpfalz Dann fliegt der Stoff

Mit Modern Dance hat die River North Chicago Dance Company am Mittwochabend in der Landauer Festhalle begeistert. Am Ende gab’s sogar karibische Lebensfreude.

Die Tänzerin kämpft sich aus dem Stoff, wie der Schmetterling aus seinem Kokon. Perfekt ausgeleuchtet sieht man sie von hinten, die Rückenmuskeln arbeiten, die Arme dehnen sich. Dazu raschelt und rauscht es. Endlich steht sie aufrecht, inmitten von zig Metern roten Stoffes. Dann geht es in Nejla Yatkins Choreografie „Renatus“ erst richtig los. Zur Arie „Vissi d’arte“ aus Puccinis Oper „Tosca“ tanzt Jessica Wolfrum ein leidenschaftliches Solo, die roten Stoffbahnen fliegen. Als sie zum Finale der Arie in ihrem roten Kleid versinkt, bricht Beifall aus. Ein Trugschluss. „Renatus“ bedeutet wieder oder neu geboren, und so erhebt sich die Tänzerin in einem hautfarbenen Trikot, das rote Kleid mit der langen Schleppe liegt wie eine leere Hülle hinter ihr. Dieses Stück war einer der Höhepunkte des Auftritts der Tanzgruppe River North Chicago Dance Company. Von Deutschland aus betrachtet liegt Chicago weit weg. Wenn die US-amerikanische Metropole Erinnerungen wachruft, dann meist an Al Capone oder den Film „Manche mögen’s heiß“. So wild wie in den 1920er-Jahren geht es in Chicago längst nicht mehr zu, dafür hat sich eine bemerkenswerte Tanzszene etabliert. Die von Frank Chaves geleitete River North Dance ist nicht die einzige in Chicago beheimatete Company, dort gibt es auch Hubbard Street Dance, das Joffrey Ballet, die Giordano Dance Gruppe und Dance Works Chicago. Wer sich da halten will, muss den Zuschauern etwas bieten. Chaves setzt auf zwölf Tänzerinnen und Tänzer, die klassische Ballettfiguren ebenso beherrschen wie Modern Dance, und auf Choreografien, die sich dem Publikum sofort erschließen. Das kann richtig Spaß machen. Adam Barruch hat zu „The worst pies in London“ aus dem Musical „Sweeney Todd“ ein rasant-komödiantisches Solo choreografiert. Drew Fountain interpretierte diese Nummer fulminant und mit beträchtlichem schauspielerischem Talent. Natürlich war auch Tanz um des Tanzes willen zu sehen. In „I close my eyes until the end“ präsentierte sich die Company als punktgenau auf die Musik tanzendes Ensemble. Eine ungewöhnliche Idee setzte Frank Chaves in „Forbidden Boundaries“ spannend um. Die Tänzerinnen und Tänzer arbeiten mit Hemden aus einem dehnbaren und zugleich stabilen Stoff. Einer hält den Stoff fest, der andere arbeitet, tanzt, kämpft, ohne sich befreien zu können. Die jung verstorbene Sängerin Eva Cassidy wurde von Frank Chaves in dem Stück „Eva“ porträtiert. Zu Ausschnitten aus Live-Konzerten tanzte das Ensemble, wovon Eva Cassidy sang. Von Liebe in „Fields of Gold“, vom Glauben an Erlösung im Gospel „Wade in the water“. Mit leidenschaftlichem Ausdruck gab Jessica Wolfrum das Sich-Fallenlassen auf der Suche nach Liebe in dem Blues „Stormy Monday“. Ahmad Simmons war ihr dabei ein unaufdringlich präsenter Tanzpartner. Als Exilkubaner kreierte Chaves eine Hommage an die einstige Heimat. In „Havana Blue“ beschwor das Ensemble das Lebensgefühl auf der karibischen Insel. Die Tänzerinnen umgaben sich mit einem Hauch Erotik, die Tänzer konnten ihre Kraft und Körperbeherrschung ausleben. Das Ganze vermittelte im verregneten Landau einen Funken karibischer Lebensfreude.

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