Fußball Keinerlei Drang zum Schönreden im deutschen Frauenteam

Und gleich weiter: Klara Bühl schnappt sich nach ihrem Tor zum 2:2 den Ball, sie wollte mehr.
Und gleich weiter: Klara Bühl schnappt sich nach ihrem Tor zum 2:2 den Ball, sie wollte mehr.

Gegen Österreich legte das deutsche Frauenteam – mal wieder – eine ganz schwache Halbzeit hin. Die Wankelmütigkeit seiner Auswahl ist auch für Bundestrainer Horst Hrubesch eine Geduldsprobe. Immerhin: Die Selbstkritik seiner Schützlinge ist ausgeprägt.

Als Schönredner wird Horst Hrubesch nicht in die Geschichte des deutschen Frauenfußballs eingehen, wenn sich der Interimsbundestrainer nach Olympia verabschiedet. Nach dem ebenso mühsamen wie glücklichen 3:2 (1:2) in Österreich zum Start in die EM-Qualifikation äußerten aber auch die Nationalspielerinnen deutliche Selbstkritik. „Die Bäume wachsen nicht so schnell in den Himmel. Da wird auch mein Nachfolger noch Spaß dran haben“, sagte der bald 73-Jährige in Linz mit Blick auf Christian Wück, der sein Amt nach den Sommerspielen übernimmt.

Mit der angestrebten Medaille in Paris wird es ein Jahr nach dem WM-Debakel von Australien jedenfalls schwierig, wenn die DFB-Frauen bis dahin ihre Wankelmütigkeit nicht ablegen. „Wir müssen langsam dahin kommen, dass wir zu Olympia eingespielt sind“, sagte Hrubesch. „Für mich geht es darum, dass wir eine Mannschaft kriegen, die zusammenwächst. Das haben wir im Moment nicht.“

Das HSV-Idol verwies auch zu Recht darauf, dass es keine Testspiele hat, um etwas auszuprobieren: „Alle Spiele, die ich bis jetzt gemacht habe mit den Damen, die musstest du einfach gewinnen.“ Erst hetzte das Hrubesch-Team in der Nations League nach der Niederlage in Dänemark noch unter Kurzzeit-Trainerin Britta Carlson hinterher, dann wurde die erste Olympia-Chance mit der Niederlage in Frankreich vergeben, ehe das 2:0 in den Niederlanden – der beste Auftritt seit langem – die Paris-Teilnahme sicherte.

Schult: Konstanz fehlt

„Es fehlt die Konstanz, ganz klar. Das zieht sich durch das gesamte letzte Jahr“, bemängelte die derzeit vereinslose Nationaltorhüterin Almuth Schult als ARD-Expertin am Freitagabend. Gegen Island geht es am Dienstag (18.10 Uhr/ZDF) in Aachen in der Qualifikation für die EM 2025 in der Schweiz weiter. „Das ist auch kein Selbstgänger“, warnte Hrubesch.

Bis Olympia sind es nur noch wenige Monate. Wück, der Weltmeister-Coach der deutschen U17-Männer, kann sich glücklich schätzen, dass Hrubesch schon einen Umbruch eingeleitet und personelle Alternativen geschaffen hat. So verhalf er der bis zur Nominierung in Deutschland unbekannten Bibiane Schulze Solano von Athletic Bilbao zu ihrem Debüt. Die 25 Jahre alte Ex-Frankfurterin mit der doppelten Staatsbürgerschaft war 2023 sogar für die Auswahl der späteren Weltmeisterinnen aus Spanien nominiert, kam aber nicht zum Einsatz. Die Defensivspezialistin hat sich nun für Deutschland fest gespielt und erhielt viel Lob.

Freigang ist verletzt

Mehr Spielerinnen sollen Verantwortung übernehmen Auch am Dienstag fehlen Kapitänin Alexandra Popp, die erstmals von Giulia Gwinn vertreten wurde, und Abwehrchefin Marina Hegering verletzungsbedingt. Laura Freigang, Stürmerin von Eintracht Frankfurt, zog sich beim 3:2-Sieg gegen Österreich eine Verletzung am Schultereckgelenk zu und reiste gestern ab. Sie hatte am Freitag als guter Joker einen umstrittenen Elfmeter herausgeholt. „Wir müssen gucken, dass wir nicht nur eine, oder zwei oder drei, sondern fünf, sechs, sieben Leute in der Mannschaft haben, die mal Verantwortung übernehmen, wenn’s nicht läuft“, erklärte Hrubesch, der gestern auf eine Nachnominierung wegen Freigangs Ausfall verzichtet.

Nach dem Österreich-Spiel hob der frühere Nationalstürmer die Wolfsburgerinnen Lena Oberdorf und Jule Brand sowie auch Klara Bühl hervor: Die Bayern-Angreiferin erzielte nach einem 0:2-Rückstand zwei Tore, ehe ihre Klubkollegin Gwinn mit einem allerdings unberechtigten Elfmeter für das 3:2 sorgte.

„Es waren einfach viel zu viele Spielerinnen nicht auf der Höhe. Die ersten 30 Minuten waren echt gar nix“, klagte Klara Bühl. „Wir haben die erste Halbzeit verschlafen“, sagte Kathrin Hendrich. Das müsse man „noch genauer analysieren. Wir freuen uns heute trotzdem über den Sieg und dass wir das Spiel noch gedreht haben.“

Hrubeschs Ansprache wird geschätzt

Die prägnanten und pragmatischen Hinweise von Horst Hrubesch schätzen die Spielerinnen. „Dass wir nicht das Gelbe vom Ei spielen, das wissen die Mädels auch. Wir müssen es besser spielen, das war nicht abgeklärt“, sagte Hrubesch und wiederholte geduldig, was er schon öfter gesagt hatte: „Wir wissen, wir müssen hundert Prozent spielen und alles abrufen, was wir haben, um solche Spiele zu gewinnen.“ Nur eine gute Halbzeit wird dabei nicht immer reichen.

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