Politik Posten, Personen, Poker

Heute setzt der Bundestag seine Ausschüsse ein. In diesen Gremien, nach einem bestimmten Schlüssel von den sechs Fraktionen personell besetzt, wird die eigentliche inhaltliche Arbeit des Parlaments erledigt. Für CDU/CSU, SPD, Linke, FDP und Grüne stellt sich die Frage: „Wie halten wir es mit der AfD?“

23 ständige Ausschüsse hatte der Bundestag in der 18. Legislaturperiode. Wie viele es in der laufenden sein werden, stand gestern Nachmittag noch nicht fest. Gleichwohl will das Hohe Haus heute die Einsetzung der Ausschüsse beschließen. Sie werden von den sechs Fraktionen gemäß ihrer personellen Stärke besetzt. Sollte es zu einer Koalition zwischen CDU/CSU und SPD kommen, wäre die AfD mit ihrem Stimmenanteil von 12,6 Prozent bei der Bundestagswahl die größte Oppositionsfraktion vor FDP (10,7 Prozent), Linken (9,2) und Grünen (8,9). Das ist nicht unwichtig. Denn der AfD stünde als größter Oppositionsfraktion nach lang eingeübter parlamentarischer Praxis der Vorsitz im Haushaltsausschuss zu. Der Haushaltsausschuss gilt als Königsausschuss im Bundestag. Er kontrolliert die Etatführung von Kanzleramt und Co. Geld aus der Staatskasse gibt’s nur, wenn das Parlament grünes Licht gibt. Die Vorarbeiten für das Votum im Bundestagsplenum werden im Haushaltsausschuss erledigt. Die AfD, das hat deren Fraktionsvorsitzende Alice Weidel gestern erneut betont, erhebt Anspruch auf den Vorsitz in diesem Gremium. Sie selbst liebäugelt offenbar nicht mit dem Posten, sie will lediglich einfaches Mitglied werden. Möglicherweise wird die AfD den bayerischen Bundestagsabgeordneten und Euro-Kritiker Peter Boehringer auf den Schild heben. Das erklärte gestern jedenfalls der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann. Wen die AfD letztlich in die Ausschüsse schickt, will sie in der nächsten Woche entscheiden. Ob Boehringer im Ausschuss dann allerdings zum Vorsitzenden gewählt wird, ist offen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, erklärte gestern: „Wir werden keine Sonderregelungen für die AfD kreieren.“ Will heißen: Falls es zu einer großen Koalition kommt, werden CDU/CSU am parlamentarischen Brauch festhalten, den Kandidaten der größten Oppositionspartei zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zu wählen. Das wäre dann eben möglicherweise Peter Boehringer. Der südpfälzische AfD-Abgeordnete Heiko Wildberg will, sofern er von seiner Fraktion gewählt wird, im Umweltausschuss und als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur tätig sein. Der Südpfälzer Tobias Lindner (Grüne) will ebenfalls wieder in den Haushaltsausschuss. Ob er Boehringer zum Vorsitzenden wählen würde? Gestern äußerte sich Lindner nicht eindeutig. Er verwies auf die langjährige parlamentarische Praxis: „Ich will keine Lex AfD.“ Aber, so schränkte er sogleich ein: Die Praxis sei in der Ära des Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger (1966 - 1969) schon einmal durchbrochen worden. Die AfD habe keinen Rechtsanspruch auf diesen Posten. Es hänge von CDU/CSU und SPD ab, ob sie nach dem Vorsitz greifen oder nicht. Der AfD steht nach parlamentarischer Praxis auch die Leitung zweier weiterer Ausschüsse zu. Unbestätigte Berichte, wonach die AfD den Finger für den Vorsitz im Kulturausschuss strecken wolle, haben bereits vor Einsetzung der Gremien Gegenwind ausgelöst. Der Deutsche Kulturrat erneuerte gestern seinen Appell vom September vergangenen Jahres an den Bundestag, den Kulturausschuss nicht von der AfD leiten zu lassen. Das Gremium habe eine besondere Verantwortung für Kunst- und Medienfreiheit sowie für die Erinnerungskultur. Dieser Verantwortung werde die AfD nicht gerecht. Auch der dritte Ausschussvorsitz für die AfD ist offen. Weidel sagte gestern lediglich, der Innenausschuss „ist sehr, sehr wichtig für uns“. Klar scheint indes zu sein, dass die AfD den Brandenburger Bundestagsabgeordneten Roman Reusch ins Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) schicken will. Das Gremium kontrolliert die Nachrichtendienste des Bundes. Reusch war lange Jahre Oberstaatsanwalt in Berlin und gilt als Verfechter harter Strafverfolgung. Er muss am Donnerstag vom Bundestag in das PKGr gewählt werden – und rechnet mit Gegenwind. Gestern sagte er: „Es würde mich nicht wundern, wenn die anderen Parteien politische Spielchen spielen.“

x