Politik Seehofer will Parteivorsitz und Ministeramt abgeben

Ende der Ära Horst Seehofer? Seehofer ist erst seit knapp 100 Tagen in der neuen großen Koalition Bundesinnenminister, seit 2008
Ende der Ära Horst Seehofer? Seehofer ist erst seit knapp 100 Tagen in der neuen großen Koalition Bundesinnenminister, seit 2008 ist er CSU-Chef.

«München/Berlin.» Horst Seehofer bot gestern Abend im CSU-Vorstand und in der CSU-Landesgruppe seinen Rücktritt an. Das meldeten Teilnehmer. Seehofer gab dies demnach in seiner persönlichen Erklärung am Ende der Beratungen der CSU-Spitzengremien bekannt. Nähere Informationen wurden bis Redaktionsschluss zunächst nicht bekannt. Die CSU unterbrach ihre Beratungen vorerst. Seehofer verließ in Begleitung von mehreren Vertrauten den Saal. Unklar blieb, ob die CSU-Führung das Rücktrittsangebot annehmen würde. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt will einen Rücktritt nicht akzeptieren. Das bestätigten Teilnehmer der CSU-Krisensitzung. Insbesondere gab es zunächst keine Informationen, was dies für die Zukunft der großen Koalition bedeuten könnte. Vor dem Treffen des CSU-Vorstandes erklärte Seehofer, die EU-Verhandlungsergebnisse von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seien nicht wirkungsgleich mit den von der CSU verlangten Kontrollen und Zurückweisungen an der Grenze. Das wurde aus Teilnehmerkreisen berichtet. Merkel hatte zu den Ergebnissen des EU-Gipfels gesagt, diese erfüllten die Vorgaben der Schwesterpartei CSU. Die Ergebnisse seien „mehr als wirkungsgleich“. Seehofer hatte zuvor angekündigt, nur bei Wirkungsgleichheit auf die von ihm angedrohte und von Merkel abgelehnte Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze zu verzichten. Seehofer legte den Teilnehmern der CSU-Sitzung erstmals schriftlich seinen Masterplan zur Flüchtlingspolitik vor. Dieser umfasst 63 Punkte. Dem CDU-Präsidium und -Bundesvorstand lag der Plan nach Teilnehmerangaben auch gestern noch nicht vor. Kern des Unions-Streits sind Pläne Seehofers, in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber notfalls im Alleingang an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Merkel lehnt einseitige Aktionen ab und pocht auf ein europäisch abgestimmtes Vorgehen. Unmittelbar vor der CSU-Sitzung versuchte Merkel noch zu deeskalieren. „Ich möchte gern, dass CDU und CSU gemeinsam weiterarbeiten“, sagte sie vor den getrennten Sitzungen der Spitzengremien beider Unionsparteien bei der Aufzeichnung der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Denn wir sind eine Erfolgsgeschichte für Deutschland.“ Merkel hatte nach eigenen Angaben beim EU-Gipfel mit einer Reihe von Staaten vereinfachte Rücküberstellungen von Flüchtlingen vereinbart. (Wir berichteten in der RHEINPFALZ am SONNTAG.) Ungarn, Tschechien und Polen dementierten jedoch am Wochenende solche Absprachen. „Wenn es jetzt zu Missverständnissen gekommen ist, bedaure ich das“, sagte Merkel dazu. Ein Abkommen mit Italien sei „derzeit nicht möglich gewesen“. Die CDU-Spitze hat unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Rückzugsangebots von CSU-Chef Seehofer die Unterstützung für den europäischen Kurs von Kanzlerin Merkel in der Asylpolitik betont und sich gegen „einseitige Zurückweisungen“ an der Grenze ausgesprochen. Das teilte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gestern am späten Abend nach stundenlangen Beratungen der Parteispitze mit. Der Beschluss wurde bei einer Enthaltung gefasst. „Einseitige Zurückweisungen wären das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner“, heißt es in dem Beschluss. Kramp-Karrenbauer kündigte an, dass der Bundesvorstand seine Beratungen am Abend fortsetzt, nachdem Seehofer sich in München öffentlich geäußert hat.

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