Rheinland-Pfalz Überraschend kommt die Polizei

Groß angelegte Kontrollaktion: Polizisten reichten am Sonntagabend auf der Autobahn-Rastanlage Wonnegau West bei Worms zahlreich
Groß angelegte Kontrollaktion: Polizisten reichten am Sonntagabend auf der Autobahn-Rastanlage Wonnegau West bei Worms zahlreichen Lkw-Fahrern das Atemalkoholmessgerät.

«WORMS/MAINZ.» Für Bedri M. ist es ungemütlich geworden. Zwei Polizeibeamte haben den Mittvierziger aus seinem Truck mit bulgarischem Kennzeichen gebeten. Es ist Sonntagabend. Auf der Raststätte Wonnegau bei Worms hat eine groß angelegte Alkoholkontrolle der Autobahnpolizeistation Gau-Bickelheim begonnen. Bedri M. hatte es sich im Führerhaus seines Lkw bequem gemacht. Jetzt steht er in T-Shirt und Badeschlappen neben seinem Laster. Ihm schlottern die Beine – vor Aufregung und Kälte. Der Lastwagenfahrer aus Bulgarien hat das Wochenende auf der Rastanlage neben der Autobahn 61 verbracht. Heimat und Familie sind weit weg, die Langeweile ist groß. Also hat Bedri M. wie viele seiner Fernfahrerkollegen sich die Zeit mit reichlich Alkohol verkürzt. Der Besuch der Polizei kommt für ihn überraschend. Von der Alkoholkontrolle ahnte er nichts. Um 22 Uhr sonntagabends endet das Wochenendfahrverbot für Lkw. Drei Stunden zuvor schwärmen mehrere Dutzend Polizisten aus. Beamte der Autobahnpolizei in Heidesheim und Gau-Bickelheim (Rheinhessen), in Ruchheim und Kaiserslautern sowie der Polizeiinspektion Edenkoben sind mit von der Partie. Bei dieser zweiten Großkontrolle ihrer Art in diesem Jahr macht auf der anderen Rheinseite auch die Autobahnpolizei im nordbadischen Walldorf mit. Die gemeinsame Aufgabe: Die Beamten sollen verhindern, dass alkoholisierte Trucker nach Ende des Fahrverbots zu gefährlichen Touren in die Nacht aufbrechen. Bedri M. hat sich erst geziert. Vom Atemalkoholtest will er nichts wissen. „Zwei oder drei Pivo“ habe er getrunken. Pivo heißt Bier, die Beamten lassen sich nichts vormachen. Schließlich bläst der Trucker ins Röhrchen. Das Ergebnis: knapp 1,4 Promille Alkohol im Blut. Bedri M. wird in dieser Nacht nicht mehr fahren. Die Polizisten nehmen Führerschein und Fahrzeugpapiere mit. Bedri M. ist sauer, ändern kann er nichts mehr. Will der Trucker am nächsten Tag weiter, bekommt er seine Papiere zurück, sofern ihn eine zweite Alkoholkontrolle als nüchtern ausweist. So steht es auf einem Merkblatt, das die Beamten auch in bulgarischer Übersetzung dabei haben. Weitere Unannehmlichkeiten hat Bedri M. nicht zu befürchten. Es sei nicht verboten, sich auf deutschen Autobahnparkplätzen zu betrinken, sagt der Chef der Autobahnpolizei Gau-Bickelheim, Jörg Wegener. Aber: Fahren darf man anschließend natürlich nicht mehr. So wie Bedri M. ist es am vergangenen Sonntagabend in Rheinhessen und in der Pfalz 33 weiteren Berufskraftfahrern ergangen. Ihnen wurde die Weiterfahrt untersagt. 344 Trucker hat die Polizei überprüft, 62 davon hatten getrunken – also fast jeder Fünfte war alkoholisiert. In 15 Fällen zeigte das Messgerät sogar mehr als 1,1 Promille an. Alkohol-Missbrauch auf Lkw-Rastplätzen sei kein neues Problem, erzählt Jörg Wegener. Bereits vor Jahren seien der Polizei ungewöhnlich viele leere Wodka-Flaschen an den Raststätten aufgefallen. Im Laufe des Jahres 2018 kontrollierte allein die Polizei Gau-Bickelheim 500 Trucker. Jeder sechste sei sonntagabends fahruntüchtig gewesen. Der Spitzenwert lag bei 3,4 Promille. Mitte Januar war die erste gemeinsame Kontrolle der Autobahnpolizei im südlichen Rheinland-Pfalz – mit ähnlichen Ergebnissen wie am vergangenen Sonntag. Die Polizei macht kein Geheimnis daraus, dass neun von zehn der alkoholisierten Trucker aus Ost- und Südosteuropa stammen. Die Männer seien schlecht bezahlt und oft wochenlang von ihren Familien getrennt. Alkohol sei für sie die „Kompensation“, vermutet Wegener. Marin S. ist gelassen. Bei ihm selbst und bei seinen drei Landsleuten hat die Polizei „0,0 Promille“ festgestellt. Auch der 31-Jährige Rumäne hat das Wochenende auf dem Parkplatz Wonnegau verbracht. Alkohol gebe es samstags, sonntags nur Cola oder Tee, sagt Marin S. In seiner Heimat könne er höchstens 300 Euro im Monat verdienen, als Trucker bekomme er 2100 Euro. Dafür ist Marin S. nach eigenen Worten sieben Wochen am Stück auf Westeuropas Autobahnen unterwegs, bevor er für zwei Wochen auf Heimaturlaub darf. Marin S. ist unzufrieden, brummelt ein Wort, das wie „Mafia“ klingt. Sein Lkw ist in Rumänien zugelassen, Beschriftung von Fahrerkabine und Aufbau lassen auf ein niederländisches Fuhrunternehmen schließen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts waren 2017 Lkw-Fahrer deutschlandweit in 22.700 Unfälle verwickelt, bei 382 davon war Alkohol im Spiel. Experten vermuten allerdings Dunkelziffern. Kommt zum Beispiel ein Lkw-Fahrer bei einem Unfall ums Leben, wird nicht mehr untersucht, ob er getrunken hatte. In Rheinland-Pfalz wurden 2018 knapp 770 Lkw-Unfälle mit Verletzten gezählt, in 38 Fällen davon waren die Lkw-Fahrer schuld, elfmal war Alkohol im Spiel. Jörg Wegener geht davon aus, dass die Alkoholkontrollen auf Rastplätzen für die Polizei noch längere Zeit Thema bleiben werden. Überlegt wird bereits, Trucker zum Pusten auch aus dem fließenden Verkehr zu winken. Den „Tagesrekord“ vom vergangenen Sonntag hält ein Rumäne: Er wurde auf der Raststätte Waldmohr an der A 6 im Landkreis Kusel mit 3,18 Promille Alkohol erwischt.

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