Rheinland-Pfalz „Mahnwache vor einer Redaktion“

In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Vertreter der Muslime in Rheinland-Pfalz den Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ in Paris. Muslime zeigten gestern Betroffenheit – in zweierlei Hinsicht.

Nach all den Fernsehbildern aus Paris wirkte es schon ungemein friedlich, dass im Hof der Staatskanzlei in Mainz nicht ein einziges Polizeiauto nötig war, um das Treffen zu schützen: Etwa 25 Vertreterinnen und Vertreter muslimischer Verbände in Rheinland-Pfalz waren gestern einer kurzfristigen Einladung in die Mainzer Staatskanzlei gefolgt, um zusammen mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) gut eineinhalb Stunden lang über die Terroranschläge in Paris zu sprechen – und über die Folgen. So zahlreich und unterschiedlich, für Außenstehende durchaus auch unübersichtlich die muslimischen Verbände sind, so deutlich fiel die gemeinsame Verurteilung des Terrors in Paris aus, und so klar war das Bekenntnis zu den zentralen Werten der offenen und freien Gesellschaft. Ahmet Cengelköy, Vorsitzender des Landesverbands Ditib, der türkisch-islamischen Union, sagte, der Terror habe nichts mit dem Islam zu tun. Er kündigte an, dass nächste Woche nach dem Freitagsgebet in Mainz eine Mahnwache vor einer Redaktion geplant sei, um zu zeigen, dass Muslime hinter dem Grundrecht auf Pressefreiheit stehen. „Wir möchten nicht zusehen, wie Hass die Gesellschaft spaltet. Wir möchten das Zeichen nach außen tragen“, sagte Cengelköy. Auch der Zentralrat der Muslime plant eine Mahnwache: am Montag vor dem französischen Konsulat in Frankfurt. Das kündigte Abdassamad El Yazidi, Vorsitzender des hessischen Landesverbandes, an. Er forderte als Konsequenz aus den Terroranschlägen, den Dialog zu intensivieren: nach außen, aber auch nach innen. Er sprach von einer „kleinen Gruppe junger Menschen“, die gefährdet seien, den Islam für terroristische Zwecke zu missbrauchen. „Wir dürfen diese jungen Menschen nicht aufgeben“, sagte El Yazidi. „Es ist wichtig, die Mitte zu stärken, um die Radikalisierung am Rand zu verhindern.“ Malu Dreyer sagte, mit diesem Thema beschäftige sich auch der runde Tisch Islam, der seit 2012 besteht. Gestern, drei Tage nach den Morden in der Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und einen Tag nach einem weiteren blutigen Anschlag in Paris, ging es in Mainz vor allem darum, Zeichen des guten Miteinanders zu setzen. 150.000 Muslime leben in Rheinland-Pfalz, das sind vier Prozent der Bevölkerung. Mustafa Cimsit aus Grünstadt, Vorsitzender des Landesverbands der Muslime „Schura Rheinland-Pfalz“, bewertete das Treffen als „schönes Signal“, das den Unterschied aufzeige zwischen Attentätern und den friedlichen Muslimen, die gerne in Rheinland-Pfalz lebten und ein Teil der Gesellschaft seien. Es sei gut, dass sich die Landesregierung in dieser Situation schützend vor die Minderheiten stelle. Die Bevölkerung müsse mehr über den Islam und über Muslime aufgeklärt werden. „Was man nicht kennt, davor hat man Angst“, sagte Cimsit. Was die Vertreter der Muslime gestern ebenfalls beschäftigte, waren die Reaktionen, mit denen sie seit dem Anschlag im Alltag konfrontiert wurden. Yasmin Khan aus Bad Dürkheim, sie vertritt den christlich-islamischen Frauengesprächskreis des Islamforums Rheinland-Pfalz, berichtete von einer Schülerin, die von Mitschülern zu hören bekam: „Ihr habt den Terroranschlag verübt.“ Kinder wie auch Erwachsene gerieten unter Rechtfertigungsdruck – ähnlich wie es nach dem 11. September 2001 der Fall gewesen sei. „Wenn jemand wie ich sich schon in die Ecke gedrängt fühlt, wie geht es dann anderen?“, fragte Khan, die weder ein Kopftuch trägt noch andere Zeichen, die sie als Muslima auswiesen. „Ich kann nur eine Sprache und das ist deutsch. Ich habe kein anderes Standbein“, sagt die Pfälzerin. Dreyer und Alt sagten, sie wollten der Gefahr begegnen, dass Muslime zu Unrecht verurteilt werden. Mannheim: Friedensgebet „Niemand, der sich Muslim nennt, darf sich zum Richter über Leben und Tod aufschwingen“, sagte Bülent Döger im Namen der muslimischen Gemeinden beim gestrigen Friedensgebet in der Mannheimer Kirche St. Sebastian. Zu dem Gebet, an dem nach Angaben der Veranstalter etwa 1000 Menschen teilnahmen, hatte das „Forum der Religionen“ eingeladen. (ras)

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