Politik Langeweile verboten

Johannes Steiniger auf TikTok
Johannes Steiniger auf TikTok

Die chinesische Social-Media-Plattform TikTok gewinnt an Einfluss. Das macht den Dienst auch für die Politik interessant. Die ersten Parteien versuchen bereits ihr Glück. Der Erfolg ist schwer zu messen.

Thomas Sattelberger ist Bundestagsabgeordneter der FDP aus München und ein Star. Zumindest auf der chinesischen Social-Media-Plattform TikTok. Der FDP-Politiker hat die 70 bereits überschritten und gehört zu den ältesten Politikern im Deutschen Bundestag. Bei TikTok hingegen treiben sich normalerweise meist Jugendliche und junge Erwachsene herum, ein paar Eltern haben die Plattform mittlerweile auch für sich entdeckt. Rund elf Millionen aktive Nutzer gibt es in Deutschland. Die Video-App aus China gehört neben Instagram und Youtube zu den Favoriten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Weltweit zählt der Dienst rund 800 Millionen Nutzer. Auf TikTok können Nutzer kurze mit Musik oder Text untermalte Videos hochladen. Die App stellt Filter bereit, mit denen die hochgeladenen Clips angepasst und bearbeitet werden können. Anschließend können sie mit anderen geteilt und bewertet werden. Das macht auch Sattelberger. 135.000 Nutzer folgen dem FDP-Politiker, der mit witzigen Videos versucht, die jungen Nutzer von der FDP und ihrem Wahlprogramm zu überzeugen. Was ihn dabei ausmacht: Er ist authentisch. Das klappt nicht immer: „Also, ich stehe in der Regel auf, so um 5.15 Uhr. Dann mache ich ein bisschen Sport, um in den Tag zu kommen. Ich lese die Zeitungen, alles digital, keine einzige mehr mit Papier. Dann mache ich mich schön, rasiere mich so weit es geht und verlasse um 7 Uhr das Haus und bin um 7.15 Uhr im Büro.“

Die Einlassungen des CSU-Parteichefs Markus Söder auf der Social-Media-Plattform lassen den Zuschauer da schon etwas ratlos zurück. Ist das Wahlkampf für junge Wähler? Neben seinen Morgenritualen erfahren die Zuschauer, dass er seit Urzeiten kein Bier mehr getrunken hat, sondern meist Cola-Light zu sich nimmt, er ist Star-Wars-Fan und bewundert Serien wie Game of Thrones. Außerdem hört er gerne Kiss, ABBA, die Beatles, New Wave und die Neue Deutsche Welle. Politisches kommt da wenig. Ob das Strategie ist, ist dabei eher unklar. Vielleicht ist es einfach so, dass der Kanal nicht zum Produzenten passt.

In Deutschland hat TikTok elf Millioinen Nutzer.
Meinung

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Social-Media-Plattformen: Als Gegner schon zu groß?

Freie Wähler waren als Erste auf TikTok

Viele Parteien und Abgeordnete haben TikTok entdeckt und versuchen damit, gezielt Erstwähler und junge Menschen anzusprechen. Mit mehr oder weniger Erfolg. Die Freien Wähler in Bayern sind seit März 2020 aktiv. Sie waren sogar die erste Partei in Deutschland, die dort einen offiziellen Account hatte.

Die CSU betreibt seit 2021 einen offiziellen TikTok-Account und verzeichnet knapp 59000 Follower. Bei der AfD gibt es gleich mehrere Accounts mit einigen Tausend Followern, ob die Accounts offiziell sind, ist aber nicht klar. Die Beiträge werden reichlich geteilt, sind provokativ und professionell in Szene gesetzt.

CDU, FDP und Grüne haben TikTok noch nicht für sich entdeckt

CDU, FPD und Grüne haben keinen offiziellen Auftritt ihrer Partei auf TikTok. Zahlreiche Abgeordnete haben die Plattform aber trotzdem schon für sich entdeckt. Johannes Steiniger, CDU-Bundestagsmitglied aus der Pfalz, ist seit einigen Monaten aktiv. „TikTok ist ein sehr, sehr spannender Kanal. Der Algorithmus schafft es, Inhalte genau denen auszuspielen, die sich dafür interessieren. Das führt dazu, dass die Reichweiten sehr groß sind. Das habe ich schon in den ersten Monaten gemerkt, in denen ich bei TikTok aktiv bin“, erklärt er auf seinem Account, den knapp 10.000 Menschen abonniert haben. Die Videos, die er verbreitet, kommen ganz unterschiedlich bei seinen Fans an. Während sein Praktikum im Holiday-Park 122.000 Nutzer gesehen haben, dümpelt die die TikTok-Story zum Thema Ehrenamt bei 654 Aufrufen.

Wie macht man Menschen vor Smartphones süchtig?

So erfolgreich die App ist, so rätselhaft ist sie oft für jene, die noch im alten Jahrtausend geboren wurden. Startet man die App, sehen die Nutzer im sogenannten „Für dich“-Feed eine unendliche Abfolge verschiedenster Clips, zusammengestellt von einem Algorithmus, den nur eines zu interessieren scheint: Wie macht man die Menschen vor den Smartphones süchtig? Tanzende Brasilianer, singende Stars, ABBA hat kurz vor dem Erscheinen ihres neuen Albums einen TikTok-Account gestartet, schräge Tier- und interessante Erklärvideos und jetzt auch Politiker – bei TikTok ist alles möglich. Hauptsache, es ist nicht langweilig, das wird vom Algorithmus sofort bestraft. Im Schnitt verbringen die jugendlichen Nutzer 45 Minuten pro Tag auf TikTok, mehr als auf jedem anderen sozialen Netzwerk. Facebook hat in dieser Generation kaum noch eine Chance, es ist zur Social-Media-Plattform für die „Alten“ geworden. Wahlentscheidend wird TikTok im September nicht sein, ohne Zweifel gewinnt der Kanal aber an Bedeutung für die Politik und damit auch die Diskussion, die heute schon über Facebook geführt wird. Wie einflussreich darf so eine Plattform werden?

Johannes Steiniger im Bundestag
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Wahlwerbung auf TikTok
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