Rheinpfalz Besinnliche Klänge von oben

Mannheim. Hoch über der Mannheimer Innenstadt haben die Turmbläser am Samstag ein Konzert mit dem Titel „O Heiland reiß die Himmel auf“ gegeben. Rund 400 Zuhörer lauschten den weihnachtlichen Klängen der Blechbläser-Gruppe des Nationaltheaters.

Gegenüber der Mannheimer CityKirche Konkordien im Quadrat R2 quillt der Bürgersteig am Samstagabend fast über vor Menschen. Eine Passantin weicht auf die nicht ganz so überfüllte andere Straßenseite aus und fragt einen der Umherstehenden: „Entschuldigung, was machen denn die ganzen Leute hier?“ „Dort oben findet gleich ein Konzert der Turmbläser statt“, verrät ein Mann und deutet mit dem Finger in Richtung des hellerleuchteten Kirchturms. Wenig später sind die ersten weihnachtlichen Trompeten- und Posaunenklänge von der Kirchturmspitze zu hören. Gespannt recken die Zuhörer ihre Hälse, um einen Blick auf die Musikanten zu erhaschen. Doch außer schemenhafter Schatten ist nicht viel zu erkennen. So schließen manche Leute ihre Augen und lauschen andächtig den Klängen von „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Bei dem Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“ stimmen viele Zuhörer mit ein. Besonders laut tönt es dabei aus der Ecke, in der Familie Dettmar steht. In einer kurzen Spielpause verrät Werner Dettmar: „Wir sind jedes Jahr hier, wenn die Turmbläser spielen. Das gehört für uns schon richtig zu Weihnachten dazu.“ Damit geht es dem Familienvater ganz ähnlich wie Manfred Schäfer. Der Geschäftsführer der Zeit-Personal Augusta GmbH schildert seine Kindheitserinnerungen: „Meine Mutter hat früher einen Tante-Emma-Laden in der Nähe der Kirche geführt. An Heiligabend haben immer um 14 Uhr die Turmbläser gespielt. Dann war Ladenschluss und mir war klar, jetzt kommt Weihnachten.“ Leider sei diese Tradition Mitte der 1970er Jahre eingeschlafen, bedauert Schäfer. Deshalb ist ihm 2008, anlässlich seiner goldenen Konfirmation, die Idee gekommen, den alten Brauch der Turmbläser aufleben zu lassen. „Ich habe damals mit dem Pfarrer gesprochen und ihm angeboten, die Veranstaltung zu finanzieren. Ein paar Wochen später bekam ich schon einen Anruf, dass die Turmbläser wieder spielen würden“, erzählt Manfred Schäfer. Allerdings sei klar gewesen, dass der ursprüngliche Termin an Heiligabend nicht mehr zeitgemäß wäre. „Heutzutage hätte niemand mehr die Muße, unmittelbar vor dem Fest solch einem Konzert zu lauschen“, meint Schäfer. Deshalb habe man sich entschieden, das Konzert von der Kirchturmspitze fortan am Samstag vor dem vierten Advent stattfinden zu lassen. Nur in diesem und dem vergangenen Jahr haben die Turmbläser bereits eine Woche früher gespielt. Als nach einer Dreiviertelstunde die letzten Töne vom Kirchturm verklungen sind, applaudieren die Zuhörer begeistert. Es dauert eine Weile, dann haben die Musiker den Abstieg aus der luftigen Höhe geschafft. In der Alten Sakristei wird die Blechbläser-Gruppe des Mannheimer Nationaltheaters mit Glühwein und selbstgebackenen Plätzchen empfangen. Obwohl es in diesem Jahr nicht so kalt gewesen ist, freut sich das Ensemble über die wärmenden Getränke. „Es ist einfach immer wieder schön, bei einem solchen Ausblick auf die Innenstadt spielen zu dürfen“, schwärmt Matthias Gromer. Der Posaunist freut sich zudem über das stetig wachsende Publikum: „Es werden jedes Jahr mehr Menschen, die uns zuhören.“ Dies stellt auch Manfred Schäfer zufrieden fest: „Ich bin überaus positiv überrascht, wie viele Leute den Weg hierher gefunden haben. Die Turmbläser sind zu einem echten Höhepunkt in der Mannheimer Vorweihnachtszeit geworden.“ Halb im Scherz fügt er hinzu: „Wenn das so weiter geht, müssen wir nächstes Jahr wohl die Straße vor der Kirche für Autofahrer sperren lassen.“ Auch für Pfarrer Peter Annweiler ist das Konzert von der Kirchturmspitze eine tolle Sache: „Die Turmbläser laden zum besinnlichen Innehalten in der turbulenten Vorweihnachtszeit ein.“ Für den Pfarrer war das diesjährige Turmbläser-Konzert das letzte seiner Amtszeit. „Meine Zeit als Pfarrer in Mannheim läuft leider ab“, bedauert der 52-Jährige. „Aber diese Tradition wird ganz sicher auch ohne mich fortgesetzt werden.“

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