Rheinland-Pfalz „Die Versorgungslage ist stark verbesserungsbedürftig“

Hans-Günter Weeß, Vorsitzender der „Rheinland-pfälzischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung“.
Hans-Günter Weeß, Vorsitzender der »Rheinland-pfälzischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung«.

Vor kurzem wurde die „Rheinland-pfälzische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung“ bei einem wissenschaftlichen Symposion am Pfalzklinikum in Klingenmünster aus der Taufe gehoben. Vorsitzender ist Hans-Günter Weeß, der Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum. Jürgen Müller befragte ihn zu den Zielen dieser neuen Fachgesellschaft, der inzwischen etwa 40 Mitglieder angehören.

Laut dem aktuellen Gesundheitsreport der Krankenversicherung DAK leiden 80 Prozent der Erwerbstätigen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren an Schlafproblemen. Ist die Situation wirklich so dramatisch?

In Rheinland-Pfalz hat sich seit dem Jahr 2010 die Zahl der Menschen, die an Ein- und Durchschlafstörungen leiden, sogar verdoppelt – Tendenz steigend. Welche gesundheitlichen Risiken sind mit solchen Problemen verbunden? Chronischer Schlafmangel erhöht langfristig nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle, sondern auch für Diabetes und vor allem für psychische Störungen. Darüber hinaus führen Schlafstörungen und Übermüdung am Steuer auf Deutschlands Straßen zu doppelt so vielen tödlichen Unfällen wie Alkohol am Steuer. Der deutschen Wirtschaft entgehen nach einer aktuellen Studie jährlich etwa 210.000 Arbeitstage durch Fehlzeiten infolge Schlafstörungen am Arbeitsplatz. Gemeinsam mit mehr Fehlern und einem Rückgang der Produktivität führt das zu einem wirtschaftlichen Schaden von 60 Milliarden Euro jährlich. Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen in Rheinland-Pfalz für solche Patienten zur Verfügung? Wir haben alle rheinland-pfälzischen Krankenhäuser mit schlafmedizinischem Schwerpunkt danach befragt. Es stellte sich heraus, dass es derzeit landesweit 22 Schlaflaboratorien mit insgesamt 105 Untersuchungsbetten gibt. Das klingt nicht gerade nach Überkapazitäten, oder? Bestimmt nicht. Die 105 Betten stehen für gut vier Millionen Rheinland-Pfälzer zur Verfügung. Somit kommen auf ein schlafmedizinisches Untersuchungsbett rund 40.000 Einwohner. Aus diesem Grunde muss ein Patient durchschnittlich 14,3 Wochen warten, bis er eine entsprechende Untersuchung und Behandlung bekommt. Viele dieser schlafmedizinischen Abteilungen gaben an, dass sie auf personeller, gerätetechnischer oder räumlicher Ebene einen Verbesserungsbedarf sehen, um die Qualität der Behandlung zu gewährleisten. Obwohl Schlafstörungen nach der von Ihnen zitierten aktuellen DAK-Studie sehr häufig und weit verbreitet sind, können in diesen Krankenhäusern jährlich nur 13.000 Menschen behandelt werden. Das entspricht 0,32 Prozent der Bevölkerung. Wie ließe sich diese Situation verbessern? Obwohl in diesen Krankenhäusern Ärzte und Therapeuten mit hohen schlafmedizinischen Kenntnissen und Qualifikationen arbeiten, werden sie nicht an der ambulanten Behandlung von Menschen mit Schlafstörungen in Rheinland-Pfalz beteiligt. Damit bleiben wichtige Ressourcen zur Behandlung der Volkskrankheit Schlafstörung unberücksichtigt. Darüber hinaus gaben acht von 15 befragten Krankenhäusern an, dass sie für ihre Leistungen von den Krankenkassen weniger Geld bekommen, als dies im Gesundheitssystem eigentlich vorgesehen ist. Derzeit ist die Versorgungslage für Schlafstörungen in Rheinland-Pfalz stark verbesserungsbedürftig. Es fehlt an den entsprechenden Versorgungsstrukturen für eine erfolgreiche schlafmedizinische Versorgung der Bevölkerung. Woran liegt es, dass die Klinik-Ärzte und -Therapeuten im ambulanten Bereich nicht tätig werden dürfen? In Rheinland-Pfalz findet der schlaflose Patient außer Behandlungsangeboten mit Schlafmitteln mit ihrem bekannten Abhängigkeitspotenzial nur schwer Zugang zu wissenschaftlich geprüften schlafmedizinischen Therapien. Gerade aber wenn es darum geht, Schlafstörungen erfolgreich zu behandeln und die hohe Zahl an Schlafgestörten und Schlafmittelabhängigen in unserem Lande zu reduzieren, wäre es wichtig, dass die schlafmedizinischen Kompetenzzentren des Landes nicht in einem für den Patienten unerreichbaren Elfenbeinturm sitzen. Viele erfolgreiche und wissenschaftlich geprüfte schlafmedizinische Behandlungen könnten von diesen Zentren ambulant zum Wohle des Patienten angeboten werden. Aber leider wird im Vergleich zu vielen anderen Ländern in weiten Teilen unseres Gesundheitssystems noch immer sehr streng zwischen der stationären und der ambulanten Behandlung getrennt. Somit bleiben den vielen chronisch schlafgestörten Rheinland-Pfälzern oft wichtige und sinnvolle Angebote vorenthalten. Was kann die neue Gesellschaft für Schlafmedizin daran ändern? Diese medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, Licht ins Dunkel der Nacht zu bringen, unter anderem durch Fortbildungen von Ärzten und Therapeuten, durch die Einführung von modernen Behandlungsangeboten und Präventionsmaßnahmen, sowie durch Beratung von Kostenträgern, um die medizinischen Versorgungsstrukturen zum Wohle der Patienten in Rheinland-Pfalz zu verbessern. Und wer macht dabei mit? Zu den Gründungsmitgliedern gehören unter anderem die Leiter der schlafmedizinischen Abteilungen der DRK-Krankenhäuser in Alzey und Neuwied, der Hufelandklinik in Bad Ems, des katholischen Klinikums Mainz, meine Person sowie zahlreiche weitere in der Schlafmedizin tätige Ärzte, Pflegekräfte und medizinisch technische Assistenten aus allen Teilen von Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus werden Selbsthilfegruppen in die Arbeit einbezogen werden.

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