Politik Leitartikel: Baugrube NRW

Die Hundert-Tage-Bilanz der Regierung Laschet fällt dürftig aus.

Der „Mentalitätswechsel“, den der nordrhein-westfälische Ministerpräsident für sich verbucht, vermag dies nicht zu kaschieren. Laschet könnte als Liberalen- und Grünen-Versteher eine wichtige

Rolle in der CDU spielen.

In den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit hat die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen viele Baugruben in der Landespolitik ausgeschachtet – aber bis zum Richtfest wird bei den meisten Projekten noch reichlich Zeit vergehen. Drei bis vier Jahre hat etwa Familienminister Joachim Stamp veranschlagt, um die marode Kindergartenlandschaft an Rhein und Ruhr grundlegend zu sanieren und die Qualität der frühkindlichen Bildung spürbar zu verbessern. In der Schulpolitik, in der Verkehrs- und Sicherheitspolitik wird die Verwirklichung der von CDU und FDP im Wahlkampf vollmundig angekündigten Vorhaben ebenfalls noch auf sich warten lassen. Da es Ministerpräsident Armin Laschet bei seiner Hundert-Tage-Bilanz erwartungsgemäß an fertigen politischen Werkstücken fehlt, hat der findige CDU-Politiker für seine Landesregierung immerhin einen „Mentalitätswechsel“ auf der Habenseite verbucht. Damit soll suggeriert werden: Zwar sei der von der rot-grünen Vorgängerregierung hinterlassene Problemberg – was etwa die Verkehrstaus angeht oder die Bekämpfung der Kriminalität – nach dem Regierungswechsel kaum kleiner geworden, aber nach jahrelanger Lethargie herrsche endlich wieder Aufbruchstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland. Im Kanzlerinnen-Jargon lautet Laschets Botschaft: Wir schaffen das! Da Zuversicht in Politik und Wirtschaft eine wichtige Währung ist, hätte die neue Landesregierung somit schon einiges bewirkt. Falls es im Bund tatsächlich zu einer Jamaika-Koalition von CDU, CSU, FDP und Grünen kommt, kann Laschet darauf hoffen, dass ihm als Liberalen- und Grünen-Versteher zukünftig eine wichtige Rolle im Machtgefüge dieser Republik und in seiner Partei zufällt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident scheint tatsächlich mit diesem Pfund wuchern zu wollen. Deshalb gibt er im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen den Krawallbruder und droht einem Jamaika-Bündnis an: In der Industrie- und Energiepolitik werde bei einer künftigen Bundesregierung nichts gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens gehen. Mit dem Blick auf das große bundespolitische Ganze kann der Ministerpräsident aus Düsseldorf erst einmal von kleineren Problemen in seinem Kabinett ablenken. Schon drei seiner Minister werden wegen Interessenskollision von der Opposition an den Pranger gestellt. Seinem Europa- und Bundesratsminister Stephan Holthoff-Pförtner musste er die Zuständigkeit für Medien entziehen, weil er millionenschwer am größten Verlag in Nordrhein-Westfalen beteiligt ist. Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking stürzte ihre Ministerialbeamten in Loyalitätskonflikte, weil sie eine Schweinemast-Affäre in ihrem Familienbetrieb durch ihren eigenen Apparat begutachten ließ. Schließlich brachte sich der bienenfleißige Justizminister Peter Biesenbach selbst in Kalamitäten, weil er sich neben seinem Regierungsamt erneut zum CDU-Fraktionschef im oberbergischen Kreis wählen ließ. Nach 100-tägiger Amtszeit ist die Schonzeit für die Regierung Laschet vorbei. Schwarz-Gelb muss endlich liefern. Dazu gehört auch die versprochene Bundesratsinitiative für das Einwanderungsgesetz, um wieder Ordnung in die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu bringen und zugleich weltweit Facharbeiter anzuwerben. Mit Hilfe einer Jamaika-Koalition könnte dies durchaus gelingen. Dann würde Ministerpräsident Laschet auf einer wichtigen Baustelle endlich Richtfest feiern.

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