Leitartikel Wie die Politik die Klimakrise verdrängt

Zu den besonders bekannten Gebäuden, deren Beleuchtung bei der Earth Hour 2023 ausgeschaltet wurden, gehörte das Brandenburger T
Zu den besonders bekannten Gebäuden, deren Beleuchtung bei der Earth Hour 2023 ausgeschaltet wurden, gehörte das Brandenburger Tor.

Die globale Aktion der Umweltstiftung WWF und der jüngste Bericht der Weltorganisation für Meteorologie erinnern daran, dass die Klimakrise das zentrale Thema des Jahrhunderts ist. Viele Politiker wollen das verdrängen.

Am Samstag wird wieder weltweit mit der Earth Hour an die Dringlichkeit des Klimaschutzes erinnert. Allein in Deutschland haben im vergangenen Jahr 579 Orte an der vom World Wildlife Fund (WWF) initiierten Aktion teilgenommen. An der Dringlichkeit des Themas gibt es unter seriösen Wissenschaftlern weniger Zweifel denn je. In dieser Woche hat die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) Alarm geschlagen. „Der Bericht (...) zeigt einen Planeten am Abgrund“, sagte dazu UN-Generalsekretär António Guterres. WMO-Chefin Celeste Saulo sprach von „Alarmstufe Rot“.

In der vergangenen Woche war die Klimaschutzbilanz des Umweltbundesamtes für Deutschland gar nicht unerfreulich. Das lag allerdings weniger an Fortschritten beim Klimaschutz als an der Konjunkturflaute, die den Energieverbrauch der Industrie senkt. Ganz schlecht sieht es aber weiterhin beim notorischen Problemsektor Verkehr aus. Hier klafft gegenüber dem Klimaziel für 2023 eine Lücke von 13 Millionen Tonnen CO 2 .

Gesetz verlangt Sofortprogramm

Nach geltendem Recht müsste Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bis zum Sommer ein Sofortprogramm vorlegen, mit dem sich die 13-Millionen-Tonnen-Lücke schließen lässt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung eigentlich schon dazu verurteilt, solche Pläne endlich vorzulegen. Statt dem nachzukommen, ist die Bundesregierung gegen dieses Urteil in Revision gegangen. Das liegt vor allem daran, dass die FDP das Klimaschutzgesetz nicht beachten, sondern verändern will. Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung an einer Änderung des Gesetzes, mit der die verbindlichen Sektorziele abgeschafft werden sollen. Dass ein Ministerium geltendes Recht nicht beachtet, weil man es geändert haben will, ist ein abenteuerlicher Vorgang.

Dass die FDP von einem eigentlich fälligen Sofortprogramm nichts wissen will, liegt sicher nicht zuletzt daran, dass sich eine Maßnahme dafür geradezu aufdrängt, nämlich ein Tempolimit auf Autobahnen. Dies würde ohne nennenswerte Kosten einen schnellen und vergleichsweise großen Klimaschutzeffekt bringen und hätte auch noch positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Dass die FDP nicht einmal dazu bereit ist, lässt alle verbalen Bekenntnisse der Partei zum Klimaschutz unglaubwürdig erscheinen.

Wissing trat schweres Erbe an

Fairerweise muss man sagen, dass Wissing ein schweres Erbe angetreten hat, als er 2021 die Leitung des Bundesverkehrsministeriums übernahm. Sein Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) hat nicht nut mir seiner desaströsen Pkw-Maut viel Steuergeld verbrannt, sondern sich auch nach Kräften bemüht, alle Initiativen für Klimaschutz im Verkehr zu sabotieren. Die blamablen Klimaschutz-Daten des Verkehrssektors sind deutlich mehr Scheuer als Wissing anzulasten.

Wissing hat immerhin bei einem klimapolitisch relevanten Thema persönlich große Verdienste, nämlich bei der Einführung des Deutschlandtickets. Allerdings wächst die Gefahr, dass die mittelfristig ungeklärte Finanzierung dieses Angebots zu Lasten eigentlich dringend nötiger Verbesserungen des Angebots im öffentlichen Nahverkehr geht. Völlig absurd wäre es, wenn es stattdessen wegen der steigenden Kosten sogar noch Einschnitte ins Nahverkehrsangebot geben sollte.

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