Wandern im Wasgau Krasse Ruinen bei Wengelsbach: Kurze Runde mit Wasigenstein, Maimont und Blumenstein
Wahnsinn, dieser Wasigenstein! Wie Termitengänge durchbohren steile Treppenwege zwei rötliche Sandsteinriffs. An der Ostspitze, wo die verbliebene Kante eines ehedem fünfeckigen Bergfrieds trotzig über der krautigen Teichlandschaft des Halsgrabens aufragt, gleicht die Burgruine einem Schiffsbug. Hinten, auf dem zweiten Riff, dagegen einem Sandstein-Hochhaus, dessen Buckelquader sich nahtlos mit dem natürlich gewachsenen Felsen verbinden. Schwindelerregende Stufen führen zwischen Felswangen in diesen gotischen Wohnturm. Daneben gähnt der Abgrund.
In der wilden Kühnheit seiner architektonischen Reste ist der Wasigenstein, knapp hinter der Grenze zum Elsass gelegen, definitiv eine der schönsten Wasgau-Felsenburgen. Nur schlappe 15 Minuten braucht man, um vom kleinen Waldparkplatz am Klingelfelsen oberhalb von Wengelsbach zur Ruine zu gelangen. Und da die Burg auf ihrem Bergsporn 85 Höhenmeter tiefer liegt als der Klingelfels, führt der von einem roten Rechteck markierte Wanderpfad erstmal bergab.
Sagenhafte Felsenkluft
Gerne wird der Wasigenstein mit dem „Waltharius“ in Zusammenhang gebracht, einem lateinischen Epos des 10. Jahrhunderts, das von Helden zur Zeit des Hunnenkönigs Attila erzählt. Demnach wäre die schmale Kluft, die zwischen dem östlichen und dem westlichen Burgfelsen klafft, jene enge Schlucht im „Wasgenwald“, wo sich der Dichtung zufolge Attilas flüchtige Ex-Geiseln Walther und Hiltgunt verschanzten, bevor es zum Verstümmelungsgemetzel mit Burgunderkönig Gunther und dessen Gefolgsmann Hagen von Tronje kam.
Die Burg links und rechts des sagenhaften Felsspalts ist freilich ein paar Jahrhunderte jünger als das Walthari-Lied. Um 1260 wurde sie von Rittern „de Wasichenstein“ erbaut. Der östliche Part entstand zuerst, kurz vor 1300 zog man dann auf dem westlichen Felskopf den Wohnturm der „neuen Burg“ hoch. 50 Jahre später starben die Herren von Wasigenstein aus. Umliegender Adel – die Fleckensteiner, die Herren von Hohenburg, die Ochsensteiner – sicherten sich Anteile an der Burg, die im Folgenden vielfach verlehnt, verpfändet und zum Ziel von Fehden wurde. Und da die vielen neuen Herren offenbar wenig in den Unterhalt der Burg investierten, war der Wasigenstein schon um 1500 verfallen.
Opferschale im Buchenwald
Vom Halsgraben aus setzen wir die sechs Kilometer kurze, grenzüberschreitende Tour fort, nun dem rot-weiß-roten Balken folgend, in Richtung Maimont. An einer Wegspinne umrunden wir die zentrale Buchen-Insel halb, biegen auf einen schmalen Waldpfad, der anfangs in nordwestliche Richtung ansteigt und uns sukzessive hoch auf den 513 Meter hohen Maimont bringt. An einer Stelle hat eine Quelle den Weg in ein Schlammbad verwandelt; wer die Böschung emporklettert, kann das Hindernis am Quellmund leicht überspringen.
Je höher wir kommen, desto stärker verwandelt sich die Vegetation in einen reinen Buchenwald. Noch sind die Baumkronen kahl, aber unsere Füße rascheln durch die silbrig-braune Laubflut des Vorjahrs. Dann, auf dem Gipfelplateau des „Großen Berges“ – so eine mögliche Deutung des Namens Maimont – die Opferschale: markantes Relikt einer keltischen Höhensiedlung, die mit Ringwällen bewehrt war. Ob die in einen Sandsteinfindling gehöhlte Kuhle wirklich keltischen Ritualen diente?
Ganz sicher ist das nicht – im Gegensatz zu den Schrecknissen der jüngeren Geschichte. Dass hier im Mai 1940 zwischen Deutschen und Franzosen ein „Kampf um den Maimont“ entbrannte, erscheint angesichts der heutigen Idylle und Abgeschiedenheit geradezu absurd. Daran, dass sich solche Vergangenheit niemals wiederholen möge, mahnt das gut 500 Meter entfernte, 1950 auf dem zweiten Gipfel des Doppelbergs errichtete Friedenskreuz.
Bonsai auf dem Blumenstein
Nach dem Abstecher zum Kreuz auf seiner Fernsicht-Felsenkanzel geht es im Zeichen des rot-gelben Balkens weiter zur nächsten Felsenburg: Blumenstein auf deutscher Seite. Kurioserweise führt der Weg zur Ruine wieder abwärts – bis wir unversehens im einstigen Halsgraben landen.
Mutmaßlich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet, tritt die Burg nur einmal aus dem Dunkel der Geschichte: 1332 zofft sich ihr damaliger Besitzer, Anselm Batzendorf zu Blumenstein, mit den Herren von Ochsenstein, ein paar Jahre später dann mit den verwandten Herren von Fleckenstein. Am Ende muss Anselm den Blumenstein räumen. Danach tauchen die Fleckensteiner, die Grafen von Zweibrücken und die Dahner Ritter als Besitzer auf. Als „zerbrochen Hauß“ gilt der Blumenstein bereis 1592.
Erhalten sind Reste der turmartigen Schildmauer, eine Felsenkammer, die steile Felsentreppe zur Oberburg und eine große Zisterne in der Unterburg. Pittoresk ist am Blumenstein die Verbindung von Architektur und Natur: die Mooslandschaften in feuchten Nischen des Burgfelsens, die Bonsai-Krüppelkiefern, die sich an die Ostspitze des kahlen Oberburgfelsens klammern.
Vom Blumenstein laufen wir zum „Wengelsbacher Hals“, dann, wieder auf französischer Seite, weiter mit dem roten Kreuz, am Ortsrand des Weilers Wengelsbach entlang. Wer will, kehrt im Restaurant „Au Wasigenstein“ ein. Auf der Karte stehen Entenbrust an Orangensoße, Wildteller mit Spätzle, vegetarische Burger. Der letzte Abschnitt zurück zum Klingelfelsen führt schweißtreibend bergauf.
Wegweiser
Runde bei Wengelsbach/Elsass: Wasigenstein, Maimont, Blumenstein – 6 km, 314 Höhenmeter, Start: Parkplatz am Klingelfelsen (D 3 ab Lembach, nach Niedersteinbach rechts abbiegen, D 190); alternativ kann man auch von einem Parkplatz an der Landstraße zwischen Schönau und Gebüg idie Tour starten. Einkehrmöglichkeit am Weg: Restaurant „Au Wasigenstein“ in Wengelsbach (Betriebsferien bis 15. März); im benachbarten Niedersteinbach gibt es außerdem das Gourmet-Hotel-Restaurant „Au Cheval Blanc“