Volleyball „Etwas Besonderes“: Schwer krebskranker Trainer feiert Titelgewinn

Inmitten seiner Meisterinnen, überwältigt von Emotionen: Trainer Tore Aleksandersen.
Inmitten seiner Meisterinnen, überwältigt von Emotionen: Trainer Tore Aleksandersen.

Tore Aleksandersen wollte unbedingt dabei sein, als Stuttgarts Volleyballerinnen in Potsdam Meister wurden. Dabei leidet er schwer an Prostatakrebs, hat eine nur noch geringe Lebenserwartung und kaum die Energie für solche Reisen.

Am Schluss war Aleksandersen doch noch mittendrin. Der schwer krebskranke Volleyball-Trainer lief nach dem Matchball zum dritten deutschen Meistertitel für Allianz MTV Stuttgart auf das Spielfeld der Potsdamer MBS Arena und umarmte alle eine Akteurinnen und die Mitglieder seines Stabs. Die mit 24 Punkten herausragende Simone Lee, den Superstar Krystal Rivers oder auch Marie Schölzel. Die Mittelblockerin sagte: „Wenn der Headcoach da ist, ist es einfach noch mal etwas anderes. Die Mannschaft ist mit ihm komplett.“

Prostatakrebs im Endstadium

Das war alles andere als selbstverständlich. Denn Aleksandersen hat Prostatakrebs im Endstadium und verzichtete daher in den Play-offs der Bundesliga auf sämtliche Auswärtsreisen - bis eben zum entscheidenden 3:1 nun beim SC Potsdam, mit dem die Stuttgarterinnen die Finalserie „Best-of-five“ mit 3:1 Siegen für sich entschieden. Es ist die zweite Meisterschaft nacheinander unter dem Norweger, auch im Vorjahr schlug Stuttgart die Potsdamerinnen.

Eine Play-off-Serie ohne einen fitten Trainer sei für die Mannschaft „keine optimale Situation“ gewesen, meinte der 55-Jährige nun. Daher sei er „sehr stolz“ auf seinen Stab mit den Co-Trainern Wojciech Kurczyński und Faruk Feray, der das Coaching an der Seitenlinie hauptsächlich übernahm.

Die Lebenserwartung ist gering

Über sein Krebsleiden mochte Aleksandersen im Augenblick des Erfolgs nicht mehr groß reden. „Ich habe das schon so oft getan.“ Dem SWR hatte er vor wenigen Monaten gesagt, bei seiner Diagnose sei die durchschnittlich noch verbleibende Lebenszeit fünf Jahre. „Jetzt sind drei Jahre vorbei.“ Es sei nicht möglich, gesund zu werden, „aber man kann versuchen, das in den Griff zu kriegen so lange wie möglich“.

Die MTV-Sportdirektorin Kim Oszvald-Renkema findet, dass Aleksandersen den Titel einfach verdiene, weil er ein Trainer „durch und durch“ sei. „Ich glaube, es ist für ihn schon etwas Besonderes, dass er das trotz seiner Krankheit noch mal erleben darf.“ Sie hoffe, dass es Aleksandersen Kraft gebe „oder wenigstens eine sehr schöne Erinnerung ist“.

Die Krebsdiagnose hatte Aleksandersen schon, als er Ende 2020 nach Stuttgart kam. Der Klub setzte dennoch auf ihn. „Weil es der richtige Mann für den Job war“, sagte Oszvald-Renkema vor einigen Wochen. Die Titel, zu denen auch der DVV-Pokalsieg 2022 gehört, bestätigten sie.

In den nun zu Ende gegangenen Play-offs hatte Aleksandersen nur beim ersten Viertelfinalspiel gegen die Roten Raben Vilsbiburg das Team an der Seitenlinie noch selbst gecoacht, ansonsten beschränkte er sich auf Ansprachen vor den Spielen und während der Satzpausen – aber nur zu Hause. Für mehr reichte seine Kraft nicht. Aber in Potsdam bei der Entscheidung wollte er unbedingt dabei sein. Volleyball mache ihn glücklich, wie er einmal gesagt hat.

Zusage für die kommende Saison

Auch in der neuen Saison will Allianz MTV mit Aleksandersen, der im Sommer in Stuttgart seine Therapie fortsetzt, als Cheftrainer weitermachen. „Wenn er es gesundheitlich noch kann, dann wird er unser Haupttrainer sein“, sagte Oszvald-Renkema. Allerdings hat der Verein mit der Verpflichtung von Konstantin Bitter von Schwarz-Weiß Erfurt zur neuen Saison als Co-Trainer vorgesorgt. Der 33-Jährige könne in der Zukunft, wenn Aleksandersens Gesundheit die Arbeit nicht mehr zulasse, auch die Chefrolle von ihm übernehmen – gegebenenfalls auch schon zur nächsten Saison, sollte sich Aleksandersens aktueller Zustand nicht verbessern. In Stuttgart hoffen sie auf das Gegenteil.

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