Porträt Stephan Harbarth – Deutschlands neuer oberster Richter

Stephan Harbarth.
Stephan Harbarth.

Vor anderthalb Jahren war der neue Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth noch Bundestagsabgeordneter. Am Gericht hat man damit keine Probleme, und er selbst sieht darin auch Vorteile.

Es gibt einfachere Zeiten, um an die Spitze des Bundesverfassungsgerichts zu wechseln. In der Corona-Krise hat der Staat die Grundrechte beschnitten, wie es bis vor Kurzem unvorstellbar gewesen wäre. Und im letzten großen Urteil unter dem scheidenden Präsidenten Andreas Voßkuhle verweigerte der Zweite Senat des obersten deutschen Gerichts gerade zum ersten Mal dem höchsten EU-Gericht die Gefolgschaft.

Am Freitag nun wählte der Bundesrat Harbarth zum neuen Präsidenten. Der 48-Jährige hatte eineinhalb Jahre Zeit, sich vorzubereiten. Seit seiner Wahl zum Richter und Vorsitzenden des Ersten Senats Ende 2018 war vorgezeichnet, dass er derjenige sein würde, der Voßkuhle in Karlsruhe an der Spitze ablöst. So sind die ungeschriebenen Regeln.

Nicht nur Begeisterung

Die Personalie stieß nicht nur auf Begeisterung. Bei seiner Wahl war der gebürtige Heidelberger Berufspolitiker durch und durch: mit 16 Jahren in die Junge Union eingetreten, seit 2009 für seinen Wahlkreis Rhein-Neckar im Bundestag, seit 2016 stellvertretender Chef der Unionsfraktion und Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Kann so einer von einem Tag auf den anderen zum unabhängigen Verfassungsrichter werden?

In Karlsruhe hat man ihm von Anfang an den Rücken gestärkt. „Die Dosis macht das Gift“, ist einer der Sätze, die Voßkuhle gern öffentlich wiederholt. Es tue dem Gericht gut, ein, zwei Leute in seinen Reihen zu haben, die etwas von Politik verstehen und wissen, was hinter den Kulissen abläuft.

„Verleiht dem Gericht eine gewisse Erdung“

Als Bereicherung würdigt Voßkuhle auch Harbarths Erfahrungsschatz als Wirtschaftsanwalt. Mit Abschlüssen in Heidelberg und Yale war er bis 2018 Partner in der Mannheimer Kanzlei Schilling, Zutt & Anschütz.

Im ersten großen Urteil unter seinem Vorsitz kippte der Erste Senat im November die Sanktionen gegen unkooperative Hartz-IV-Empfänger einstimmig. Aus der Union gab es dafür keinen Beifall.

In Interviews betont der verheiratete Vater dreier kleiner Töchter, welche Vorteile die Richter-Vielfalt hat: „Als Abgeordneter hat man unzählige Bürgergespräche geführt, Weinfeste besucht, Bürgerbriefe gelesen. Man weiß, wie es in unserer Gesellschaft zugeht. Das verleiht dem Gericht eine gewisse Erdung.“

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