Fussball Welche Prioritäten Joachim Löw hat

Abwehrboss: Niklas Süle. Rechts Roman Jaremtschuk beim Spiel im Oktober in der Ukraine.
Abwehrboss: Niklas Süle. Rechts Roman Jaremtschuk beim Spiel im Oktober in der Ukraine.

Ein Erfolg heute gegen die Ukraine, eine Teilnahme am Finalturnier der Nations League und ein Quotensieg im Fernsehen – nur ein Ziel davon hält der Bundestrainer für relevant. Timo Werner stürmt in der einstigen Heimat. Niklas Süle kommt aus der Corona-Quarantäne – und ist Abwehrchef.

Auch das Leben als Fußballer war schon mal vergnüglicher. Nicht mehr raus zu dürfen, und wenn dann, nur in einem leeren Stadion antreten zu müssen, gefällt beispielsweise Timo Werner nicht. Ohne auch nur im Geringsten eine mitleidsvolle Tonart anzuschlagen, schilderte der Neu-Stürmer des FC Chelsea anschaulich, wie sehr die verschärften Auflagen auch den Alltag privilegierter Profis beeinträchtigen. „Es ist eine andere Zeit. Die Regeln sind noch mal strenger geworden.“ Man sei abgekapselt, erzählte der 24-Jährige, weil es nicht anders geht – und weil man große Verantwortung trägt. „Wir sind die Vorbilder für Kinder und die gesamte Bevölkerung.“

Werner freut „zweiter Sommerurlaub“

Eigentlich hatte sich der gebürtige Schwabe ja riesig gefreut, anlässlich des Nations-League-Duells mit der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ukraine (Samstag, 20.45 Uhr/ZDF) zurück nach Leipzig zu kommen, wo er „vier schöne, erfolgreiche Jahre“ verbrachte habe: „Das kam mir vor, wie nach Hause zu kommen.“ Doch die Kontaktbeschränkungen verhindern Wiedersehensmomente. Zuvor sei er, verriet der im Sommer zum FC Chelsea gewechselte 33-fache Nationalspieler, bei seiner Freundin in Dresden gewesen. Dass ihm der Verein und Löw die paar freien Tage gewährten, habe gutgetan, „das war ein zweiter Sommerurlaub“.

Jetzt kommt die Bestbesetzung

Mal kurz durchschnaufen bei dem sonst engen Terminplan. Werners Aussage belegte, dass Joachim Löw vieles richtig macht, wenn er seine besten Nationalspieler eben nicht durch drei Länderspiele binnen sieben Tagen jagt, sondern sich eine Arbeitsteilung ausdenkt, die öffentlich teilweise in der Luft zerrissen wurde.

Aber jetzt, wo es in den beiden letzten Gruppenspielen der Nations League darum geht, ob Deutschland in die B-Kategorie absteigt – was mit einem Remis in Leipzig bereits verhindert wäre – oder aber sich ein Endspiel in Spanien um den Gruppensieg erkämpft –, bietet Löw die Bestbesetzung auf.

Süle ist mit dabei

Torhüter Manuel Neuer wird also sein 95. Länderspiel bestreiten – und mit Sepp Maier nach Einsätzen gleichziehen – der 34-Jährige darf sich dann bald alleiniger Rekordnationaltorhüter Deutschlands nennen.

Davor soll Niklas Süle die Abwehr zusammenhalten, nachdem die Corona-Tests negativ und die Trainingseindrücke positiv ausfielen. Im Mittelfeld hat Löw wenig Bedenken, dass das Fehlen von Joshua Kimmich (verletzt) und Toni Kroos (gesperrt) nicht aufgefangen werden kann. Ilkay Gündogan habe es eine Stunde lang gegen Tschechien gut gemacht, und von Florian Neuhaus hält der Trainerstab nach zwei Länderspielen so viel, dass er schon wie Kai Havertz als „Spieler der Zukunft“ gepriesen wird. Zudem steht ja auch Kraftprotz Leon Goretzka für die Zentrale zur Verfügung.

Der Fokus liegt auf der Ukraine

Und dann sind da in vorderer Reihe noch die Stürmer Serge Gnabry, Leroy Sané und eben Werner, die der aussortierte Thomas Müller mal mit „Mopeds“ verglichen hat. Löw benutzt die Wortwahl zwar so nicht, aber dass die Troika „im internationalen Vergleich vorn liegt, was die Geschwindigkeit angeht“, betont der 60-Jährige dann doch. Jetzt muss es noch darum gehen, die rasanten Laufwege so geschickt versetzt anzuordnen, dass sie sich nicht gegenseitig über den Haufen rennen.

Nichts hielt der Bundestrainer davon, den Blick bereits auf das übernächste Spiel am Dienstag in Sevilla gegen Spanien zu richten. „Ich werde in den Mannschaftssitzungen ganz klar nur ein Ziel ausgeben: ein Sieg am Samstag.“ Die Ukraine sei Herausforderung genug. Das Ensemble seines Gegenübers Andrej Schewtschenko sei gespickt mit „guten Spielern mit sehr viel Tempo“ – und anders als vor einem Monat stehen dem Gegner jetzt auch alle Topspieler zur Verfügung. Löw wehrte sich mit Nachdruck dagegen, das Final-Four-Turnier der Nations League im Herbst 2021 als erquickendes Ziel auszugeben – so viel Wertschätzung hat er für diesen Wettbewerb nicht übrig.

Keine Vergleiche bei den TV-Quoten

Vieles ist ohnehin gerade eine Frage der Prioritäten. In der virtuellen Pressekonferenz ist der Bundestrainer am Freitag auch gefragt worden, ob er sich sorge, am Samstag mit dem Geisterspiel gegen die Ukraine weniger Quote im ZDF zu machen als RTL, wo Dieter Bohlen das nächste „Supertalent“ sucht. Die Nationalelf hatte am Mittwoch bei RTL weniger Einschaltquote als die ZDF-Trödelshow „Bares für Rares“. Doch Löw äußerte sich überzeugt davon, dass solche Vergleiche gerade nichts brächten. Er verstehe, dass ein Freundschaftsspiel „nicht ganz so brennend interessiert“. Wenn Deutschland bei der EM gegen Frankreich antrete „sieht das wieder anders aus“.

SO SPIELEN SIE

Deutschland: Neuer - Ginter, Süle, Rüdiger - Henrichs, Goretzka, Gündogan, Max - Gnabry, Werner, Sané

Ukraine: Pjatow - Konoplja, Matwijenko, Kriwtsow, Michailtschenko - Sintschenko, Makarenko, Kowalenko - Subkow, Jaremtschuk, Jarmolenko

Schiedsrichter: Hategan (Rumänien).

x