Politik Koalitionsmöglichkeiten in NRW zunehmend begrenzt

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Mit einer Heerschau ihrer Bundesprominenz haben die Parteien an diesem Wochenende den heißen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eröffnet. In sechs Wochen am 14. Mai sind die 13,5 Millionen Wähler im bevölkerungsreichsten Bundesland an die Urnen gerufen. Ihr Votum ist der wichtigste Stimmungstest vor der Bundestagswahl.

Nach den aktuellen demoskopischen Umfragen liegen die Sozialdemokraten in ihrem Stammland an Rhein und Ruhr zwischen sieben und 13 Prozent vor den Christdemokraten. Bei den Persönlichkeitswerten ist die immer noch populäre SPD-Regierungschefin Hannelore Kraft ihrem CDU-Herausforderer Armin Laschet haushoch überlegen. Trotz unübersehbarer Schwächephasen in ihrer siebenjährigen Amtszeit eilt Kraft parteiübergreifend ein Ruf als fürsorgliche Kümmererin voraus. Damit hat es die rustikale Regierfrau bisher trotz einiger Schwächephasen erfolgreich geschafft, offene Flanken ihrer rot-grünen Landesregierung zu kaschieren. Nicht erst seit den massenhaften Übergriffen von Migranten-Mobs in der Kölner Silvesternacht hat sich die rot-grüne Landesregierung bei der inneren Sicherheit angreifbar gemacht. Auch die Misshandlungen von Flüchtlingen durch private Sicherheitskräfte oder der lasche Umgang der Behörden mit dem Berlin-Attentäter Anis Amri werden dem affärengestählten SPD-Innenminister Ralf Jäger angelastet. Ein weiterer Malus dieser Regierung ist die Schul- und Wirtschaftspolitik, wo NRW im Ländervergleich zumeist auf den hinteren Rängen rangiert. Diese Versäumnisse listet auch Kanzlerin Angela Merkel am Samstag in der Münsterland-Halle vor den nordrhein-westfälischen CDU-Delegierten auf dem Landesparteitag auf. Am Ende macht sie Innenminister Jäger sogar dafür verantwortlich, durch Versäumnisse in der Kölner Silvester-Nacht „das gesamte Klima in Deutschland gegenüber Flüchtlingen verändert“ zu haben. Ein schwerwiegender Vorwurf aus dem Mund einer Kanzlerin, die gleichzeitig noch einmal verteidigt, syrische Flüchtlinge aufgenommen zu haben. Ob dies dem CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet Rückenwind gibt? Bislang ist es ihm nicht gelungen, aus dem Versagen von Rot-Grün wirklichen Profit für seine Partei zu ziehen. Die Partei laviert sich durch den politischen Alltag. Lange wollte die CDU an den NRW-Hochschulen wieder Studiengebühren einführen. Wenige Wochen vor der Wahl knickte sie ein. Dann wollte Laschet den strikten Raucherschutz lockern. Die Parteibasis pfiff ihn zurück. Bis zuletzt suchten die CDU-Strategen nach einem massentauglichen Mobilisierungsthema, um die Menschen gegen Rot-Grün auf die Straßen und an die Urnen zu bringen – offenkundig vergeblich. Im Gegensatz zu Laschet wird FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner im Düsseldorfer Landtag als der eigentliche Oppositionsführer wahrgenommen. Der Freidemokrat liebt den Frontalangriff und die politische Zuspitzung. Während der CDU-Frontmann lange Zeit den Grünen als künftiger Koalitionspartner rücksichtsvolle Avancen machte, hatte Lindner deren Schulministerin Sylvia Löhrmann frühzeitig im Visier. Wegen des zunehmenden Unterrichtsausfalls, überfüllter Klassen mit Flüchtlingskindern und haarsträubenden Mängeln bei der schulischen Inklusion, geben die Liberalen als eines ihrer zentralen Wahlkampfziele aus, den Grünen das Bildungsressort entziehen zu wollen. Gleichzeitig haben sie jetzt per Parteitagsbeschluss auch eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ausgeschlossen. Damit sind die Koalitionsmöglichkeiten in NRW zunehmend begrenzt. Inzwischen lehnt die Parteiführung der Landes-Grünen als Revanche an die FDP eine Jamaika-Koalition ab. Nach den aktuellen Umfragen haben die Grünen sich gegenüber der letzten Landtagswahl auf sechs Prozent glatt halbiert. Damit scheint die Fortsetzung einer rot-grünen Landesregierung in weite Ferne gerückt. Nachdem Ministerpräsidentin Kraft auch eine rot-rot-grüne Koalition wegen der Linken („nicht regierungswillig und regierungsfähig“) strikt ablehnt, bliebe am Ende nur eine große Koalition oder aber die Renaissance eines sozialliberalen Bündnisses. Voraussetzung dafür wäre, dass SPD und FDP ihren demoskopischen Aufwärtstrend bis zum 14. Mai stabilisieren können. Aber Stimmungen sind noch keine Stimmen. |rtr

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