Rheinpfalz 3000 Kilometer auf einem Bein

Das rechte Bein verloren, eine schwere Krankheit durchlitten – Jacqueline Fritz hat durch Ärztefehler gleich zwei Schicksalschläge erlebt. Dennoch strahlt aus dem Gesicht der 29-Jährigen die pure Lebensfreude. Nun will sie die Alpen überqueren. Von Füssen bis Meran. Einbeinig. Mit Krücken.

Mit einem breiten Lächeln und tierischer Unterstützung im Schlepptau steigt Jacqueline Fritz aus ihrem Auto. Ihr quietschgrüner Wanderschuh trägt die gleiche Farbe wie die Einrichtung ihrer kleinen Werbeagentur in Bad Bergzabern. Zwischen ihm und den zwei Krücken wuselt der halbjährige Loui vergnügt um sein Frauchen herum. In zwei Monaten will das fünfbeinige Dreamteam zu einem großen Abenteuer aufbrechen: 3000 Kilometer, 25.000 Höhenmeter quer durch die Alpen von Bayern bis nach Südtirol. Per pedes – und Krücken. Die 29-jährige Impflingerin steht ihre Frau auf nur noch einem Bein. „So viel ich weiß, hat das noch niemand versucht. Lediglich Bruno Wintersteller hatte 1865 einbeinig das Matterhorn bestiegen“, berichtet Fritz. Für diese Mammutaufgabe habe sie sich bewusst gegen eine Prothese entschieden: „Ich will wissen, was ein Mensch aus eigener Körperkraft machen kann.“ Damit wolle sie auch anderen Menschen mit Handicap Mut zusprechen. Außerdem behindere sie die Prothese in den Bergen. Im normalen Alltag sei sie eine super Hilfe, aber beim Wandern scheuere sie, es gebe Druckstellen, sie sei zu schwer und man habe dadurch kein Gefühl für den Untergrund. Also wolle sie sich ganz auf ihre Armkraft verlassen. Und Kraft hat die junge Frau – sowohl körperlich, als auch mental. Wer ihre Geschichte hört, muss erst einmal gehörig schlucken. Andere wären wohl daran zerbrochen. Sie steht selbstbewusst und unverzagt mitten im Leben. Schon als Kind hatte sie ihre Leidenschaft für den Sport entdeckt: Ballett und Luftgewehrschießen waren ihre Leidenschaften. Bei dem eleganten Tanzsport passierte es: ein Bänderriss. Damals war sie 15 Jahre. Was normalerweise kein großer OP-Akt ist, endete für sie in einem Desaster. „Der Arzt hatte einen Fehler gemacht, die Nerven durchtrennt. Ich war lange im Krankenhaus, doch nach und nach verkrüppelte das Bein und starb ab.“ Vor sieben Jahren musste es amputiert werden. Ein Schlag ins Gesicht für so eine junge, aktive Frau. Dabei blieb es nicht. Immer wieder kämpfte sie mit Schmerzen im Bein, musste hohe Medikamentendosen nehmen. Um ihr die Handhabung zu erleichtern und die Nebenwirkungen zu senken, wurde ihr eine Morphinpumpe im Bauch eingebaut. Nach einer Weile wollte sie es wieder mit weniger Schmerzmitteln versuchen, die Pumpe sollte entfernt werden. „Dabei wurde wieder ein Fehler gemacht, das Loch nicht verschlossen, wodurch es in Folge zu Hirnwasserverlust kam.“ Wegen der schweren Erkrankung musste Fritz zwölf Wochen in Reha. „Natürlich ist es scheiße, wenn so etwas passiert. Aber Ärzte sind auch nur Menschen und denen können Fehler passieren.“ Sie wolle ihnen gegenüber fair bleiben. In einem Monat wird sie sich mit einer Ärztin, die mittlerweile zu einer Freundin geworden ist, auf in die Berge machen. Kennengelernt haben sie sich in der bayerischen Reha-Klinik, in die Fritz der zweite Schicksalsschlag führte. Dort hatte sie bei vielen Wanderungen auch die Leidenschaft für die alpinen Berge entdeckt. „Ich stand gerade auf einem 2300 Meter hohen Berg , als ich mir dachte: Es wäre cool hier einfach weiterzulaufen und weiter und weiter.“ Eine Idee war geboren. Begleitet werden die zwei Frauen und Hund Loui von einem Bergführer und zwei Kameramännern aus Karlsruhe, die das Projekt filmen werden. Ein Bergsteigerfilm der besonderen Art schwebt Fritz vor. Dazu ist eine Menge Vorbereitung notwenig. Rund 20.000 Euro wird das Vorhaben kosten. Einige Sponsoren sind schon am Start, aber die 29-Jährige ist immer noch auf der Suche nach Unterstützern für ihre große Reise. Das Equipment wird per Auto hinterhergefahren. Einen 20 Kilogramm schweren Rucksack könne sie ihren Armen nicht auch noch zumuten. Alle zwei, drei Tage will die Gruppe ins Tal absteigen, geschlafen wird in Berghütten und im Zelt. Kleinere Talstrecken sollen auch mal gefahren werden, um schneller zu interessanten Bergen zu kommen. Aber nur horizontal, nicht vertikal – sie wolle schließlich nicht schummeln. Als Strecke hat sie sich nicht etwa den typischen Fernwanderweg E 5 erwählt, sondern eine anspruchsvolle Route mit Klettersteigen, Europas längster Seilbrücke und dem Weg der 60 Bauernhöfe. Fit genug fühlt sich die Impflingerin für diese Tour – trainiert sie ihren Körper und Geist doch tagtäglich mit Reiten, Schwimmen, Wandern, Luftgewehrschießen, Klettern, Kraftsport und Treppensteigen. Was ihre Freunde und Familie zu der Aktion sagen? „Das ist cool, aber du bist verrückt.“ Mittlerweile hätten sich aber alle an den Gedanken gewöhnt und unterstützten sie. Los geht’s am 19. Juli in Füssen.

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